"NEULAND – 200 Jahre Auswanderung nach Brasilien": Auftakt am 19. Mai
Kaiserslautern. 2024 wird in Brasilien mit einem nationalen Gedenktag an das 200. Jubiläum der Ankunft der ersten deutscher Siedler erinnert. Am 25. Juli 1824 waren die von Hamburg aus in See gestochenen Kolonisten über Rio de Janeiro nach São Leopoldo (Rio Grande do Sul) gelangt, um dort mit ihren Familien ein neues Leben zu beginnen. Es war der Beginn einer langen Geschichte der Einwanderung aus verschiedenen Regionen Deutschlands, besonders aus dem Hunsrück und der westlichen Pfalz. Noch heute existieren in Südbrasilien Dialekte wie das Hunsrückische, die auf Siedler aus dem heutigen Rheinland-Pfalz zurückgehen.
Das Hunsrück-Museum Simmern und das Stadtmuseum Kaiserslautern (Theodor-Zink-Museum | Wadgasserhof) nehmen dieses Jubiläum zum Anlass, um an die faszinierende Geschichte der Aus- und Einwanderung zu erinnern und die bis heute bestehenden Verbindungen nach Brasilien zu feiern. Neben einer analogen und virtuellen Ausstellung in Kaiserslautern und Simmern findet auch ein umfangreiches Begleitprogramm unter dem Titel "NEULAND – 200 Jahre Auswanderung nach Brasilien" statt.
Eröffnung zweier Ausstellungen
In der im Stadtmuseum Kaiserslautern (Theodor-Zink-Museum I Wadgasserhof) zu sehenden Ausstellung wird die Auswanderung aus der konkreten, individuellen Perspektive der Menschen gezeigt. Sie wird am Pfingstsonntag, 19. Mai 2024, um 11 Uhr im Wadgasserhof feierlich durch Staatssekretär Jürgen Hardeck vom rheinland-pfälzischen Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration sowie den brasilianischen Botschafter in Deutschland, Roberto Jaguaribe Gomes de Mattos, eröffnet. Für die Stadt Kaiserslautern begrüßt Beigeordnete Anja Pfeiffer die Anwesenden, in die Ausstellung einführen wird der Leiter des Stadtmuseums Bernd Klesmann. Für die musikalische Umrahmung der Veranstaltung, zu der alle Kulturinteressierten sehr herzlich eingeladen sind, sorgen die beiden Wandermusikanten Bernhard Vanecek und Freddi Punstein. Der Eintritt ist frei.
Nach einem gemeinsamen Gang durch die Ausstellung geht es zur Fruchthalle. Dort führt gegen circa 12.15 Uhr Christoph Dammann, Direktor des städtischen Referates Kultur, im Erdgeschoss in die Fotoausstellung dreier renommierter deutscher und brasilianischer Fotografinnen und Fotografen ein. Marina Klink aus São Paulo zeigt ihr Heimatland, wie es sich vielleicht Auswanderer als fernes Paradies idealisiert vorgestellt haben mögen... weite urwüchsige Landschaften, fremde Menschen, üppige Natur, exotische Pflanzen, wilde Tiere, bunte Früchte, Vögel und Blumen. Jörg Heieck hat vor zwölf Jahren die Nachfahren der pfälzischen Auswanderer in Südbrasilien besucht und deren heutiges Leben in Bildern festgehalten. Ray Albuquerque, selbst vor vierzehn Jahren von Brasilien nach Deutschland eingewandert, zeigt Landsleute, die ebenfalls seit langem hier leben und arbeiten. Der Eintritt zu beiden Vernissagen ist frei.
"NEULAND" wird gefördert durch das rheinland-pfälzische Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration sowie den Bezirksverband Pfalz und steht unter der Schirmherrschaft des brasilianischen Botschafters in Berlin. Kooperationen mit dem Institut für Pfälzische Geschichte und Volkskunde (Kaiserslautern) sowie dem Auswanderermuseum Oberalben (Kreis Kusel) erweitern den wissenschaftlichen Horizont der Ausstellungen. Insbesondere die historisch-familienkundliche Forschung, die auch von Brasilien aus ständig neue Impulse erfährt, kann inzwischen in digitalen Formaten zugänglich gemacht werden. Ein lokales wie überregionales Begleitprogramm (Veranstaltungen vor allem in Stadt und Landkreis Simmern sowie in Kaiserslautern) umfasst so unterschiedliche Formate wie Jazz-Konzerte, brasilianisches Brauchtum (Carnaval / Festa Junina), Filmabende, Lesungen sowie wissenschaftliche Vorträge und Kolloquien. Die finanzielle Förderung durch den Bezirksverband Pfalz und das rheinland-pfälzische Ministerium für Frauen, Familie, Kultur und Integration gewährleisten eine Ausstrahlung der Aktivitäten und Angebote weit über die historische Thematik hinaus.
Die Ausstellungen
Im Stadtmuseum
Ausgestellte Auswanderungsgesuche, Reisepässe und Briefzitate lassen die historische Situation der Auswanderung im Wadgasserhof des Kaiserslauterner Stadtmuseum lebendig werden. Der Nachbau einer Schiffskoje sowie bildliche Darstellungen historischer Segelschiffe führen den Besucherinnen und Besuchern die prekären Bedingungen der Überfahrt vor Augen. Besonders interessant wird die virtuelle Ergänzung dieses analogen Teils durch das Team des Fachbereichs „Virtual Design“ der Hochschule Kaiserslautern. Elemente der „Augmented Reality“ bieten dabei mit Hilfe transparenter Brillen eine Immersion in das Auswanderungs- und Reisegeschehen. In einem Teil des Raumes erwartet die Besucherinnen und Besucher eine virtuelle Reise ins „Neuland“ Brasilien. Eine großformatige Landkarte gibt einen Überblick über die Gegebenheiten vor Ort.
Zugleich dokumentieren verschiedene Foto-Reproduktionen die historische Entwicklung der Siedlungen in Südbrasilien. Das weitgehend unerschlossene, allerdings von den einheimischen „Bugres / Bugern“ (Guaraní) verteidigte Gebiet beginnt sich langsam zur neuzeitlichen Kulturlandschaft zu wandeln: Rodung des Urwalds, Haus- und Straßenbau, Handwerk und Gewerbe, die Gründung von Schulen, Kirchengemeinden und Vereinen werden als Etappen auf dem Weg in die Moderne veranschaulicht. Zitate aus Reiseberichten und zeitgenössischen Abhandlungen über Brasilien illustrieren das Geschehen und geben auch kritischen Überlegungen Raum. Eine Brücke in die Gegenwart der „Deutsch-Brasilianer“ schlagen Exponate aus dem Alltag im heutigen Südbrasilien, wo nach wie vor Teile der deutschen Sprache und Kultur die Lebenswelt prägen. Diese reichen von deutsch-brasilianischen Schul- und Kochbüchern über Kultur- und Fußballvereine bis hin zu „Omas Spritzbier“ und Getränke-Kreationen à la „Imigração 1824“.
Die Ausstellung im Wadgasserhof kann bis zum 22. Dezember 2024 zu den Öffnungszeiten des Stadtmuseums besichtigt werden.
Im Foyer der Fruchthalle
Die Fotoausstellung im Foyer der Fruchthalle kann bis zum 22. Juni 2024 vor den Konzerten und während der Öffnungszeiten besichtigt werden. Diese sind Montag, Dienstag und Donnerstag von 9 bis 12 Uhr, Mittwoch von 9 bis 16 Uhr und Freitag von 9 bis 13 Uhr. Der Eintritt zur Ausstellung ist frei.
Marina Bandeira Klink wurde in São Paulo geboren. Mit einem akademischen Hintergrund in sozialer Kommunikation wurde sie im Bereich von Großveranstaltungen in Brasilien und im Ausland tätig, bis sie 2006 beschloss, eine Familienreise zu organisieren und ihre noch jungen Töchter auf einem Segelboot in Richtung Antarktis mitzunehmen. Diese Entscheidung bedeutete eine Wende für die Familie, denn sie ergriff den Beruf der Fotografin und begann, ihre Töchter zu eigenen Expeditionen zu ermutigen. Ihre Fotografien zeigen eine intensive Verbindung zur Natur und regen zum Nachdenken über das Leben in fast unzugänglichen Regionen der Erde an, wie etwa der Antarktis und der Arktis, ihren Lieblingszielen. Ihre Fotos sind zunehmend in Zeitschriften, Kunstbüchern, Ausstellungen und Veranstaltungen sowie in wichtigen öffentlichen Räumen und Galerien präsent. Marina Klink ist nicht nur Umweltfotografin und Autorin, sondern auch Rednerin. Sie teilt ihre ungewöhnlichen Reiseerlebnisse mit dem Publikum und ermutigt so unterschiedliche Zielgruppen, ihre Träume wahr werden zu lassen. In diesem Zusammenhang sind ihre Themen Herausforderung, Motivation, Führung, Unternehmertum, Nachhaltigkeit und Umwelt. Sie schreibt unter anderem für die Zeitschriften und Zeitungen O Estado de São Paulo, Folha de São Paulo, Forbes Magazine, Unquiet Magazine, Trip Magazine, Gol Magazine und JP Magazine.
Walachei ist der Name einer Region in Südbrasilien, die vor allem von Pfälzer und Hunsrücker Auswanderern ab 1824 besiedelt wurde. Deren Nachfahren haben sich ihre eigene Lebensweise und den Dialekt erhalten. Jörg Heieck war dort im Jahr 2012 zwei Wochen unterwegs und hat für ein Ausstellungs- und Buchprojekt fotografiert. Durch die Vermittlung von Theo Pfleger, Roland Paul und den Wandermusikanten konnte er sehr persönliche Einblicke in das dortige Leben gewinnen. Einige Freundschaften aus dieser Zeit sind noch aktiv, insbesondere die Gaucho-Musiker aus Südbrasilien waren einige Male in Kaiserslautern zu Besuch. Für 2025 ist eine große Fotoreise nach Südamerika mit einem erneuten Besuch in der Region Porto Alegre geplant. Jörg Heieck, geboren 1964 in Münster, aufgewachsen in der Westpfalz, ist Künstler und promovierter Physiker. Er studierte in Frankfurt, Edinburgh und Rochester. Als Forscher war er mehrere Jahre für Agfa, Kodak und die Europäische Kommission tätig. In Kaiserslautern lehrt Heieck Physik und Fotografie. Er ist berufenes Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Fotografie. Seine Arbeiten werden international ausgestellt und befinden sich in öffentlichen und privaten Sammlungen. In Kaiserslautern betreibt er den Brownian Motion Art Space und war Co-Kurator des Fotofestes.
Ray Albuquerque wurde in Caetes im Landesinneren des brasilianischen nordöstlichen Bundesstaates Pernambuco geboren, so wie auch der brasilianische Präsident Lula. Als sie dreizehn Jahre alt war, zog die Familie nach São Paulo. 2007 ging Albuquerque nach Barcelona und 2010 nach Deutschland. Sie studierte Philologie und Fotografie. Ausstellungen ihrer Fotoarbeiten zeigte sie in Barcelona, Kaiserslautern, Mannheim und 2023 zur Eröffnung des „Praça das Artes“ in São Paulo. Albuquerque fotografierte schon als Jugendliche gern, aber ab ihrem 20. Lebensjahr wollte sie mehr hinter der Kamera stehen. In São Paulo begann sie sich für alternative Fotografie zu interessieren, zum Beispiel für Cyanotypien. Als sie in Barcelona lebte, erkundete sie die Welt der Architektur- und Straßenfotografie. Sie liebt den Kontakt mit Menschen und hilft ihnen, sich vor der Kamera zu entspannen. Als sie lernte, professionell zu fotografieren, verliebte sie sich in verschiedene Themen: Stillleben, Low-Key-Fotos, Aktfotos, Porträts. Sie hat fast ganz Europa bereist und verfügt über ein großes Archiv an Architektur-, Landschafts- und Straßenfotos. red
Autor:Monika Klein aus Kaiserslautern |
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