Mikroorganismen-Forschung aus der Westpfalz
Blaue Alge, grüne Power
Am Mittwoch, 24. Mai zeigt das SWR-Fernsehen ab 18:15 Uhr die halbstündige Doku „Made in Südwest“:
Der Biologe Dr. Michael Lakatos, der seit 25 Jahren in Kaiserslautern lehrt, stellt sein Forschungsprojekt über Mikroalgen vor. Er konzentriert sich auf Algenarten, die außerhalb des Wassers leben und die biotechnische Wunder vollbringen: Sie reduzieren Müll und produzieren eine Fülle an Wertstoffen und Wirkstoffen.
Klein, grün und wertvoll
Die Fotosynthese ist im Fach Biologie typischer Abiturprüfstoff. Wer diesen Kreislauf verstanden hat, weiß auch, dass alles mit allem zusammenhängt. Genau wie Chloroplasten im Blattgrün mithilfe von Sonnenlicht Kohlendioxid zu Sauerstoff umwandeln, funktionieren Cyanobakterien, die früher auch Blaualgen genannt wurden. Licht und schlechte Luft werden zu Sauerstoff und weiteren Wertstoffen verwandelt.
In der kommende Woche werden große Fassadenbauelemente aus Auderath in der Eifel geliefert, im Labor in Pirmasens zusammengebaut, mit CO2-bindenden Blaualgen „bepflanzt“und kommen in Stuttgart zum Einsatz. Grüne Häuserfassaden, die Sauerstoff produzieren, können wie grüne Lungen funktionieren.
Wie kommt man zu diesem Riesenprojekt?
Ich treffe Michael Lakatos im Café Bännjerrück zum Interview. Er wurde in Wiesbaden geboren und zog mit den Eltern viel um, wuchs in Orten an der Schweizer Grenze bis nach Hessen auf. Eigentlich wollte er Arzt werden, doch nach seiner Zeit beim Rettungsdienst und im Krankenhaus entschied er sich um, studierte Biologie in Frankfurt, Venezuela und Rostock und promovierte in Kaiserslautern. Wohin er nach seinem ersten Job in Lissabon zurückkehrte und was seitdem seine Wahlheimat ist, hier wuchsen seine Söhne auf, hier engagiert er sich im Naturschutzbeirat. Schon vor der staatlichen Bezuschussungswelle investierte er privat in eine Solarstromanlage, baute sein Holzhaus zum Niedrigenergiehaus um. Energiesparen und Abfallvermeidung sind ihm wichtig:
„Eine Vergärung in einer Biogasanlage muss immer der letzte Schritt sein, vorher kann man Wertstoffe aus Bioabfall herausziehen. Es ist unglaublich, wie viele Wertstoffe beispielsweise im ungenutzten Gemüse stecken.“
Neugier und Forscherdrang haben ihn Anträge schreiben lassen. Natürlich gab es immer wieder Durststrecken zwischen Projekten, doch das Dranbleiben hat sich gelohnt. Die Forschungsergebnisse und zukünftige Produkte aus Mikroalgen bieten eine Chance, die Klimakatastrophe abzumildern.
Im Januar 2022 stand die Fördersumme vom Bundesministerium für Forschung und Bildung und vom rheinland-pfälzischen Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit fest: Acht Millionen Euro erhält das Biotechnologieprojekt Waste2Value (übersetzbar mit „mache“ Abfall zur Kostbarkeit), der Untertitel lautet „Mikroorganismen verändern die Westpfalz“. Mit im Boot sind außer der Hochschule Kaiserslautern die Zukunftsregion Westpfalz sowie das Prüf- und Forschungsinstitut Pirmasens.
Kunststoff aus Abfall
Manche Mikroalgen produzieren Lebensmittelfarbstoffe und brauchen dazu nur Kohlendioxid und Sonne, andere produzieren Kalk, der Zement ersetzen kann, wieder andere ernähren sich von Abfall und Abwasser. Es gibt viele Möglichkeiten neuer nachhaltiger Produkte aus Blaualgen, teils schon produzierbar wie Bioplastik für die Medizintechnik, teils noch in der Entwicklungsphase in Laboren und wahrscheinlich zu einem Großteil noch unentdeckt. Um die Bandbreite an Einsatzmöglichkeiten unentdeckter Arten zu untersuchen, reist Lakatos und sein Team zu Orten mit klimatischen Extrembedingungen, die die Überlebenskünstlerin Blaualge so vielfältig haben werden lassen. Die dort entnommenen Proben werden im Labor in Pirmasens vermehrt und dann folgt der spannendste Teil: Biotechnische Einsatzmöglichkeiten werden im Wirkstoff- und Werkstoff-Screening getestet. Aus der Höhle „Cueva del Escalón“ westlich des spanischen Bilbao stammen besonders seltene und ursprüngliche Mikroalgen. Praktisch ist vor allem, dass diese sehr pflegeleicht sind, Temperaturschwankungen und Trockenheit aushalten. Dies hat sie ja mehrere Millionen Jahre überleben lassen. Dass diese Mikroalgen auch das Potenzial dazu haben, unsere kommenden Generationen am Leben zu erhalten, wäre wünschenswert.
Für Unternehmen mit biogenen Abfällen oder mit Bedarf an biologischen Kleb-, Kunst- oder Verbundwerkstoffen ist Dr. Michael Lakatos Ansprechpartner, seine E-Mailadresse ist michael.lakatos@hs-kl.de.
Weitere Informationen:
ARD-Mediathek: Dokumentarfilm „Made in Südwest“, 24. Mai, 18:15 Uhr
www.w2v-rlp.de
Autor:Nadja Donauer aus Kaiserslautern |
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