In schwierigen Zeiten zum Sündenbock erkoren
"Brandbrief" der Unternehmer an Stadtvorstand und Stadtrat
Von Ralf Vester
Stadtpolitik. Als Stadtrat oder Stadträtin hat man es in Kaiserslautern gewiss nicht leicht. Es gibt beileibe Kommunen, die finanziell weitaus besser ausgestattet und somit wesentlich gestaltungsfähiger sind als die Westpfalzmetropole. Dass es in einer Stadt, die seit Jahren die Argusaugen der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) auf sich gerichtet sieht und jeden auszugebenden Cent im Haushalt mehrfach umdrehen muss, liegt in der Natur der Sache.
Doppelhaushalt in trockenen Tüchern
Den Leuten noch bestens im Gedächtnis ist das zähe Ringen um den städtischen Haushalt des Jahres 2021, der erst in allerletzter Sekunde verabschiedet werden konnte. Heuer ging es dank umsichtiger Vorarbeit und eines breiten Konsenses über Parteigrenzen hinweg erfreulicherweise weitaus schneller und geräuschloser vonstatten. Der Doppelhaushalt für 2022/2023 passierte das Gremium am Montag im Vergleich zum Vorjahr geradezu in Rekordgeschwindigkeit.
Viel Kritik erntete die Stadtspitze jedoch erst kürzlich für die am 31. Januar mit Ausnahme der CDU-Fraktion vom Stadtrat beschlossene Erhöhung der Gebühren für das Parken in der Innenstadt von Kaiserslautern. Der Hintergrund für die unpopuläre Entscheidung: Die zu erwartenden jährlichen Mehreinnahmen in Höhe von etwa einer Million Euro sollen es der Stadt ermöglichen, im neuen Doppelhaushalt 800.000 Euro zusätzlich für den Kommunalen Entschuldungsfonds bereitzustellen und 200.000 Euro in die Förderung des ÖPNV fließen zu lassen.
Erhöhung der Parkgebühren sorgt für Unmut
Dass dieser Beschluss bei den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt sowie beim Einzelhandel auf wenig Gegenliebe und vielmehr auf reichlich Empörung stieß, überrascht freilich nicht. Der ehrenamtliche Citymanager Hanno Scherer spricht von einem „Ding der Unmöglichkeit“ und prangert zudem die diesbezüglich ausgebliebene Kommunikation mit dem Handel an. Damit vergraule man die letzten Kunden und schade dem coronabedingt ohnehin in den Seilen hängenden städtischen Einzelhandel samt Gastronomie.
„Brandbrief“ der Unternehmerschaft sorgt für Ungemach
Weiteres Ungemach braut sich für den Stadtvorstand und den Stadtrat indes seitens der Kaiserslauterer Unternehmerschaft zusammen. Dieser Tage macht ein von rund 30 namhaften Verantwortlichen aus Wirtschaft, Technologie und wissenschaftlichen Institutionen der Stadt unterzeichnetes Schreiben die Runde, in dem von einer in wichtigen Teilen stagnierenden Entwicklung Kaiserslauterns und damit einer Gefährdung der positive Stellung der letzten Jahre die Rede ist. Dringende und grundlegende Entscheidungen zu zentralen zukunftsorientierten Handlungsfeldern würden verzögert und blockiert.
Technische Universität, Hochschule, Forschungsinstitute und technologieorientierte Unternehmen seien die Grundlage für eine erfolgreiche Zukunft von Kaiserslautern, heißt in dem von so manchem auch als Brandbrief bezeichneten Schreiben. Dauer und Inhalt der Diskussion um die Erweiterungsfläche für die TU, insbesondere auch im Zusammenhang mit einem Neubau für die Chemie, seien ein fatales Signal für den gesamten Wissenschaftsstandort. Für die Ansiedlung von Unternehmen und Einrichtungen müssten unbedingt entsprechende Erweiterungsflächen ausgewiesen werden.
Auch an Wohnraum mangele es in der Stadt. Es gebe ein sehr begrenztes Immobilienangebot bei sehr hoher Nachfrage und rasant steigenden Preisen. Der Frust vieler Neuankömmlinge in Kaiserslautern sei groß. Ein erheblicher Standortvorteil des Oberzentrums Kaiserslautern gehe verloren. Es bedürfe dringend neuer Wohnbauflächen im Stadtbereich und den Stadtteilen.
Gerechtfertigte Kritik oder ein Affront?
„Unsere große Bitte: Tragen Sie Sorge dafür, dass sich der Rat der Stadt Kaiserslautern den Herausforderungen der Gegenwart für die Bürgerinnen und Bürger gemeinsam widmet und so auch die Weichen für die Zukunft stellt“ – mit diesen Worten schließt das bemerkenswerte Schreiben. Es birgt durchaus Zündstoff in sich, denn dem souveränen Organ des Stadtrats derart deutlich Versäumnisse und Blockadevorwürfe ins Gebetbuch zu schreiben, dürfte zahlreichen Mitgliedern des Gremiums gewiss nicht schmecken und wohl auch von so manchem als Affront verstanden werden.
Es wird interessant sein, zu beobachten, wie viel Nachhall diese deutliche Kritik am Stadtrat erzeugen wird. Es gibt bereits erste Reaktionen wie die des CDU-Fraktionsvorsitzenden Michael Littig, der sich parteiübergreifend vor die Mitglieder des Stadtrats stellt. Womöglich ist auch nicht jeder der Unterzeichner bzw. der unterzeichnenden Institutionen ganz so glücklich mit der Veröffentlichung dieses brisanten Briefs. rav
Autor:Ralf Vester aus Kaiserslautern |
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