ADD beanstandet städtischen Haushalt
Deckel des Zuschussbedarfs bei den Freiwilligen Leistungen um rund drei Millionen überschritten
Kaiserslautern. Aus Dringlichkeitsgründen hat der Stadtvorstand eine Sondersitzung des Stadtrats für Montag, den 31. Mai, in der Fruchthalle einberufen. Anlass für die Sondersitzung ist die vorletzte Woche eingetroffene Verfügung der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion ADD zum Doppelhaushalt 2021/22. Die Kommunalaufsicht beanstandet den Haushalt 2021 wegen Überschreitung des sogenannten „Deckels“ des Zuschussbedarfs im Bereich der Freiwilligen Leistungen um rund 3 Millionen Euro. Der Haushalt 2022 wurde gar „global“, also in Gänze beanstandet.
ADD-Vizepräsidentin Begoña Herrmann macht in der 51 Seiten starken Verfügung unmissverständlich deutlich, dass die Haushalts- und Finanzplanung der Stadt nicht im Einklang mit den Grundsätzen einer geordneten Haushaltswirtschaft stehe. Die Fehlbeträge resultierten, so Herrmann, auch nicht aus Sonderbelastungen aufgrund der Pandemie.
Um einen ausgeglichenen Haushalt herbeizuführen, fordert die ADD konkrete Maßnahmen. Es müsse sich dabei um „echte“ sowie noch nicht in der Haushaltsplanung berücksichtigte Konsolidierungsmaßnahmen handeln. Als Optionen aufgezeigt werden „eine Zurückführung des freiwilligen Leistungsangebotes“, Aufwands- und Auszahlungsreduzierungen im pflichtigen Aufgabenbereich sowie eine Anhebung der Realsteuerhebesätze, konkret der Grundsteuer B. Es sei, so Hermann, angesichts des unausgeglichenen Haushalts nicht mehr hinnehmbar, dass die Stadt bei ihrem Hebesatz für die Grundsteuer B (460 Prozent) weit unter dem Durchschnittshebesatz der anderen Flächenländer liege (548 Prozent im Jahr 2019). Soweit ein Haushaltsausgleich nicht anderweitig herbeigeführt werden kann, wird seitens der ADD daher eine Anhebung des Hebesatzes ausdrücklich erwartet.
Um dieser Forderung nachzukommen, wird Oberbürgermeister Klaus Weichel dem Rat am Montag eine Anhebung des Hebesatzes der Grundsteuer B auf 680 Prozent sowie die Einführung einer Wettbürosteuer vorschlagen (s. hinten). „Unseren Bürgerinnen und Bürgern in diesen schwierigen Zeiten eine Grundsteuererhöhung zuzumuten, sollte der letzte Ausweg sein. Ich fürchte jedoch, wir werden ihn gehen müssen. Eine Diskussion, welche unserer freiwilligen Leistungen, also etwa das Pfalztheater, der Zoo oder die Schwimmbäder, entbehrlich sind, sollten wir vermeiden. Um diese nicht in ihrem Bestand zu gefährden, wäre eine Erhöhung der Grundsteuer ein gerechter Weg, da diese allen zu Gute kommt. Die Entscheidung darüber obliegt aber dem Rat.“
„Letztendlich kam es, wie es kommen musste“, so das Stadtoberhaupt weiter. Eindringlich hatte Weichel bei der Einbringung des Haushalts an die Fraktionen appelliert, die „Verantwortung an dieser Stelle sehr ernst und konsequent wahrzunehmen und einen Haushalt zu verabschieden, der zumindest eine Aussicht auf Genehmigung hat“. Dennoch habe man in der Folge immer weiter Beschlüsse mit negativen Auswirkungen auf den Haushalt gefasst. Auch die vorgeschlagene Aufgabe der Eisbahn habe im Rat keine Mehrheit gefunden. „Die ADD fordert bekanntermaßen schon lange eine Anhöhung der Grundsteuerhebesätze. Es war zu erwarten, dass sie die Forderung angesichts dieses Haushalts bekräftigen wird.“
„Ein ausgeglichener Haushalt muss ab sofort über allem stehen“, fordert der Rathauschef. „Wir müssen alle Haushaltsansätze kontinuierlich auf die Wirtschaftlichkeit hinterfragen. Investitionen sind zu priorisieren, insbesondere im Bereich der freiwilligen Leistungen.“ Weichel will sich nun für einen Eckwertebeschluss des Stadtrats als Souverän des Haushalts stark machen.
Die Sitzung beginnt um 15 Uhr in der Fruchthalle. Bitte beachten: Es handelt sich um eine reine Präsenzsitzung, die daher auch nicht im Internet gestreamt wird! Weitere Tagesordnungspunkte sind der Antrag der FDP-Fraktion auf eine Reduzierung der Zahl der städtischen Beigeordneten sowie ein erneuter Antrag der Grünen zur Ausstattung der Schulen mit aktiven Belüftungssystemen.
Zur Erhöhung der Grundsteuer
Die geplante Erhöhung des Hebesatzes der Grundsteuer B von 460 Prozent auf 680 Prozent rückwirkend zum 1. Januar 2021 würde für die Stadt Mehreinnahmen von rund 10,5 Millionen Euro bedeuten, von rund 22 Millionen Euro auf rund 32,5 Millionen Euro.
Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer ist allein die sogenannte Grundsteuerformel, die wiederum auf dem vom Finanzamt berechneten „Einheitswert“ des jeweiligen Grundstückes fußt. Aufgrund des dabei zugrunde gelegten, extrem umfangreichen Kriterienkatalogs im Bewertungsrecht ergeben sich für die einzelnen Grundstücksbesitzer sehr unterschiedliche Steuerhöhen.
Die konkreten Mehrkosten für die Grundstücksbesitzer hängen stark vom jeweiligen Grundstück ab. Je nach Einheitswert des Grundstücks ergeben sich völlig unterschiedliche absolute Zahlen. So zahlt der Besitzer eines unbebauten Grundstücks in Morlautern durch die Erhöhung der Grundsteuer B auf 680 Prozent pro Jahr etwa 30 Euro mehr, der Besitzer eines Geschäftsgrundstücks mit großer Gewerbefläche jedoch über 4000 Euro pro Jahr mehr.
Sofern eine Gemeinde den geltenden Hebesatz noch für das laufende Jahr anheben möchte, muss der Beschluss dazu bis spätestens 30. Juni des laufenden Jahres durch den Gemeinderat gefasst werden. In diesem Fall gilt der neue Hebesatz rückwirkend auf den Beginn des Kalenderjahres.
Der Hebesatz wurde letztmals zum 1. Januar 2015 erhöht, von zuvor 420 auf sodann 460 Prozent. Damit liegt die Stadt im Vergleich mit den anderen kreisfreien Städten in Rheinland-Pfalz etwa im Mittelfeld. Der höchste Hebesatz (Stand 2020) verzeichnete bis dato Neustadt a.d.W. mit 505 Prozent.
Zur Einführung der Wettbürosteuer
Die Wettbürosteuer ist eine kommunale Aufwandsteuer, welche sich in den letzten Jahren etabliert hat. Nachdem viele Kommunen in Nordrhein-Westfalen die Wettbürosteuer bereits seit ein paar Jahren erheben, haben zuletzt auch Koblenz und Ludwigshafen die Steuer eingeführt.
Diese Steuer ist – wie die Vergnügungssteuer – eine indirekt erhobene örtliche Aufwandsteuer. Besteuert werden soll der Aufwand der Wettenden für das Wetten in einem Wettbüro im Gebiet der Stadt Kaiserslautern, in dem Pferde- und Sportwetten vermittelt oder veranstaltet werden und neben der Annahme von Wettscheinen (auch an Terminals, Wettautomaten oder ähnlichen Wettvorrichtungen) zusätzlich auch das Mitverfolgen der Wettereignisse ermöglicht wird. Mit Abschluss der Wette entsteht der zu besteuernde Aufwand des Wettenden. Erhoben wird die Steuer jedoch beim Wettbetreiber bzw. Wettvermittler als Steuerschuldner, welcher die Belastungen wiederum auf die Wettenden umlegen kann. Diese Struktur ist typisch für die Festsetzung der Vergnügungssteuer, insbesondere bei der Besteuerung von Geldspielgeräten, bei der der Aufwand des Spielers (Einwurf in den Geldspiel-automaten) besteuert, jedoch beim Aufsteller/Betreiber der Automaten erhoben wird.
Nachdem es hinsichtlich der Bemessungsgrundlage der Wettbürosteuer zunächst noch Rechtsunsicherheiten gab, hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 29.06.2017 (Az. 9 C 7.16) diese vollständig ausgeräumt. Laut diesem Urteil sei der wirklichkeitsnächste Maßstab die prozentuale Besteuerung des Wetteinsatzes. Der Steuersatz in Kaiserslautern soll in Anlehnung an die entsprechenden Satzungen anderer Städte 3 Prozent vom Bruttowetteinsatz betragen (so bspw. in Koblenz und Ludwigshafen).
Das Steueraufkommen durch die im Stadtgebiet angesiedelten Wettbüros kann momentan nicht konkret bestimmt werden. Aufgrund der Erfahrungswerte aus Ludwigshafen und Koblenz kann jedoch von einem Ertrag in Höhe von ca. 150.000 Euro jährlich ausgegangen werden. Der für die Veranlagung der Wettbürosteuer zu erwartende verwaltungsseitige Aufwand wird eher als gering eingeschätzt. Die Schätzungen können jedoch nicht konkreter vorgenommen werden, da zurzeit lediglich Erfahrungswerte aus vergleichbaren Städten vorliegen.
Aufgrund der derzeitigen Pandemielage und der damit verbundenen Einschränkungen im öffentlichen Bereich ist das Mitverfolgen der Wettereignisse in einem Wettbüro derzeit nicht möglich. Eine Besteuerung der Wettbüros kann damit zurzeit nicht erfolgen. Die tatsächliche Erhebung der Wettbürosteuer wird daher erst möglich, wenn das Mitverfolgen des Wettereignissen vor Ort wieder erlaubt ist.
Über die Einnahmeerhebung hinaus verfolgt die Stadt mit der Erhebung der Steuer ebenfalls Lenkungszwecke, ähnlich wie bei der Vergnügungssteuer für Spielgeräte. Wettbüros bieten aufgrund deren typischer Ausstattungen mit Sitzgelegenheiten und Monitoren, insbesondere bei jüngeren Wettenden eine erhöhte Suchtgefahr. Eine Ausbreitung von weiteren Wettbüros soll daher durch die Einführung der Steuer zumindest eingedämmt werden.
Autor:Ralf Vester aus Kaiserslautern |
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