Demo gegen Wahlveranstaltung der AFD
Erschreckende Szenen in der Kaiserslauterer Innenstadt

Weimar 1930?

Ein spontaner persönlicher Bericht
Am Freitag (21.02.2025) fand in Kaiserslautern die Abschlusskundgebung zu den
Bundestagwahlen der AfD statt. Aus diesem Anlass haben verschiedene Gruppen eine
Gegendemonstration durchgeführt DGB, Die Linke, Bündnis90/Die Grünen, Omas gegen
rechts, Kirchen (Präsidentin Wüst) Ex-OB Weichel, Studenten, Schüler etc.
Kam man gegen 17 Uhr auf den Stiftsplatz, fiel zunächst der ca. 2 m hohe Zaum um den
Veranstaltungsbereich auf. Die Polizei hatte eine Straße voll gesperrt und mehrere Kollegen
um den Platz postiert. In den folgenden Stunden wurden es an die hundert Polizisten, die
offenbar einen Zusammenstoß der Teilnehmer an der AfD-Versammlung mit der
angekündigten Gegendemonstration verhindern sollten.
Anmerkung: Erinnerungen wurden beim Schreiber dieser Zeilen wach an die vor mehreren
Jahren durchgeführte Wahlveranstaltung der SPD mit dem Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück
an eben diesem Ort. In der Mitte des Stiftsplatzes war eine Bühne aufgebaut, auf der Peer
Steinbrück zunächst eine Rede hielt und dann direkt Fragen der Zuhörer beantwortete. Der
Platz war frei zugänglich, es gab keine Absperrungen, keine Polizei trat in Erscheinung.
Was ist in diesem Land passiert, dass heute Wahlveranstaltungen nur noch unter erhöhten
Sicherheitsvorkehrungen sattfinden können? Viele finden nur noch in geschlossenen Räumen
mit Sicherheitskontrolle statt (Die Grünen in der Fruchthalle, BSW in der Kammgarn).
Innerhalb des abgezäunten Geländes, in das man nur kontrolliert eintreten konnte, hatte die
AfD Biertische, einen Ausschank mit Imbiss, Toiletten und eine Rednerbühne aufgebaut. Es
sprachen der Direktkandidat Sebastian Münzenmaier und weitere mehr oder weniger
bekannte Vertreter der Partei. 400 Teilnehmer sollen da gewesen sein. Spätestens um 22 Uhr
war der Stiftsplatz übrigens vollständig geräumt. Der Samstagsmarkt kann ungehindert
stattfinden.
Laut Bericht der Lokalzeitung hatten sich bewusst an diesem Datum 1800
Gegendemonstranten in der Altstadt eingefunden, um „für den Erhalt der Demokratie“ und
gegen die AfD zu demonstrieren. Ein Teil von ihnen (geschätzt 150) löste sich aus der
Gesamtgruppe und baute sich an der Absperrung durch die Polizei in 10 bis 20 Meter
Entfernung zur Wahlkundgebung auf. Diese überwiegend jungen bis sehr jungen Teilnehmer
hielten Schilder mit diffamierendem Inhalt in oft Fäkalien-Bildern hoch und skandierten
stundenlang laute Hassparolen „Ganz Kaiserslautern hasst die AfD“ und weitere, nicht
zitierfähigen Sprüchen. Dies in der erkennbaren Absicht, die Veranstaltung gezielt zu stören.
Der Widerspruch zum Plakat „Hass ist keine Meinung“ scheint dort niemandem aufgefallen zu
sein.
Immer wieder dabei auch der Bezug zu 1933 und „Nazis raus“ Rufe. Angesichts der
erschreckend hassgetriebenen Wucht der „Sprechchöre“, kommen manchem Beobachter
allerdings Assoziationen an Weimarer Zeiten, also um 1930. Ist es schon wieder soweit, dass
die politische Auseinandersetzung nicht mehr im Dialog und Gespräch, sondern in der
Konfrontation auf der Straße geführt wird? Wobei an diesem Tag die Aggression vor allem
verbaler Art eindeutig von den Demonstranten ausging.
Schaute man in die teils sehr jungen Gesichter (Schüler, Studenten etc.), musste man sich
fragen, wer sie dahingehend so stark beeinflusst, um sich für solche undemokratischen
Aktionen einspannen zu lassen. Leider wird man die oben genannten Institutionen dafür
mitverantwortlich machen müssen. Und eine Kirchenpräsidentin Wüst sollte sich fragen,
welch ein Art von Diskurs sie eigentlich pflegt und wie sie ggf. überhaupt eine
Gesprächsfähigkeit gerade auch im Hinblick auf die junge Generation fördern will. Der
vielbeschworene Zusammenhalt in der Gesellschaft ist jedenfalls mit solchen Aktionen nicht
zu erhalten. Demokratie verteidigen heißt: Das ganze politische Spektrum von links bis rechts
zu respektieren und deren jeweiligen gewählten Vertreter als solche anzuerkennen. Das sehen
übrigens führende Staatsrechtler wie etwa Ruppert Scholz u. A. auch so.
Eines ist sicher: Wer sich mit dem Gedanken trägt, die AfD zu wählen, hat gestern keine
Argumente dagegen bekommen.
Und noch eines ist sicher: Unabhängig vom Wahlausgang, wird der gesellschaftliche Graben,
der in den letzten Jahren entstanden ist, noch viel Arbeit, kommunikatives Geschick und
aufrichtige Diskursbereitschaft erfordern, um eben diesen Graben wieder zu überbrücken.
Berthold Kliewer

Autor:

Helmut Wilde aus Kaiserslautern

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