Wir kommen wieder, keine Frage!
Warum Corona auch Chancen bietet und wir gemeinsam die Kurve kriegen

Am ersten Juli-Wochenende drängen sich auf dem Altstadtfest stets wahre Besuchermassen in der Steinstraße. In diesem Jahr bleibt es auf der Partymeile leider leer. | Foto: view
  • Am ersten Juli-Wochenende drängen sich auf dem Altstadtfest stets wahre Besuchermassen in der Steinstraße. In diesem Jahr bleibt es auf der Partymeile leider leer.
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von Ralf Vester
Kaiserslautern. Solidarität, Ruhe und Besonnenheit sind wichtig in Zeiten wie diesen. Es besteht kein Zweifel daran, Corona wird uns verändern, jeden Einzelnen und unsere Gesellschaft. Gerade ist nichts mehr so, wie es war. Harte Bewährungsproben liegen vor uns, aber vielleicht liegt gerade in den immensen Herausforderungen der nahen Zukunft die Chance, die Verrohung und Spaltung unserer Gesellschaft aufzuhalten oder gar zu stoppen.

Corona ist vielleicht auch ein guter Test für die Zivilisation, denn es zeigt unsere Defizite schonungslos auf. Es wird deutlich, dass sich das globalisierte Rad inzwischen viel zu schnell dreht, und dass es um die Zivilgesellschaft in Teilen schlecht bestellt ist. Vielleicht ist es uns seit geraumer Zeit einfach viel zu gut gegangen. Wir haben oft auf hohem Niveau gejammert. Die Gesellschaft hat an Empathie verloren. Und jetzt kommen wir in eine Situation, in der unsere Eigenverantwortung und Verantwortung für unsere Mitmenschen ganz besonders gefragt sind.

Die meisten von uns werden sich derzeit vorkommen wie im falschen Film. Die Auswirkungen des Coronavirus treffen uns gerade mit voller Wucht und mit gewaltigen Einschnitten, die es in dieser Form seit Kriegszeiten nicht mehr gegeben hat. Die Schließung aller Kitas und Schulen bis nach den Osterferien stellt viele Familien vor enorme logistische Herausforderungen. Zudem ist die große Vorfreude auf lange geplante Osterurlaube im Ausland gerade reihenweise in Flammen aufgegangen.

Kein Altstadtfest, keine FCK-Heimspiele, keine Mai-Kerwe, keine Lange Nacht der Kultur, keine Veranstaltungen in Kammgarn, Fruchthalle und Pfalztheater, sogar die Schwimmbäder bleiben geschlossen – von den vielen kleineren Veranstaltungen und Festen in der Region ganz zu schweigen. Von den vier verkaufsoffenen Sonntagen, für deren Durchführung die Werbegemeinschaften „s+e“ sowie „Kaiser in Lautern“ monatelang hart gerungen haben, bleiben gerade mal noch maximal zwei im Spätjahr übrig. Und angesichts der stetig verschärften Empfehlungen seitens Bundes- und Landesregierung und der rapide steigenden Fallzahlen von mit dem Coronavirus infizierten Personen ist auch die Verhängung von extremen Maßnahmen wie einer Ausgangssperre kein abwegiges Szenario mehr. Es bleibt zu hoffen, dass der Staat zu seiner Aussage steht, selbst kleine Betriebe nicht allein zu lassen und ihnen in dieser schwierigen Zeit zur Seite zu stehen.

Aber wir Lautrer sind ein zähes, kämpferisches Völkchen, das schon so manche schwierige Herausforderung bewältigt hat. Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass wir bei der WM 2006 der mit Abstand großartigste Gastgeber sein würden, der vier Wochen lang bei ausgelassener Stimmung Gäste aus aller Welt verzauberte? So rufen wir allen kulturellen Einrichtungen, allen Gastronomen, allen Einzelhändlern, allen Künstlern, Musikern und dem FCK im Brustton der Überzeugung zu: Wir kommen wieder, keine Frage! Haltet bitte durch, egal wie lange diese Dürreperiode auch dauern mag. Auch diese schlimme Krise werden wir gemeinsam überstehen, und dann machen wir Euch die Konzerthallen, das Theater, die Museen, die Lokale, die Geschäfte und den Betze wieder so richtig voll. Wir holen uns alles wieder doppelt zurück, denn schließlich werden wir nach monatelangen Einschränkungen total ausgehungert sein nach Leben und Feiern, nach sorgenfreier Ausgelassenheit und purer Geselligkeit.

Wenn Corona etwas „Gutes“ hat, dann hoffentlich, dass zum Beispiel Berufe wie die von Krankenschwestern, Pflegern und Reinigungskräften vielleicht endlich mal die Wertschätzung erfahren, die sie schon lange verdienen. Ihr alle sowie die Ärzte, die Rettungskräfte, die Mitarbeiter in den noch offenen Läden und in Supermärkten und viele, viele mehr seid die wahren Helden. Man kann Euch gar nicht genug danken, dass Ihr unter vollem physischen und psychischen Einsatz und oft buchstäblich im Angesicht des Virus’ Tag für Tag Euer Bestes gebt, damit die Lage nicht weiter eskaliert. Bis hoffentlich irgendwann die erlösende Nachricht kommt: Wir haben es geschafft, das Virus ist verdrängt.

Es ist an der Zeit, unseren inneren Kompass neu zu justieren und über unser aller Verhalten nachzudenken. Zeit dafür werden wir in den kommenden Wochen zur Genüge haben. Wir erfahren gerade, wie unwichtig viele Dinge sind, wie sehr wir uns von uns selbst und der Natur entfernt haben. Wir werden reduziert auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben: auf die geliebten Menschen, auf das Miteinander, das Füreinander, das Zueinander. Italien könnte uns als Beispiel dienen, dass sich Menschen wieder gegenseitig helfen, aufeinander achten und sich Mut machen. Tolle Hilfsangebote – auch von vielen jungen Menschen – wie das Erledigen von Einkäufen sprießen auch bei uns erfreulicherweise gerade aus dem Boden.

Ja, die Hamsterkäufe, die uns so manches leere Supermarktregal bescheren, sind ärgerlich. Auch herrscht zuweilen ein rauer Umgangston, der von extrem kurzen Zündschnüren zeugt. Auch die Panikmacher mit ihren apokalyptischen Prophezeiungen haben Hochkonjunktur und verunsichern die ohnehin schon Ängstlicheren unter uns noch mehr.

Aber es gibt bei genauerem Hinsehen auch positive Signale. Obwohl zahlreiche Menschen gerade ihre wirtschaftliche Existenz in großer Gefahr sehen, sind Zuversicht, Humor, Kraft, Mut und eine gewisse Gelassenheit zu beobachten. Wir sind dazu gezwungen, für längere Zeit inne zu halten. Kürzlich schrieb jemand: „Ich war noch selten in meinem Leben so sehr bei mir, wie jetzt.“ Das bringt es treffend auf den Punkt.

Liebe Lautrer, die kommenden Wochen werden für uns alle eine harte Herausforderung und eine echte Nagelprobe, wie gut wir in Krisenzeiten noch zusammenhalten können. Passt gut auf Euch auf und nehmt besonders auf die Älteren, Schwächeren und Kranken unter uns Rücksicht. Lasst uns das mit der für diese Ausnahmesituation angemessenen Vernunft und Disziplin durchstehen. Wir kommen da gemeinsam durch und sind danach hoffentlich menschlich gewachsener und geschlossener als denn je.

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Autor:

Ralf Vester aus Kaiserslautern

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