Praktika in ausgesuchten Betrieben erweitern Horizonte
Wertvolle Auslandserfahrung in Wien, Venedig, Valencia und Posen

Hanna Franke beim Auslandspraktikum in Wien  | Foto: ps

Handwerk. Hanna Franke stammt aus Haßloch und hat im Sommer 2018 die Prüfung zur Maßschneiderin für Damenoberbekleidung erfolgreich bestanden. Mit Hilfe von Francesca Venturella, Mobilitätsberaterin bei der Handwerkskammer der Pfalz in Kaiserslautern, ist sie nun seit Oktober 2018 an verschiedenen Auslandspraktikumsplätzen tätig. Ihr Weg führte sie zuerst für sechs Wochen nach Wien zum Marionettentheater Schönbrunn. Derzeit ist sie für elf Wochen in Venedig, um im Atelier Pietro Longhi historische Kostüme für den berühmten Karneval in Venedig anzufertigen, danach geht es für acht Wochen nach Valencia, um traditionelle spanische Kleidung für die Fallas zu nähen, bevor sie in Posen (Polen) historische Kostüme und Gewänder schneidern wird.

von Jens Vollmer

???: Frau Venturella, wie gelingt es, solch tolle Stationen für einen Auslandsaufenthalt zusammenzustellen?

Francesca Venturella: „Im Mobilitätsberaternetzwerk werden Fachwissen und Erfahrungswerte ausgetauscht. Dieses ist unter anderem im Online-Experten-Forum der Mobilitätsberater digital möglich. Bei bundesweiten Netzwerktreffen werden persönlicher Erfahrungsaustausch und Netzwerkarbeit von der Koordinierungsstelle organisiert. Um qualitativ hochwertige Auslandsaufenthalte anbieten zu können, spielt die Unterstützung von Kooperationspartnern eine große Rolle. Mit bereits bestehenden Kooperationen, zum Beispiel in Italien und Spanien, sind bereits zahlreiche Mobilitätsmaßnahmen durchgeführt worden.
Dieses Netzwerk soll stetig weiter ausgebaut werden. Daher sind Bildungsreisen nach Frankreich, Großbritannien, Schweden, Spanien und nach Italien, beziehungsweise Malta geplant zum persönlichen Kennenlernen der Partner, zur Besichtigung von potenziellen Gastbetrieben und von Unterkünften für Praktikanten. Bildungsreisen bieten nicht nur qualitativ hochwertige Vermittlungen von Gastbetrieben, sondern leisten auch einen Beitrag, sich über die Grenzen hinaus zu vernetzen. Für die Teilnehmer der Bildungsreise bieten sich internationale Erfahrungen und Kontakte, die der Schlüssel für Bildung und Multiplikatoren für die Mobilitäten sind. Zielgruppen der Bildungsreisen sind Berufsbildungspersonal, Ausbilder, Vertreter von Innungen und Prüfungsausschüssen, Betriebsinhaber. Die Teilnahme der Mobilitätsberater an bundesweiten Multiplikatoren-, Netzwerk- und regionalen Treffen, haben das Ziel, sich untereinander und mit nationalen und internationalen Stakeholdern zu vernetzen. Somit ist das Netzwerken der Schlüssel des Erfolges, um qualitativ hochwertige Auslandsaufenthalte zu garantieren.
Um die Qualität der Lernaufenthalte sicherzustellen, werden fest definierte Lerneinheiten für Auslandspraktika durchgeführt, im Anschluss evaluiert und im Europass zertifiziert.
Auszubildende und junge Fachkräfte können mit Auslandsaufenthalten ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt wesentlich verbessern. Zum einen können sie ihre Sprachkenntnisse vertiefen und berufsbezogene sowie fachspezifische Begrifflichkeiten erlernen, die im internationalen Austausch nützlich sind. Zum anderen kann dadurch auch der Lebenslauf aufgewertet werden um bessere Chancen im Berufsleben zu haben.
Ein Auslandspraktikum stellt zudem auch einen Mehrwert für den Betrieb dar. Betriebe können dadurch hoch qualifizierte, motivierte Mitarbeiter/-innen für sich gewinnen, um diese für die internationalen Geschäftsbeziehungen einzusetzen und deren Netzwerk weiter auszubauen.

???: Auslandspraktika sind ein dauerhaftes Angebot der Handwerkskammer der Pfalz. Wie viele junge Menschen haben 2018 diese Chance genutzt, wie viele werden es 2019 tun?

Francesca Venturella: „Die Handwerkskammer der Pfalz führt das Projekt seit 2009 erfolgreich durch und kann langjährige Erfahrung und ein bestehendes internationales Netzwerk vorweisen. Zudem wurde in den letzten Jahren eine Steigerung der Incomings und Outgoings erreicht. Dies hat gezeigt, dass durch Know-how qualitativ hochwertige Beratungen möglich sind. Durch den engen Kontakt zu den Betrieben kann direkt und intensiv auf deren Bedürfnisse eingegangen werden. Die Resonanzen der Auslandspraktika und auch Bildungsreisen sind durchweg als positiv zu bewerten.
Die berufliche Bildung kann einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, künftige Fachkräfte in der Region Pfalz auf die Globalisierung vorzubereiten. Fremdsprachenkenntnisse, interkulturelle Kompetenzen, Schlüsselqualifikationen wie Teamfähigkeit und Selbstständigkeit haben jetzt und in Zukunft für die beruflichen Karrieren eine wachsende Bedeutung. Grenzüberschreitende Mobilität zu Lernzwecken fördert diese Kompetenzen. 2018 wurden insgesamt 49 Mobilitäten realisiert. Davon 20 Aufnahmen von Praktikanten aus dem Ausland in pfälzische Handwerksbetriebe und 29 Entsendungen von Auszubildenden, jungen Fachkräften und betrieblichen Ausbildern innerhalb Europas.“

???: Frau Franke, die vier Stationen sind sehr vielseitig. Steht schon ein ganz bestimmtes berufliches Wunschziel im Hintergrund, für das die Stationen ein geeignetes Erfahrungs-Puzzle sind oder geht es darum, den Horizont zu erweitern, was mit der absolvierten Ausbildung alles machbar ist, quasi als Hilfe zur weiteren Berufs-Spezialisierung?

Hanna Franke: „Ich glaube es ist eher eine Mischung aus beidem. Ich habe mich auch schon vor meiner Lehre sehr für historische Kostüme interessiert, das Thema Kostümkunde wurde in unserer Ausbildung allerdings nur im dritten Lehrjahr in der Theorie behandelt und viele Verarbeitungstechniken der Vergangenheit sind entweder nicht mehr im Lehrplan enthalten oder wurden durch effizientere Methoden ersetzt, die an die heutige Mode angepasst wurden. Das Praktikum bietet mir deshalb nicht nur die Gelegenheit, meinen Lebenslauf aufzubessern, da ich das Ziel anstrebe, mich auch außerhalb Europas weiterzubilden, sondern auch die Möglichkeit, von Schneidermeistern zu lernen, die Jahre an Erfahrung haben in Gebieten, die mir vollkommen fremd sind, und Seiten meines Berufsfeldes kennenzulernen, die in Deutschland kaum bis gar nicht vertreten sind. Da ich zudem rein schulisch ausgebildet wurde, fehlt mir natürlich die Routine und die Erfahrung, die man in einer betrieblichen Lehre mitbekommt, deswegen ist dieses Praktikum auch eine gute Möglichkeit für mich, selbstständiger und selbstbewusster zu werden und zudem mehr Vertrauen in meine eigenen Fähigkeiten zu fassen.

???: Der Österreich-Aufenthalt ist abgeschlossen, was sind Ihre Erfahrungen, Erlebnisse, welches Resümee ziehen Sie?

Hanna Franke: „Zum einen war es natürlich entspannter, in einem deutschsprachigen Land zu beginnen, obwohl mir auch dort einige Begriffe unbekannt waren und ich auch einen deutlichen Unterschied in der Kultur festgestellt habe. Ein Theaterbetrieb, vor allem wenn er privat betrieben wird, ist fast immer mit langen und unregelmäßigen Arbeitszeiten verbunden und das war natürlich auch im Marionettentheater nicht anders. Ich wurde von Anfang an überall mit einbezogen, sowohl in die Produktion und Restauration der Kostüme in der Werkstatt und im Theater als auch in den eigentlichen Theaterbetrieb, das heißt Café, Garderobe und das Betreuen von Besuchern. Die Arbeit wurde dementsprechend nie eintönig oder langweilig, auch als die eigentlichen Näharbeiten an Kostümen und Requisiten zum Ende meines Aufenthalts hin seltener wurden, da die Premiere des neuen Stückes „Sissis Geheimnis“ schon kurz nach meiner Abreise stattfand.

Alles in allem habe ich trotz meiner geringen freien Zeit meinen Aufenthalt in Wien sehr genossen, neben den Konzerten des Concilium Musicum, die ich kostenlos besuchen durfte, und den Freundschaften mit einigen internationalen Besuchern, werden mir natürlich auch die Aufführungen und vor allem die Arbeit noch lange im Gedächtnis bleiben.

???: Wie sind Sie sprachlich aufgestellt?

Hanna Franke: „Der sprachliche Aspekt war von Anfang an meine größte Sorge, da ich weder italienisch, noch spanisch, noch polnisch spreche, obwohl ich versucht habe, mich vorher so gut wie möglich sprachlich vorzubereiten, reicht mein Wortschatz noch bei weitem nicht aus, um mich ausgiebig über meine Arbeit zu unterhalten. In Italien habe ich das große Glück, dass mein Chef Francesco Briggi sehr fließend englisch spricht und ich mich auch mit meiner Chefin und meinen Kolleginnen gut verständigen kann. Im Spanischen und Polnischen versuche ich mich vorerst auf einen Grundwortschatz sowie einige Wörter aus dem Schneiderhandwerk zu beschränken, da ich zum einen die Gegebenheiten in den weiteren Betrieben noch nicht kenne und zum anderen gemerkt habe, dass man im Land die Sprache um einiges schneller lernt als durch Bücher und Kurse.

???: Mit Wien, Venedig, Valencia und Posen sind das auch vier touristische Highlights, in denen Sie arbeiten. Spielte die Attraktivität der Städte bei der Wahl mit eine Rolle? Wie viel Zeit bleibt, um die Städte zu genießen?

Hanna Franke: „Von Beginn an lag mein Hauptaugenmerk eher auf den Betrieben an sich. Bis auf die polnische Schneiderei kamen die Vorschläge von Frau Venturella. Alle vier sind Städte, die ich bisher noch nie besucht habe. In Wien hatte ich leider wenig Zeit, um die Sehenswürdigkeiten zu genießen, außer zum naturhistorischen Museum hatte ich eigentlich keine privaten Ausflüge unternommen, um mir die Stadt anzusehen, da ich die meiste Zeit lieber im Theater verbrachte. Es war meiner Chefin, Frau Hierzer-Riedler, zu verdanken, dass ich eine Führung durch das Schloss Schönbrunn unternehmen durfte und bei mehreren Botengängen Wien etwas besser kennenlernen konnte. In Italien dauerte es fast einen Monat, bis ich zum ersten Mal die Gelegenheit hatte, Venedig mit meinem Chef zu besuchen, der als gebürtiger Venezianer natürlich auch mehr über die Stadt erzählen konnte als viele Reiseführer. Von dem Leben in der Stadt bekomme ich außer beim Einkaufen tatsächlich recht wenig mit, da ich meist sehr früh das Haus verlasse und spät zurückkomme und meine Wochenenden die meiste Zeit mit Lernen verbringe.

???: Man sagt „andere Länder, andere Sitten“. Wie steht es mit den Arbeitsweisen, Arbeitstechniken, vielleicht auch der Arbeitsauffassung?

Hanna Franke: „ In Wien war es grundsätzlich so, dass ich immer zu unterschiedlichen Zeiten mit der Arbeit begonnen habe und blieb, bis die Arbeit für den Tag geschafft war, während ich in Italien immer zur selben Zeit mit der Arbeit beginne und immer auf die Minute genau meine Arbeit wieder niederlegen muss, wenn es Zeit für den Feierabend ist. In Österreich passierte es zudem selten, dass ich ganze Kostüme oder zumindest Kostümteile alleine fertigstellen durfte, während mir in Italien oft mehrere Aufträge erteilt werden, die ich dann auch alleine im Atelier fertigstelle. So wurde mir erst letztens mein erstes eigenes Kostüm anvertraut, das ich, natürlich mit der Unterstützung meines Chefs, alleine herstellen darf.

???: Wie haben Sie von den Auslandspraktika erfahren, wie liefen Vorbereitung und Koordination, bis alles stand?

Hanna Franke: „Vor mir hatte bereits eine weitere ehemalige Auszubildende meiner Berufsfachschule über Frau Venturella ein Auslandspraktikum absolviert. Da wir während unserer Ausbildung in einem Erasmus+ Projekt involviert waren und ich große Teile der Organisation und Kommunikation zwischen den Ländern übernommen hatte, empfahl mir eine Lehrerin, mich an ein solches Praktikum zu wagen, gerade deshalb, weil ich außer einem groben Plan noch keine genaue Vorstellung hatte, wo mich meine Ausbildung hinführen sollte. Ich setzte mich daraufhin direkt mit Frau Venturella in Verbindung, wir besprachen, was ich mir von dem Praktikum erwarte und welcher Schwerpunkt und welche Länder mich interessieren. Oft musste ich mich einige Zeit gedulden, bis eine weitere Rückmeldung kam, doch dann ging auf einmal alles sehr schnell.
Die Kommunikation mit den Förderern als auch mit den Betrieben und Organisationen in den jeweiligen Ländern verlief bisher immer problemlos und ich musste mir wenig Gedanken über den weiteren Ablauf machen, auch wenn zu Beginn meines Praktikums noch nicht alle Aufenthalte zu hundert Prozent organisiert waren.“

Weitere Informationen:
www.hwk-pfalz.de/Mobilitaetsberatung

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Autor:

Jens Vollmer aus Wochenblatt Kaiserslautern

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