Knoten in letzter Sekunde durchschlagen
Wie der Haushalt 2021 doch noch in trockene Tücher kam
Von Ralf Vester
Kaiserslautern. Nein, strahlende Gesichter waren im Anschluss an die Sondersitzung des Stadtrats am vergangenen Montag keine zu sehen. Wie müde, aber tapfere Krieger verließen die Protagonisten eher in sich gekehrt die Fruchthalle. Und das, obwohl ihnen doch gerade durchaus Großes gelungen war, um Kaiserslautern praktisch in letzter Sekunde eine haushaltsfreie Zeit zu ersparen, die drastische Folgen für die Urbanität und Lebensqualität der Westpfalzmetropole nach sich gezogen hätte. Alle politischen Kräfte hatten zwar ein bisschen „verloren“, weil sie der gemeinsamen Sache wegen von ihren ursprünglichen Maximalpositionen abgerückt waren, aber „gewonnen“ haben sie letztlich trotzdem alle zusammen.
Ungeheuer großer Druck lastete auf dem Stadtrat
In den vergangenen Wochen hatte sich ein unheimlich großer Druck im Hinblick auf den städtischen Haushalt des Jahres 2021 aufgebaut. Die strikten Sparvorgaben der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD), besonders die Mehrausgaben im Bereich der freiwilligen Leistungen zurückfahren bzw. nachhaltig kompensieren zu müssen, hatten die Latte für einen ausgeglichenen Haushalt der ohnehin seit langen Jahren hoch verschuldeten Stadt schier unerreichbar hoch gelegt. Es hatte zeitweise den Anschein, als wolle man an Kaiserslautern eine Art Exempel statuieren und die Stadt auf Gedeih und Verderb zu einem ausgeglichenen Haushalt samt Kompensation der Ausgaben im freiwilligen Bereich zwingen.
Aufschrei in der Bevölkerung
Daher stand ernsthaft die Schließung des Zoos oder der Gartenschau im Raum. Auch die Volkshochschule, Sportvereine und die freie Kulturszene wären von Kürzungen hart getroffen worden. Der Aufschrei in der Bevölkerung war entsprechend groß, das Thema allgegenwärtig. Deshalb lastete ein immenser Druck auf den Schultern der einzelnen Stadtratsmitglieder. Wer will schon Schuld am Aus von derlei beliebten Institutionen sein?
In den letzten Tagen vor der Sitzung war bereits hart um die Positionen gerungen worden. Oberbürgermeister Klaus Weichel unterbreitete den Fraktionsvorsitzenden einen Vorschlag und eine Liste der möglichen Kompensationen. Die Koalition aus CDU, Grünen und FWG wiederum nahm einiges an Ergänzungen und Gegenvorschlägen vor. Entsprechend hatte sich eine riesige, förmlich greifbare Spannung vor der entscheidenden Stadtratssitzung aufgebaut.
Zwar kontrovers, aber stets konstruktiv
Was folgte war eine zwar kontrovers, aber jederzeit konstruktiv geführte Sondersitzung, an deren Ende es gelungen ist, tatsächlich die Quadratur des Kreises hinzubekommen und Kaiserslautern erstmals seit Jahrzehnten einen ausgeglichenen Haushalt zu bescheren – und das sogar ohne die Kürzungen vornehmen zu müssen, die den Fortbestand von Zoo, Gartenschau & Co. gefährdet hätten. Alle Seiten sind dabei über ihren Schatten gesprungen und haben sich für die gemeinsame Sache um die entscheidenden Millimeter bewegt.
Alle Kräfte bewegen sich aufeinander zu
Die Koalition aus CDU, Grünen und FWG wollte im Optimalfall mit möglichst minimalen Steuererhöhungen auskommen, gab sich aber letzten Endes einen Ruck und stimmte einer einer überschaubaren Anhebung von Grundsteuer B und Gewerbesteuer zu. Sie musste zwar diese Kröte schlucken, doch dafür kann sie für sich reklamieren, die Steuererhöhungen durch ihre Hartnäckigkeit erträglich gehalten und die Streichung der Kürzungen im freiwilligen Bereich vom Tisch genommen zu haben. Die Grünen unternahmen durch die Einlassungen ihrer Fraktionsvorsitzenden Lea Siegfried hierfür den entscheidenden Vorstoß, der letztlich zum erlösenden Kompromiss führte.
Die SPD wiederum rückte ihrerseits vom Vorschlag ab, die Grundsteuer B und die Gewerbesteuer etwas stärker zu erhöhen und stimmte am Ende einmütig einer moderateren Anhebung zu. Dass die SPD im Vorfeld der entscheidenden Sitzung auf die Koalition zugegangen war, um möglichst einen breiten Konsens zu finden, ist ebenso nicht außer Acht zu lassen wie ihre Bereitschaft, den entscheidenden Vorschlägen aus den Reihen der politischen Mitbewerber die Zustimmung nicht zu verweigern.
Auch OB Klaus Weichel geht erhobenen Hauptes aus der Sitzung
Und letztlich wahrte auch Oberbürgermeister Klaus Weichel sein Gesicht. Seine jüngst den Fraktionsvorsitzenden unterbreiteten Vorschläge wurden bis auf einige Modifikationen weitgehend angenommen. Zwar steht unterm Strich noch ein Fehlbetrag von rund 683.000 Euro. Aber da endlich ein breiter Konsens gefunden worden war, dem die überwältigende Mehrheit des Stadtrats zugestimmt hatte, wollte sich auch das Stadtoberhaupt nicht lumpen lassen und erklärte sich bereit, zusammen mit der Finanzverwaltung einen Vorschlag zu erarbeiten, der dieses Minus durch Einsparungen im pflichtigen Bereich des Haushalts kompensieren soll.
Horrorszenario abgewendet
Fazit: Das Horrorszenario vom Ende des Zoos und der Gartenschau ist vom Tisch. All diese Institutionen müssen nicht mehr um ihren Fortbestand fürchten und können mit den geplanten Zuwendungen rechnen. Eine moderate Anhebung der Grundsteuer B von 460 auf 510 Punkte sowie der Gewerbesteuer um fünf Punkte von 410 auf 415 Punkte macht es möglich, dass das Defizit von 3,3 Millionen im Bereich der freiwilligen Leistungen kompensiert werden kann. Die neuen Hebesätze gelten rückwirkend zum 1. Januar 2021, wofür ein Beschluss vor dem 30. Juni Voraussetzung war. Die endgültige Abstimmung über die Haushaltssatzung für das Jahr 2021 trifft der Stadtrat voraussichtlich in seiner nächsten Sitzung am 12. Juli.
Kommentar:
Viele schimpfen ja immer wieder gerne auf die Politik. Das gilt im Großen für Berlin und Mainz genauso wie im Kleinen für Kaiserslautern. Und was wurde in den vergangenen Tagen nicht alles über den OB und den Stadtrat lamentiert, als aufgrund der äußerst kniffligen Haushaltsberatungen die Schließungen von Zoo und Gartenschau im Raum standen. Aber angesichts des immensen Drucks, der auf den Ratsmitgliedern lastete, doch noch eine möglichst verträgliche Lösung herbeizuführen, hätte man gewiss nicht mit ihnen tauschen wollen. So manch schlaflose und durchgearbeitete Nacht bescherte die Situation den politisch Handelnden.
Deshalb an dieser Stelle mal ein großes Kompliment an den Kaiserslauterer Stadtrat. Viele sind am Montag über ihren Schatten gesprungen und haben das Worst-Case-Szenario der haushaltsfreien Zeit für die Stadt abgewendet. Ja, es war ein hartes Ringen, aber alles ging ohne Polemik über die Bühne. Der unbedingte Wille, eine konstruktive Lösung herbeizuführen, war bei allen Beteiligten unübersehbar. Dafür gebührt ihnen Respekt und Dank.
Wasser in den Wein kippte lediglich das Verhalten des rheinland-pfälzischen Innenministers Roger Lewentz. Dieser war auf Wunsch der Koalition aus CDU, Grünen und FWG zu dieser brisanten Sondersitzung eingeladen worden. Er hätte Stellung zu seiner einst getätigten Zusicherung ("Lewentz-Erlass") beziehen sollen, wonach den rheinland-pfälzischen Kommunen coronabedingte Mehrkosten im Haushalt erlassen werden sollen.
Dass er persönlich nicht erscheinen würde, war aufgrund der kurzfristigen Einladung durchaus erwartbar. Dass Lewentz aber noch nicht einmal einen Staatssekretär entsandte und sich zudem in einem knappen Schreiben auf die unerbittliche Position der ADD gegenüber der Stadt zurückzog und von dieser Zusage quasi nichts mehr wissen wollte, stieß vielen Beteiligten bitter auf. Das ist Politik von oben herab und schafft zusätzlichen Verdruss in einer Kommune, die es ohnehin seit langen Jahren angesichts ihres horrenden Schuldenbergs alles andere als leicht hat, überhaupt noch gestaltend wirken zu können.
Autor:Ralf Vester aus Kaiserslautern |
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