Autismus
Autistisch - Wortbedeutungen und ihre Konnotationen

In meinem Beitrag „Autismus – Der Versuch, die Herkunft eines Wortes zu erklären“ (erschienen in Autismus #88 vom 01.12.2019) hatte ich den Wortgebrauch von Autismus kurz angeschnitten, aber nicht weiter ausgeführt; daher jetzt dieser Text. Ziel dieses Kommentars soll sein, den/die Leser*in für das Thema Sprachgebrauch zu sensibilisieren.

Letztens las ich auf einem sozialen Netzwerk einen Kommentar zu Instagram. Der Text war an und für sich gut geschrieben, jedoch war es genau ein Satz, der mich zusammenzucken ließ:
„Für mich ist Instagram autistisch, pubertär und narzisstisch…."

Damit Menschen, die nicht von Autismus, aber von etwas anderem betroffen sind, meine Reaktion (und die Betroffener) nachzuvollziehen, bitte ich Sie darum, das Wort ‚autistisch‘ in besagtem Satz durch ‚gehbehindert‘, ‚querschnittsgelähmt‘, ‚geistig behindert‘, ‚depressiv‘, ‚bipolar‘, ‚schizophren‘ oder irgendein anderes Wort, das eine Behinderung beschreibt, zu ersetzen. Bonuspunkte, wenn es eine Behinderung ist, von der Sie selbst betroffen sind.

Warum stört mich das?
Die Antwort liegt in der Konnotation eines Wortes. Das Wort setzt sich aus den lateinischen Worten (mit/zusammen) und notatio (Anmerkung) zusammen. In der Logik bedeutet Konnotation zusätzliche Begriffsinhalte. Beispielsweise erschaffen Wörter wie jetzt keine Bilder im Kopf, aber Wörter wie oder (Wörter, die vor dem 2. Weltkrieg relativ neutral waren) lassen uns automatisch an das Dritte Reich und die Gräuel des zweiten Weltkriegs denken.

Im Internet sind Menschen oft laut und schreiben gern dumme Dinge. Dazu gehört auch, Menschen als „Autisten“ oder „autistisch“ zu beschimpfen. Damit wird auf die soziale Unbeholfenheit angespielt, welche Menschen mit Autismus üblicherweise haben und implizit darüber lustig gemacht.
Je nach Ausprägung und Erziehung sind wir Autist*innen sozial auffällig, weil wir anders gepolt sind als neurotypische Menschen (Menschen ohne Autismus). Genau das hindert uns daran, an der Gesellschaft teilzunehmen, denn es bedarf viel Übung, Arbeit und Mühe für Autist*innen, um die situationsabhängige und oft wirre Logik hinter neurotypischem Verhalten zu erkennen und sich darauf einzustellen. Und selbst mit gutem Training gibt es immer noch diese Nuancen zwischenmenschlicher Kommunikation, über die wir stolpern.

Es ist schwierig, sich vorzustellen, wie Autismus eine Behinderung sein kann, darum will ich ein greifbares Beispiel verwenden:
Stellen wir uns das Leben als einen Marathonlauf vor, dann sind die sozialen Normen die Voraussetzungen und Regeln, um an diesem Marathon teilzunehmen; also eine bestimmte Lauf-Form, Kleidung und Gesundheit. Dieser Lauf wurde für neurotypische Menschen konzipiert. Die Schule soll Menschen dazu befähigen, an diesem Lauf teilnehmen zu können
Autist*innen sind jetzt bei diesem Lauf dabei. Ihre Lauf-Form ist anders, sie beschleunigen, wo sie langsamer machen sollten und können unbeholfen wirken; ihre Kleidung ist nicht unbedingt funktional und ungewollt auffällig und ihre Gesundheit kann darunter leiden. Vor allem, wenn das Training in der Schule nicht läuft.

Die Regeln des Marathons haben sich bewährt, lassen aber auch Spielraum, um uneingeschränkt daran teilnehmen zu können: Mit Hilfen wie speziellem Lauftraining und Stilberatung (Soziales Kompetenztraining) und Laufhilfe (Eingliederungshilfe).

Oder um den Spieß einmal umzudrehen: Wie würde sich ein Nichtautist fühlen, wenn der zitierte Satz lauten würde:
„Für mich ist Instagram neurotypisch, pubertär und narzisstisch…."

Oder „neurotypisch“ oder „neurotypischer Trottel“ im Internet als Beleidigung für Menschen verwendet werden würde?
Ich will damit jetzt nicht aufrufen, Sprachpolizei zu spielen, weil das aufgrund des Sprachwandels sowieso sinnfrei ist. Stattdessen will ich an Angemessenheit appellieren. In meinen Augen sollte jemand, der*die „autistisch“ als Beleidigung verwendet, als Prolet abgestempelt werden.

Autor:

Stephan Riedl aus Rodalben

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