Der Drachenlord ist kein Mobbingopfer, aber
Eine nuancierte Betrachtung

Kennt ihr das auch? Ihr lest etwas im Internet, es zieht euch in seinen Bann und ihr verbringt einige Zeit, um euch darüber schlau zu machen? So sehr, dass es euch dazu bringt, es zu Papier zu bringen? So ging es mir jedenfalls letztens, als ich mich über das Thema Mobbing schlau machen wollte und dabei irgendwann über einen Namen gestolpert bin, der im Zusammenhang damit fast immer fällt:
Rainer Winkler, Internetname Drachenlord.

Reißerisch wird er von vielen Journalisten oft als Mobbingopfer beschrieben; auf der einen Seite er und auf der anderen Seite seine Hassgemeinschaft. Da es sich hier aber nur um ein Nischenthema handelt und weil berufliche Journalisten nicht die Zeit haben, sich einen Überblick von knapp über zehn Jahren zu erarbeiten, ist das durchaus verständlich, aber in meinen Augen nicht tiefgründig genug. Desweiteren dürfen die Artikel auch eine bestimmte Länge nicht überschreiten. Darum hoffe ich, dass ihr ein bisschen Zeit mitgebracht habt, denn das hier sind sechs DIN-A4-Seiten geworden.

Wie aus der Überschrift hervorgeht, soll das hier eine nuancierte Betrachtung werden. Für diejenigen, die es jetzt schon wissen wollen, zu welchen Schlüssen ich bei meinen Recherchen gekommen bin:
1. Rainer Winkler ist kein Mobbingopfer, aber
2. Egal, was Rainer Winkler auch getan haben mag, er hat ein Recht auf Privatsphäre, Unversehrtheit und informationelle Selbstbestimmung.
3. Die Situation zwischen Rainer Winkler und seiner ‘Haiderschaft’ ist ein heftiges Beispiel für einen Teufelskreis, der außer Kontrolle geraten ist.
4. Wenngleich die “Haiderschaft” in den öffentlichen Medien als eine homogene Masse dargestellt wird, besteht sie jedoch tatsächlich aus einzelnen Menschen, von harmlosen Beobachtern bis hin zu aggressiven Verfolgern. Sie alle haben unterschiedliche Gründe, Rainer Winkler im Internet (und/oder im realen Leben) zu verfolgen.

Fangen wir an.

Aufbau
1 Was ist eigentlich Mobbing?
2 Rainer Winkler - Ein Kurzprofil
3 Die Haider - Mehr als die Teile ihrer Summe
4 Meine Prognose: Wie wird es weitergehen?

1 Was ist eigentlich Mobbing?
Je abstrakter ein Begriff, desto mehr wird über ihn gestritten. Selbst bei relativ konkreten Gegenständen wie ‘Tisch’ kann man sich schon streiten. Für diesen Artikel wurden von mir mehrere Artikel zu Mobbing quer gelesen. 
Vier Seiten (Koerperverletzung, gesundearbeit.at, hanisauland und stangl) sind sich einig, dass Mobbing aus folgenden Faktoren besteht:
1. Person A wird von Person B oder mehreren Personen (C, D, E, etc.) geärgert.
2. Die Schikanen kommen häufig vor.
3. Die Schikanen kommen über eine längere Zeitspanne vor.
4. Das Opfer kann sich alleine nicht gegen die Mobber durchsetzen.

Cybermobbing ist wiederum genau das, was es beschreibt, Schikane im Internet (hanisauland hat da eine gute Übersicht erstellt). Auf dem ersten Blick trifft auf Rainer Winkler alles zu, ABER dann schaue man sich folgenden Punkt an, zitiert von der AOK-Seite zu Mobbing:
5. “Das Opfer trägt dabei keine Schuld und löst den Ablauf nicht durch eigenes Fehlverhalten aus.”

Natürlich gibt es den provozierenden Opfertyp, weshalb man diesen Punkt ausklammern könnte, aber jetzt fügen wir noch eine Frage hinzu, auf welche mir keine dieser Internetseiten eine Antwort geben konnte:
Ist man ein Mobbing-Opfer, wenn man von dem ‘Mobbing’ unmittelbar profitiert, also ein positiver Anreiz besteht, sich mobben zu lassen?
Kompliziert wird es noch, wenn wir den Anti-Mobbing-Coach Carsten Stahl berücksichtigen, der Rainer Winkler sowohl als Mobbing-Opfer als auch als Täter klassifiziert. Werfen wir einen kurzen Blick auf Rainer Winkler, bevor wir diese Frage zu beantworten.

2 Rainer Winkler - Ein Kurzprofil
Kurz geschrieben ist Rainer Winkler Anfang bis Mitte Dreißig. Er ist auf eine Förderschule gegangen; er hat kleinere Arbeiten bei Zeitarbeitsfirmen verrichtet und er besaß ein Haus in Altschauerberg in Emskirchen. Am 10. August 2011 erstellte er seinen Youtube-Kanal und diverse andere Nebenkanäle; im Laufe der Jahre folgten noch andere Social Media Kanäle wie zum Beispiel YouNow, Twitch und TikTok.
Sein Hauptthema war anfangs Heavy Metal, aber er erweiterte das später um Gaming und diverse weitere Themen. Er veröffentlichte auch Vlogs, in denen er über diverse Themen sprach und Streams, in denen er Videospiele spielte und Fragen beantwortete. Die Zuschauer mehrten sich und es kam irgendwann der Punkt, an dem er mit diesen Videos Geld verdienen konnte. Die Rechnung dahinter ist bei Youtube relativ einfach: Je mehr Klicks, desto mehr Geld.

Soweit war das alles nur virtuell. Jedoch wurde seine Schwester im Jahr 2014 von jemandem am Telefon mit einer Computerstimme bedroht, was Rainer Winkler dazu veranlasste, ein Video zu veröffentlichen, in welchem er dieses Thema ansprach. Er nahm seine Familie in Schutz, machte seine eigene Adresse öffentlich und meinte, wer wolle, könne sich ruhig mit ihm anlegen.

Dabei ist es allerdings nicht geblieben, er hat später Poster verkauft und Leute darum gebeten, ihn zu besuchen. Besucher kamen auch und manche von ihnen gerieten mit Winkler aneinander, oft wurde das dann auch von anderen auf Video aufgenommen und ins Internet gestellt. Die Zuschauer dieser Leute wurden neugierig und schauten sich Rainer Winklers Kanal selber an. Rainer Winkler machte dann auch selbst Videos über diese Leute.
Die Wirkung lässt sich anhand eines kleinen Schneeballs, der eine Lawine auslöst, ziemlich gut bildhaft beschreiben. Reichweite generiert viele Klicks, das wiederum generiert viele Einnahmen, die man verwenden kann, um noch mehr Reichweite zu erlangen. Es ist ein Kreislauf aus Winklers Videos, den Haidern und der öffentlichen Berichterstattung, der sich immer weiter hochgeschaukelt hat. 

Somit verneine ich die Frage, ob Rainer Winkler ein Mobbing-Opfer ist, weil er von dieser negativen Aufmerksamkeit profitiert. Und die Aufmerksamkeit war auch erst einmal gut für ihn: Er hat damit viel Geld verdient, nach seinen eigenen Angaben bis zu 8.000€ im Monat. Aber die langfristigen Folgen waren nicht abzusehen, selbst für einen Menschen mit normalem IQ, denn was bis jetzt noch nicht erwähnt worden ist:
Rainer Winkler hat einen verminderten IQ von 85. Nichtsdestoweniger fällt das immer noch in den Normbereich und weiterhin hat ihm ein gerichtliches Gutachten Prozessfähigkeit bescheinigt, woraus in meinen Augen hervorgeht, dass er auch geschäftsfähig ist. Und ja, Rainer Winkler war vor Gericht und wurde verurteilt. Aber nicht nur er…

3 Die Haider - Mehr als die Teile ihrer Summe
Wir leben in einem Rechtsstaat; das Gesetz gibt einen Rahmen vor, nach dem wir Menschen uns richten, damit wir als Gesellschaft funktionieren können. Wird gegen das Gesetz verstoßen, gibt es Institutionen, die Strafen verhängen. Wenn Bauer A und Bauer B sich streiten, ihr Konflikt sich hoch schaukelt und in Straftaten beiderseits mündet, muss eine dritte Instanz, die unabhängig von A und B ist, entscheiden, ob gegen Gesetze verstoßen wurde und entsprechend Strafen verhängen, damit A und B ihr Verhalten ändern. Genau dafür sind Gerichte da und genau das ist in den beiden Gerichtsverhandlungen um Rainer Winkler und die Leute, die ihn belästigt haben, auch passiert.
Rainer Winkler hat Straftaten gegen manche seiner Besucher begangen. Und manche Leute, die ihn im realen Leben belästigt haben, haben Straftaten gegen ihn begangen. Das Gericht in Nürnberg hat lediglich seine Arbeit verrichtet, nämlich beide Seiten abgewogen, die besonderen Umstände gewürdigt und entsprechend beide Seiten verurteilt.

Es liegt also kein Justizversagen vor, wie von manchen Journalisten behauptet wird. Das ist in meinen Augen lediglich ein Fehlschluss, hervorgerufen durch diese falsche Dualität der Mainstream-Presse mit Rainer Winkler als Opfer und den Haidern als Tätern, weil sich so eine simple Prämisse leichter schreiben lässt. Manchmal wird in solchen Artikeln sogar gefordert, die Haider als Ganzes zu bestrafen. Aber wer sind eigentlich diese Haider?

So wie Mobbing ein dehnbarer Begriff ist, so ist es auch der Begriff ‘Haider’, die fränkische Aussprache von Hater (Englisch für Hasser). Nach Rainer Winklers Definition (nach der ich hier nicht gehen werde) ist jeder Mensch, der nicht für ihn ist, ein Haider.
Der Anwalt für Recht im Internet möchte seinen Fall nicht übernehmen? Dann ist er ein Haider.
Bekannte Youtuber, die von ihm um Hilfe angeschrieben werden, wollen ihm nicht helfen? Dann sind das auch Haider.
Ihr, die ihr gerade diesen Artikel lest, unabhängig davon, ob ihr vom Nischenthema Drachenlord jemals etwas gehört habt oder nicht? Ihr seid auch Haider, ob bewusst oder unbewusst.
Ich, der diesen Artikel geschrieben hat? Ich glaube, ihr kennt die Antwort.

Per Definition sind ‘Hater’ Menschen, die eine starke Abneigung gegen etwas haben und diese Abneigung in Wort und Schrift auch ausdrücken [Bedeutungonline], folglich findet man diese Leute vor allem in sozialen Medien. Bedeutungonline definiert Haider auch als Anti-Fans, also Menschen, die etwas nicht feiern, sondern niedermachen, sobald es rauskommt.
Wie wir sehen, ist es schwer festzumachen, wer denn nun ein Haider/Anti-Fan ist oder nicht. Die ‘Haiderschaft’ ist ein gigantisches loses Kollektiv; aus unterschiedlichsten Schichten finden wir alles. Von Besuchern, die Rainer Winkler persönlich kennenlernen wollen, über Leute, die sich kreativ austoben und Memes, Lieder oder sogar ganze Hörspiele über ihn erstellen, über Leute, die sich über ihn in Foren unterhalten und amüsieren, bis hin zu den stillen Beobachtern ist alles vertreten. Homogenität ist hier Fehlanzeige.

Über die Haiderschaft alleine könnte man eine ganze Artikelreihe schreiben, doch kommen wir zur ersten großen Frage: Warum folgen/hassen die Anti-Fans/Haider Rainer eigentlich?
Es gibt sehr viele Gründe, die ich hier anführen kann, darum beschränke ich mich auf eine Handvoll.
1. Rainer Winkler stellt sich in seinen Videos als Pazifist dar, aber seine Taten zeigen jedoch klar auf, dass er Aggressionsprobleme hat. Er sollte sogar einen Anti-Aggressionskurs besuchen, hat es aber nie gemacht.
2. Rainer Winkler schlüpft in die Rolle des Mobbing-Opfers und behauptet, mit seinen Videos etwas gegen Mobbing zu tun. Er bittet um Spenden an ihn (und kriegt als auch welche) und meint, Spenden an Hilfsorganisationen seien unnötig, weil diese eh nichts auf die Reihe kriegten. Jedoch tut er selbst nichts gegen Mobbing. Zu diesem Punkt folgende Anekdote: Die Organisation HateAid, die zu Hass im Internet berät, weigert sich, ihm zu helfen; nicht wegen dieser Aussage, sondern weil sie festgestellt hat, dass er selbst digitale Gewalt ausübt.
3. Rainer Winkler behauptet, empathisch zu sein, interessiert sich jedoch nicht für das Schicksal anderer Menschen; so hat er beispielsweise sehr kontroverse Aussagen zum Terroranschlag in Wien 2020 gemacht.
4. Rainer Winkler behauptet, Mitglied im WWF zu sein und Tiere ihm am Herzen lägen. Er hat jedoch die Tiere auf dem Hof seiner Familie vernachlässigt; manche von ihnen sollen sogar verhungert sein.
5. Aktuell ist Rainer Winkler obdachlos, macht jedoch immer noch Streams und behauptet, niemand helfe ihm. Aber die Gemeinde Emskirchen hat ihm die Kontakte einer Obdachlosenunterkunft und von Notunterkünften vermittelt, jedoch hat er sich dort nie gemeldet. Stattdessen übernachtet er weiterhin in Hotels und behauptet, mittellos zu sein.

Diese Aufzählung ist nur die Spitze des Eisberges und ließe sich beliebig fortsetzen, tatsächlich könnte man auch darüber eine ganze Artikelreihe schreiben. Ich betone hier aber auch noch einmal: Egal, was Rainer Winkler angestellt hat, es rechtfertigt nicht, dass man gegen ihn Straftaten begeht.

Allenfalls erklärt es, warum die Haiderschaft ihren Hass direkt an Rainer Winkler auslebt, anstatt ihn einfach zu ignorieren, deshalb die nächste große Frage: Warum verarbeitet ein Teil der Haiderschaft ihren Hass nicht auf eine Art und Weise, ohne dass es Rainer Winkler direkt betrifft?
Nun, Rainer Winkler hat durch sein jahrzehntelanges Online-Verhalten, aber auch durch sein Verhalten im realen Leben, dazu beigetragen, dass die Hemmschwelle ihm gegenüber immer stärker abgebaut wurde. Dazu beigetragen haben nach meiner Ansicht:
1. Aufrufe seinerseits, ihn zu besuchen (Posterverkäufe und die Aufforderung, sich mit ihm anzulegen)
2. Seine Reaktion auf Besucher (heftiges Herumgebrülle seinerseits, egal, ob diese Besucher etwas machten oder nur herumstanden)
3. Der schrittweise Abbau seiner Privatsphäre durch seine Videos selbst, aber auch durch Anti-Fans, die dann über ihn nachgeforscht haben. Es gibt nur sehr wenige Dinge, die das Internet nicht über ihn weiß.

Dazu kommt, dass es Anti-Fans gibt, die in der Nähe von Emskrichen leben und relativ einfach dorthin fahren können.
 
4 Meine Prognose: Wie wird es weitergehen?
Man möge nun bedenken, dass dieser Teufelskreis aus Klicks, Geld und Reichweite bereits seit mehr als zehn Jahren existiert. Dieser Kreis hat eine unberechenbare Dynamik entwickelt und zu Ereignissen wie dem Schanzenfest (mehrere Anti-Fans wollten Altschauerberg besuchen; zum Vergleich, dort leben um die 40 Leute, kommen wollten zwischen 600 und 800 Anti-Fans) oder der Grabschändung von Winklers Vater geführt.

Doch nicht nur das, während dieser ganzen Zeit haben sich andere Youtuber gefunden, die sich mit dem Thema Drachenlord beschäftigen und damit auch Geld und/oder Reichweite erlangt haben. Selbst wenn Rainer Winkler sich komplett aus dem Internet zurückziehen würde (aus Youtube ist er schon durch Selbstverschulden raus geflogen), würde es sehr lange dauern, bis sich niemand mehr für ihn interessieren würde, weil eine jahrzehntelang aufgebaute Kurve des Hasses nicht so schnell abflacht.
Innerhalb dieser zehn Jahre hat Rainer Winkler sein Haus, sein Auto, seinen Führerschein und seinen Youtube-Account verloren. Die psychischen Auswirkungen auf sein Leben sind sichtbar, immerhin wiegt er nun gut das Dreifache als ein normaler Mensch. 

Aber trotz all dieser Verluste macht er weiter. Darum hier nun meine Prognose, wie es weiter- bzw. ausgehen könnte:
Rainer Winkler bricht irgendwann unter den psychischen Folgeschäden zusammen. Das kann sich entweder anhand einer Straftat äußern, sodass er nun doch noch ins Gefängnis muss, oder er wird in eine Psychiatrie eingewiesen. Somit wird er keine Videos mehr produzieren können, der Kreislauf wird unterbrochen und irgendwann enden. Nicht sofort, sondern nach längerer Zeit, schätzungsweise zwei Jahre.
Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass Rainer Winkler Einsicht zeigt und sich Hilfe holt, also sich eine feste Bleibe besorgt und versucht, ein geregeltes Leben zu führen. Dass es so kommt, ist eher unwahrscheinlich, weil er seit einem Jahrzehnt keine Einsicht gezeigt hat. Sein Leben könnte heute viel rosiger aussehen, wäre er einsichtig gewesen.

Fest steht jedenfalls eines: Solange Rainer Winkler durch das Internet irgendwie Geld verdient und Spenden erhält, sich nicht selbst davon lösen möchte und solange andere durch ihn Geld verdienen, wird dieser Kreislauf niemals enden.

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Autor:

Stephan Riedl aus Rodalben

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