Opfer in Karlsruhe alarmiert Polizei selber / Drei Schläger geschnappt / Schwerpunktkontrollen
Gewalt in S-Bahn wirft viele Fragen in Sachen Sicherheit auf
Es ist eine unglaubliche Tat, die sich im November 2017 in einer Karlsruher S-Bahn abgespielt hat: Ein 27-jähriger Nordkoreaner wurde gegen 18.20 Uhr in der S4 zwischen Weinweg und Durlacher Tor von drei Männern provoziert.
Als er sie aufforderte, dies zu unterlassen und die Bahn verlassen wollte, begannen die Typen ihn mit Tritten und Fäusten zu traktieren, verletzten ihn dabei im Gesicht und am Knie. DasOpfer schaffte es erst zwei Haltestellen später aus der S-Bahn zu entkommen. Die drei Schläger versuchten zu folgen, ließen dann aber wegen eines Passanten, der sich zum Glück einmischte, von einem weiteren Angriff ab und flüchteten.
Aufgrund der Täterbeschreibungen konnten die drei Rowdys (35, 40 und 47 Jahre alt, "vom Balkan") erfreulicherweise knapp vier Stunden später in der Durlacher Allee von der Polizei geschnappt werden. „Leider kommen mittlerweile solche Meldungen zu Überfällen viel zu oft“, stellt Stadtrat Jürgen Wenzel von der „Allianz für mehr Sicherheit“ in Karlsruhe mit Bedauern fest – und moniert: „Immer mehr Bürger sind verunsichert, meiden schon bestimmte Bereiche in der Stadt, aber von Verwaltung und Gemeinderat kommen weder Signale noch Maßnahmen in Sachen mehr Sicherheit für die Bürger.“ Dabei wurde auch von den Freien Wählern das Thema Sicherheit in der Stadt schon mehrfach in den Gemeinderat getragen.
Die geschilderte Tat wirft viele Fragen auf, gerade in Sachen Sicherheit, denn viele Bürger meiden in den Nachtstunden längst die Bahnen, weil sie sich nicht mehr sicher genug fühlen. Aber in diesem Fall war es erst 18.20 Uhr (wenn auch dunkel) – und es war auch mitten in der Stadt! Hat keiner was gesehen – auch der Fahrer nicht? Hat keiner in der Bahn geholfen oder Hilfe gerufen? Was ist mit der Videoüberwachung? Was ist mit den Notruf-Knöpfen in der Bahn? „Die Bahn ist, wie alle unsere Fahrzeuge, mit einer Kamera ausgestattet“, erklärt „KVV“-Pressesprecherin Sarah Fricke – und die Polizei hat das Videoband zur Auswertung. Die Aufnahmen zeigen wohl, dass die Bahn in diesem Fall sehr schwach besetzt war, aber nach derzeitigen Erkenntnissen hat keiner der Mitfahrer helfend eingegriffen, die Polizei oder den Fahrer informiert, so Jürgen Etzel von der Pressestelle des Polizeipräsidiums Karlsruhe. Der Fahrer kann es nicht bewusst mitbekommen, denn er hat keinen Monitor, um den Fahrgastraum zu beobachten. Dieser ist vom Fahrerbereich getrennt, „um den Fahrer zu schützen und ihm die notwendige Konzentration zu ermöglichen“, erklärt Fricke: „Unsere Bahnen werden seit dem Spätsommer sukzessive mit Fahrgast-Notsprechstellen im Türbereich ausgestattet.“ Aber erst im ersten Halbjahr 2018 sollen alle Bahnen damit ausgestattet sein.
Allerdings ist die „Info-Kette“ im Fall der Benutzung einer Notsprechstelle wie folgt: Es gibt einen Kontakt durch den Fahrgast zum Fahrer, der entscheidet dann, was weiter geschieht, informiert unter Umständen dann die Leitstelle, diese dann die Polizei.
Für mehr Sicherheit – und um auch das Gefühl der Sicherheit zu vermitteln – ist die Polizei mit Streifen (auch in Zivil) in den Bahnen unterwegs, aber es gibt für sie einfach zu viele Aufgaben für zu wenig Personal. Zudem haben die Verkehrsbetriebe regelmäßig Security im Einsatz, „um das Sicherheitsempfinden der Fahrgäste zu erhöhen und potenzielle Täter abzuschrecken“, so Fricke: „Unsere normalen Kontrollen finden täglich statt und zwischen den Schwerpunktaktionen zusammen
mit der Polizei führt ’BIG’ für uns Aktionenmit größerer Personalstärke durch.“
Zudem sind die Verkehrsbetriebe auch beim Pilotprojekt „In-REAKT“ am Start. Dabei geht’s um ein IT-gestütztes System,welches das Notfall-Management im öffentlichen Verkehr verbessern soll. Durch eine kombinierte Video- und Geräuschdetektion kann das selbstlernende System sicherheitskritische Situationen und Notfälle automatisiert erkennen – ob Schlägereien oder hilfsbedürftige Personen. Anschließend setzt diese Anwendung eigenständig eine Alarmierungskette in Gang und gibt gleichzeitig
Handlungsempfehlungen aus, so dass die informierte Leitstelle schnell und zielgerichtet Sicherheits-
oder Rettungskräfte verständigen kann. (rs)
Infos: Die regelmäßigen Schwerpunktkontrollen in und an Bahnen sollen in Zukunft weiter durchgeführt werden. Beim vergangenen Mal (allerdings schon Monate her) wurden in den späten Nachtstunden immerhin 175 Personen (!) beim „Schwarzfahren“ erwischt, dazu gab es zig Anzeigen wegen Betäubungsmittel, Körperverletzungen, Beleidigungen oder auch wegen Verstößen gegen das Jugendgesetz – und zwei per Haftbefehl gesuchte Personen wurden auch noch geschnappt, www.inreakt.de
Autor:Jo Wagner |
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