Weniger als 24 h vom Atlantik nach Karlsruhe
70.000 neue Glasaale in Seitengewässern des Rheins
Karlsruhe. Die Fischereibehörde im Regierungspräsidium Karlsruhe hat am Wochenende 70.000 Glasaale in die Seitengewässer des Rheins bei Karlsruhe gesetzt. Nach etwa sieben Jahren sollen diese Aale wieder tausende Kilometer in die Sargassosee zurückschwimmen, um dort in 1.000 Meter Wassertiefe zu laichen.
Der Glasaal ist ein frühes Stadium des Aals und ähnelt einer Glasnudel mit zwei Knopfaugen. Durch seine durchsichtige Haut ist das winzige, schlagende Herz zu sehen. In diesem Stadium wurden gestern rund 70.000 Tiere besetzt. Die Glasaale für den Rhein wurden mit einem Sonderflug direkt aus den Wildfängen am Atlantik nach Schweinfurt geflogen. In gekühlten Kisten werden Glasaale „feucht“ transportiert. Diese Methode ist weniger aufwändig und sicherer als der Transport im Wasser, da der Sauerstoff im Wasser rasch aufgezehrt würde. Gerade junge Aale können in feuchter Luft ausreichend über die Haut atmen, so dass der Transport in Kisten auch über längere Zeiträume kein Problem für die Tiere darstellt.
Der Europäische Aal ist eine gefährdete Tierart. Seit Ende der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ist das Glasaalaufkommen in Europa stark gesunken. Verglichen mit sehr hohen Werten vor dem Einbruch, gingen die Rückkehrerraten der Glasaale an manchen Küstenabschnitten auf unter fünf Prozent zurück. Die Ursache für den Rückgang liegt vor allem an seinem komplexen Lebenszyklus und vielfältigen Einflüssen auf dem langen Weg. Der Aal muss vom Rhein bis in die 5.500 - 7.000 Kilometer entfernten Sargassosee im Westatlantik wandern, um zu laichen.
Etwa drei Jahre lang driften die winzigen Larven des Aals mit dem Golfstrom zurück an die Europäische Küste, um dann in die Binnengewässer aufzusteigen. In unseren Binnengewässern reifen Aale dann zu erwachsenen Tieren heran, was wiederum sieben bis 15 Jahre dauern kann. Dieser komplexe und lange Lebenszyklus birgt zahlreiche Gefahren und daher überleben nur wenige Tiere und werden schließlich zum laichfähigen Aal.
Früher sind die jungen Aale von Natur aus in „100 Meter langen Bändern“ zu hunderttausenden den Rhein hinauf geschwommen. Diese Zeiten sind jedoch infolge des Bestandseinbruches schon lange vorbei. Ohne Besatzmaßnahmen wäre der Europäische Aal bei uns bereits ausgestorben. Die vom Regierungspräsidium Karlsruhe und dem "Landesbetrieb Vermögen und Bau", Ämter Karlsruhe und Pforzheim sowie der Berufs- und Angelfischerei in den letzten Jahrzehnten durchgeführten umfangreichen Besatzmaßnahmen haben geholfen, den Aalbestand im Rhein wieder deutlich anzuheben.
Der Aalbesatz in Karlsruhe ist daher eine klassische Artenschutzmaßnahme, die das Aaldefizit kompensiert und zudem die Überlebenswahrscheinlichkeit der Aale in besonders geeigneten Habitaten deutlich erhöht. Der Aalbestand in Baden-Württemberg zeigt gute Tendenzen einer Erholung: An allen Rheinstrecken können ansteigende Dichten mit einer Zunahme an nachwachsenden Jungaalen dokumentiert werden. Dem Habitat entsprechend hohe Aaldichten mit ausgeglichenem Längenaufbau sind abschnittsweise erreicht. Es ist bekannt, dass Besatzmaßnahmen mit jungen Aalen sehr gut wirken. Der überwiegend nachtaktive Aal versteckt sich tagsüber und wird dadurch seltener als andere Fischarten zur Beute.
Autor:Jo Wagner |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.