Besucherrekord, breites Spektrum, Begeisterung
Das "bisher beste Atoll-Festival" in Karlsruhe
Karlsruhe. "Das achte ATOLL-Festival war zweifellos das bisher beste", so Bernd Belschner, der die am Sonntag, 24. September, zu Ende gegangene, auf den zeitgenössischen Zirkus fokussierte Veranstaltung mit einem kleinen Team verantwortet. Mit mehr als 8.600 Besucherinnen und Besuchern war es nicht nur die bisher bestbesuchte, sondern auch eine in Qualität, Tiefe und Breite sicherlich herausragende ATOLL-Ausgabe. Rund 100 Artistinnen und Artisten aus mehr als einem Dutzend Länder hatten an zehn Spieltagen die große Bandbreite dessen gezeigt, was im zeitgenössischen Zirkus gegenwärtig möglich ist.
Die Publikumsmagnete kamen in diesem Jahr aus Skandinavien. So der gerne als "schwedischer Nationalzirkus" bezeichnete Cirkus Cirkör, der mit seiner "Knitting Peace" zur Eröffnung mit einer opulenten Bühnenmaschinerie, staunenmachender Artistik, folkrockiger Livemusik und einer akrobatischen Bilderflut ein breites Publikum mitriss. Nicht weniger begeistert war das Publikum von der skandinavischen Zeltproduktion Circus I love you, bei der drei Duos im Ostauepark ein akrobatisches Feuerwerk abbrannten, zu dem sich die gerade nicht anderweitig beschäftigten Artisten als Band musikalisch selbst begleiteten.
"Mit dem diesjährigen ATOLL Festival haben wir neue Zirkussphären erreicht", so die ebenfalls im ATOLL-Team aktive TOLLHAUS-Geschäftsführerin Britta Velhagen. Sie verwies darauf, dass nicht nur künstlerisch innovative Produktionen in den knapp zwei Wochen gezeigt wurden, sondern auch neue Publikumsgruppen für den zeitgenössischen Zirkus gewonnen werden konnten. So war in diesem Jahr das Familienprogramm mit sieben regulären Vorstellung äußerst erfolgreich. "Darüberhinaus sind wir rausgegangen und haben für vier Kindergärten gespielt," so Velhagen, "und mit Techno-Jongleur Wes Peden haben wir eine Sondervorstellung für eine Berufsschule gegeben".
Der US-Amerikaner Wes Peden zählte mit seiner "Rollercoaster" Show ebenso zu den innovativen und wegweisenden Künstlern des Festivals, die für "neue Zirkuswelten und -sphären" stehen, wie die Cie 7 Bis, die in zwei höchst unterschiedlichen Stücken einen vollkommen neuen Umgang mit dem Cyr Rad demonstrierte. Innovativ und frisch war aber auch das die Zirkuswelt wie das menschliche Zusammen reflektierende "Empire of fools" der international zusammengesetzten Compagnie Roikkuva aus der Schweiz, die mit eigenem Zelt angereist war. Dieses beherbergte in der zweiten Woche eine Reihe weiterer Veranstaltungen. So das hochdramatische Solo der Transfrau Diana Salles, die mit "Delusional - I killed a Man" die Erlebnisse und Gefühle ihrer eigenen Transformation zu einem mitreißenden Zirkusstück verarbeitete. Salles war Teil eines Festivaltages, der der aktuellen Auswahl des deutschen Zirkus-Förderprogramms ZirkusOn gewidmet war. Das europäische Pendant circusnext war mit drei Kurzstücken unter dem Label ATOLL surprise vertreten.
Viel Lob und überschwänglichen Dank erhielt das Kulturzentrum TOLLHAUS für sein Festivals von Publikum, Künstlerinnen und Künstlern, aber vor allem auch vom Fachpublikum, das die familiäre Atmosphäre hervorhob, in der ein Austausch mit Publikum und Auftretenden ohne jede Barriere selbstverständlich möglich gewesen sei. Wie bei seinem Sommerfestival ZELTIVAL bemüht sich das TOLLHAUS sehr, für ATOLL ein besonderes und passendes Ambiente zu schaffen, das viel zur Festivalatmosphäre beiträgt. Zahlreiche auswärtige Gäste blieben über mehrere Tage in der Fächerstadt.
"Es ist beeindruckend wie das ATOLL-Publikum, das aus der weiten Region kommt, sich für eine so große Bandbreite dieses vielfältigen und bunten Genres begeistert", sagt Stefan Schönfeld, der mit Bernd Belschner das Programm zusammenstellt. "Mittlerweile reisen aber auch zahlreiche Zirkusbegeisterte, Künstler und Veranstalter von weither an", ergänzt Schönfeld, der aber auch darauf verweist, dass trotz der sich sehr erfreulich entwickelnden Publikumszahlen, die Zukunft eines solch aufwändigen Festivals, das in Deutschland seinesgleichen sucht, nicht automatisch gesichert sei. Angesichts sprunghaft steigender Kosten und drohender Zuschusskürzungen sei vielmehr weitere Unterstützung nötig.
Auch kulturpolitisch hatte das ATOLL Festival unter anderem mit einer Veranstaltung des jungen Landesverbandes zeitgenössischer Zirkus Baden-Württemberg ein Signal gesetzt und unter anderem die Notwendigkeit einer Zirkusausbildungsstätte im Land formuliert. Diese solle die Szene in Deutschland stärken, von wo angehende Artistinnen bislang noch zum Studium ins europäische Ausland gehen müssen.
Autor:Jo Wagner |
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