Neue Genesungsbegleiterinnen und -begleiter
Ausbildung abgeschlossen
Klingenmünster. Wie fühlt es sich an, Stimmen zu hören oder aus dem Nichts Todesangst zu haben? Das können nur Menschen beschreiben, die es selbst erlebt haben. So können sie in der Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen vermitteln. Um diese Vermittlerrolle einnehmen zu können, gibt es für Menschen mit Krankheitserfahrung eine spezielle Qualifizierung: EX-IN. Der Begriff steht für Experienced-Involvement und bedeutet, die Erfahrung von Betroffenen in die Behandlung von Patientinnen und Patienten einzubeziehen.
Nach über einem Jahr hat jetzt der erste Jahrgang der sogenannten Genesungsbegleiterinnen und -begleiter die Qualifikationsmaßnahme in der Südpfalz abgeschlossen. Im Rahmen der Kooperation zwischen NetzG-RLP (Landesnetzwerk Selbsthilfe seelische Gesundheit Rheinland-Pfalz) und dem Pfalzklinikum durchliefen die 16 Teilnehmenden zwölf Module, die sie für die Arbeit in psychiatrischen und psychosozialen Einrichtungen vorbereiten. Dazu gehören Themen wie Gesundheit und Wohlbefinden (Salutogenese), Selbstbefähigung (Empowerment), Erfahrung und Teilhabe, Wiederherstellung der Gesundheit (Recovery) oder Trialog. Die Teilnehmenden üben zudem, ihre eigenen Erfahrungen verständlich zu vermitteln. Dabei sind Fingerspitzengefühl, eigenständiges Arbeiten, aber auch Kommunikation auf Augenhöhe gefragt.
Neue Blickwinkel in der Behandlung
„Die Arbeit mit Genesungsbegleiterinnen und -begleitern eröffnet der Behandlung neue Blickwinkel, die andere Berufsgruppen ohne Selbsterfahrung nicht einnehmen können“, erklärt Stefan Lincks, Pflegerischer Fachbereichsleiter der Allgemeinpsychiatrie, der das EX-IN-Programm im Pfalzklinikum koordiniert. „Zudem zeigen sie anderen Betroffenen, dass eine Erkrankung auch eine neue Perspektive geben kann, denn Genesungsbegleiterinnen und -begleiter sind Teil des Stationsteams und ganz normal im Arbeitsleben integriert.“
Auch Hannes Schön, einer der Teilnehmenden, sieht den Mehrwert für alle Beteiligten: „Ich hätte mir damals zu Beginn meiner Erkrankung einen Genesungsbegleiter gewünscht, gerade als ich meine Krankheit noch nicht verstehen konnte und wollte. Mit dieser Ausbildung bin ich einerseits in der Lage, anderen Betroffenen diese Hilfestellung zu geben: die Krankheit früher zu verstehen, zu akzeptieren und damit umgehen zu lernen. Andererseits kann ich den Behandelnden Orientierung im Umgang mit Betroffenen geben, was letztendlich zum Erfolg der Therapie beiträgt.“ Nach seinen Praxiseinsätzen während der Qualifizierung kann sich 36-Jährige gut vorstellen, die Aufgabe eines Genesungsbegleiters zu übernehmen.
Bereits 2014 haben NetzG-RLP und das Pfalzklinikum eine erste Qualifizierungsmaßnahme in Kaiserslautern angeboten. Mittlerweile ist die Arbeit der Genesungsbegleiterinnen und –begleiter fester Bestandteil in der Behandlung im Pfalzklinikum. Mehrere Stellen sind in der Allgemein- und in der Gemeindepsychiatrie für die Absolventinnen und Absolventen der jetzigen Qualifizierung in der Südpfalz ausgeschrieben.
„Die Bedeutung der Genesungsbegleiterinnen und -begleiter ist über die Jahre bis in den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) vorgedrungen. Inzwischen diskutieren sie im Sinne der zukünftigen Gesundheitsversorgung mit und werden gehört“, unterstreicht Franz-Josef Wagner, Vorsitzender von NetzG-RLP, die Wichtigkeit des Programms. ps
Autor:Britta Bender aus Annweiler |
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