Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus
Nie wieder ist jetzt
Klingenmünster. „Die beste Versicherung gegen Faschismus ist die Erinnerung. Wir gedenken, damit nichts vergessen wird“, sagte Rita Becker-Scharwatz zu Beginn des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus. Am Samstag, 27. Januar, hatten sich zahlreiche Besucher*innen, darunter Mitglieder des Bezirkstages Pfalz, Einrichtungsleitungen, Vertreter*innen der Zentralverwaltung, Patient*innen, Mitarbeitende des Pfalzklinikums, Bürgermeister*innen und Bürger*innen der Region bei strahlendem Sonnenschein an der Gedenkstätte des Pfalzklinikums versammelt. Dort gedachten sie in einer Schweigeminute der Opfer und setzen gemeinsam ein Zeichen gegen Ausgrenzung und Stigmatisierung.
Bereits seit 1996 veranstaltet der Gedenkausschuss des Pfalzklinikums diesen Tag. „Nie wieder ist jetzt! Wir sehen uns bestärkt, diesen Auftrag immer wieder neu zu erfüllen“, betonte Geschäftsführer Paul Bomke. Die Gedenkveranstaltung stand in diesem Jahr unter der Fragestellung: „Unbrauchbar!? Wann ist ein Leben etwas wert?“ Über 2.200 Patient*innen der damaligen Heil- und Pflegeanstalt Klingenmünster wurden während der NS-Zeit Opfer der „NS-Gesundheitspolitik“. Neben ihrer Diagnose war vor allem die Arbeitsfähigkeit ausschlaggebend für ihr Überleben. Die „aussortierten“ Menschen galten im Sinne der damaligen Rassenhygiene als „nicht lebenswert“.
Die Andacht gestalteten die Klinikseelsorger Michael Reis und Dorothea Helfrich. Hauptredner war der Vorsitzende des Bezirkstags Pfalz und des Verwaltungsrats des Pfalzklinikums Theo Wieder. Er erinnerte an Artikel 1 Grundgesetz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ und betonte, dass das Erinnern an eines der schrecklichsten Verbrechen aller Zeiten heute wichtiger ist denn je. „Wenn extreme Kreise, bis hin zu Vertretern einer Partei, die in unseren Parlamenten sitzt, die Abschiebung von Millionen Menschen aus unserem Land plant, ist es endlich an der Zeit aufzuwachen“, so Theo Wieder. Er rief dazu auf, die Anfänge im Denken und Handeln zu betrachten, die in der NS-Zeit zu den Gaskammern und zur Vernichtung „unbrauchbaren“ Lebens führten. „Wenn wir die Würde jedes einzelnen Menschen wirklich verteidigen wollen, verpflichtet uns dies, jeglichem Gedanken einer Relativität menschlichen Lebens entschieden entgegen zu treten, etwa beim Umgang mit Flüchtlingen oder beim Umgang mit Menschen mit Krankheiten und Beeinträchtigungen“, sagte der Bezirkstagsvorsitzende. „Wir müssen aufstehen, wenn über Remigration, Abschiebung oder Deportation von Millionen Menschen geredet wird. Das bedarf des Mutes und ist meist sehr unbequem. Aber es muss sein. Setzen wir uns ein. Davon hängt ab, wie wir in Zukunft leben werden“, forderte Theo Wieder.
Klinikseelsorgerin Dorothea Helfrich stellte die Frage, welchen Platz wir heute Menschen gewähren, die aufgrund ihrer Krankheit in der Leistungsgesellschaft nicht mithalten können. Als Betroffener und depressiv Erkrankter sprach Manfred Schneider, der Vorsitzende des Landesnetzwerks Selbsthilfe seelische Gesundheit Rheinland-Pfalz. Er erzählte von seinem Besuch in polnischen Vernichtungslagern. „Jeder, der heute rechts wählt, sollte sich einmal dort hinbegeben. Es darf nicht sein, dass eine schweigende Mehrheit wieder sagen kann: Davon haben wir nichts gewusst. Egal, ob es sich um ausländische Mitbewohner, Andersgläubige, psychisch erkrankte oder körperlich beeinträchtigte Personen handelt – alle haben einen Platz in unserer Gesellschaft.“ Drei junge Patienten sprachen zum Abschluss und forderten die Anwesenden auf: „Du bist eine Möglichkeit Gottes – nutze sie“. red
Autor:Britta Bender aus Annweiler |
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