Landau liest ein Buch
Vortrag über die 50er Jahre gut besucht

"Toxi" vor dem Alten Kaufhaus in Landau (Foto von der Präsentation) | Foto: Dr. M. Martin | Stadtarchiv Landau
  • "Toxi" vor dem Alten Kaufhaus in Landau (Foto von der Präsentation)
  • Foto: Dr. M. Martin | Stadtarchiv Landau
  • hochgeladen von Peter Herzer

Landau. Dr. Michael Martin, ehemaliger Leiter des Stadtarchivs und des Stadtmuseums, lud im Gemeindesaal der Stiftskirche am 15. Juni zu einem Vortrag über die 1950er Jahre ein, bei Kaffee und Kuchen. Von den zahlreich anwesenden Zeitzeugen gab es immer wieder Zurufe, zur linken Hand eine strickende Dame, welche emotional während der kurzweiligen Präsentation mitging. Ernsthafte Geschichten wechselten rasch mit heiteren, welche allgemein freudige Erinnerungen weckte.
Dr. Martin zeigte zu Beginn ein kurzes Video, welches mit der Nazi-Zeit in den 40ern begann, Szenen von Wehrmachtübungen im Goethe-Park und Aufmärsche. Dann setzten Anfang 1945 die großflächigen Bombardierungen ein, was Luftaufnahmen dokumentierten. Nach Kriegsende und dem schmerzhaft, mühsamen Wiederaufbau versuchten die Menschen eine gewisse Normalität zu entwickeln. Die Stunde Null gab es aber so nicht.
Die Kirchen spielten damals eine wesentlich größere Rolle, so sind viele Glockenweihen zu sehen, man bemühte sich besonders um die Jugend, Prozessionen waren sehr gut besucht. Von Fasnachtsumzügen gab es seltene Sequenzen zu sehen.

Im Zweiten Teil wurden viele alte Fotos an die Wand projiziert. 
Themen waren z. B. der  Fußball, der ASV spielte damals noch in höheren Ligen, (fast) in Augenhöhe mit dem 1.FCK und seinem Fritz. Suppenküchen, Währungsreform, Bahnhöfe und ihre Restaurierung, die Fundstelle mit verlustigen Damenhandtaschen (auch heute noch eine Katastrophe), ein zum Schmunzeln regender Blick in die Rheinpfalz-Redaktion, Alltagsbilder aus der französischen Besatzungszeit – ein Traktor rammt eine schicke französische(?) Limousine, die Fresswelle, Jugendkultur.

Wichtig und aktuell zum 17. Juni jährliche Kranzniederlegungen wegen des blutig niedergeschlagenen Aufstands in der DDR. Die Festhalle war der einzige größere Bau weit und breit, der unbeschädigt blieb und für Festlichkeiten geeignet war, dieser zog wie ein Magnet kulturbegeisterte Menschen aus der ganzen Umgebung an, um z. B. Klassik zu hören. Der Dozent zeigte Bilder von Metzgereibetrieben, beklagte deren Aussterben, beispielhaft für andere Traditionsgeschäfte, was Resonanz auslöste.

Ausführlicher wurde auf Kinder aus Beziehungen mit stationierten Soldaten eingegangen. 1952 wurde diesbezüglich ein Film gedreht: Toxi. Dieser handelt von einem sogenannten Brown Baby, das Kind eines Afroamerikaners und einer heimischen Frau, eine Geschichte mit Happy End. In der Realität "verschwand" der Vater von Toxi, eigentlich Elfie Fiegert, nach Korea und die Mutter gab das Kind zur Adoption frei, es fand seinen Platz bei einer Familie aus Oberschlesien. Die Lebenswege waren oftmals nicht auf Rosen gebettet, latenter wie offener Rassismus allgegenwärtig – bis heute. Laut einem damaligen Staats-Vertrag konnten die Väter nicht belangt werden. In einem Artikel der Rheinpfalz vom letzten Jahr über Michael Martin zu seinem 75. Geburtstag wurde offengelegt, dass er selbst ein ähnliches Schicksal erfuhr.

Ebenso wurden Bilder von Flüchtlingen gezeigt, die erst 1952/53 nach Landau kamen. Grund war die restriktive Politik der Franzosen, welche selbst noch unter Nachwirkungen den Plünderungen im Krieg litten und Lebensmittel rationieren mußten. Auch die bekannte Schriftstellerin Martha Saalfeld, so der Lokalhistoriker Wolfgang Diehl in einem Interview, konnte 1948 zunächst nicht in ihre Heimatstadt Landau, dann aber nach Bad Bergzabern, weil sie sich verpflichtete, eine dort lebende Tante zu pflegen. 

Bestürzend die Anekdote, wie glimpflich der Brandstifter der Landauer Synagoge wegkam, nach dem Krieg kurz verhaftet, dann obdachlos, bekam er später sogar eine Wohnung im Frank-Loebschen Haus – war es, so Dr. Martin, eine bösartige oder dumme Idee? Im Fort, dort, wo heute die Uni ist, befanden sich 1933 Militärgebäude. Die Nazis sperrten gleich nach der Machtergreifung unliebige Personen ein. Das waren die ersten Vorläufer der KZs. Der Lyriker Hasan Özdemir beantwortete die Frage, warum er schreibe mit den Worten: Gegen das Vergessen – und gegen das Schweigen. So auch deutlich spürbar das Engagement von Dr. Martin.

Der Dozent kritisierte Bausünden nach dem Krieg, das Fehlen von Kunst an Gebäuden aus Glas und Beton. Unbehagen löst bei ihm das Monumentale aus, die Einschüchterung der Menschen, wenn sie durch eine überdimensionale Tür eine Kirche oder das Justizzentrum betreten müssen.
Die Schulen und Volksbüchereien wurden erwähnt. Erinnert wurde kurz an die Bücherverbrennung 1933 vor dem Rathaus. Birgit Heid vom Literarischen Verein der Pfalz erzählte, dass sie vor 11 Jahren eine Dokumentation über die Grundschule Godramstein schrieb.
 
Dr. Martin bat darum, interessante Bilder von damals an das Stadtarchiv zur Ansicht geben. Ob in dreißig Jahren Bilder von der Gegenwart verfügbar sind, sei fraglich, denn trotz der tsunamiartigen Verbreitung von digitalen Bildern im Netz sind diese von Archivaren nicht direkt greifbar.

Die Pfarrerin Heike Messerschmitt stellte am Schluß der gut 90 minütigen Veranstaltung den Bezug zu dem Roman "Herzfaden" von Thomas Hettche her, der im zeitlich gleichen Rahmen von der Augsburger Puppenkiste erzählt. Auch jene hatte einfachste Anfänge in Zeiten der Not, eine klappbare Holzkiste diente als erste Bühne für begeisterte Kinder.
Diese Veranstaltung war Teil der Kulturreihe "Landau liest ein Buch".

Autor:

Peter Herzer aus Kaiserslautern

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