Kita-Leitung Rebecca Jungkind tritt in Ruhestand
„Inklusion ist ein Gewinn für alle“
Kinder mit Kochhauben umzingeln einen Tisch. In der Mitte thront eine Schüssel mit Teig. Die Münder der Mädchen und Jungen sind weit geöffnet. Ihre Augen strahlen. Rebecca Jungkind schmunzelt gerührt, als sie dieses Bild aus dem Jahr 1984 in Händen hält. „Mit fünf Kindern haben wir damals in der Paul-Moor-Schule angefangen“, erinnert sich die Sozialpädagogin, die vor fast 40 Jahren die Kindertagesstätte der Lebenshilfe Südliche Weinstraße in der Münchener Straße in Landau aufgebaut und seither geleitet hat. Zum Jahresende 2022 tritt sie in den Ruhestand.
„In den Anfangsjahren hatte noch jeder Raum eine eigene Kochzeile. Wir mussten in der Gruppe Geschirr spülen, konnten aber zugleich mit den Kindern vor Ort backen. Das hat ihnen immer viel Freude bereitet“, berichtet Rebecca Jungkind. Nach ihrem Anerkennungsjahr in der Jugendpflege bei der Kreisverwaltung des Landkreises Südliche Weinstraße wechselte sie im Oktober 1983 zur Lebenshilfe. Während sie im KLW-Stammhaus in Offenbach arbeitete, knüpfte sie Kontakte zu Eltern von Kindern mit Beeinträchtigung. Im Februar 1984 folgte die Eröffnung des Kindergartens.
„Von 1974 bis 1982 hatte es in Nußdorf einen ersten Kindergarten der Lebenshilfe gegeben. Auch wenn dieser wieder schließen musste, blieb der große Bedarf bestehen“, unterstreicht Rebecca Jungkind. Hatten sie und ihr Team ihre Arbeit in der Paul-Moor-Schule 1984 mit einer Gruppe aufgenommen, waren es 1988 schon fünf Gruppen mit insgesamt 34 Kindern. „Damit wurden die Räumlichkeiten zu knapp und wir mussten einzelne Gruppen zeitweilig an verschiedenen Stellen außerhalb der Schule unterbringen“, so die scheidende Kita-Leitung. Spätestens ab 1992 wurden verschiedene Optionen für einen neuen Standort geprüft. Schließlich konnte auf dem Gelände einer früheren Geflügelfarm ein Kindergarten entstehen – nur einen Steinwurf von der Paul-Moor-Schule entfernt. Bereits im April 1993 folgte der Einzug.
Im Laufe der Jahrzehnte veränderten sich nicht nur die Räumlichkeiten. Auch der Name wandelte sich. „Aus dem Sonderkindergarten wurde der Förderkindergarten Südpfalz, dessen offizielle Einweihung im Juni 1994 stattfand“, erinnert sich Rebecca Jungkind. „Darin spiegelte sich auch ein verändertes Menschenbild wider. Statt der vermeintlichen Defizite rückten in der pädagogischen Arbeit zunehmend die individuellen Stärken und Potentiale jedes einzelnen Kindes in den Blickpunkt.“
Vom Förderkindergarten zur integrativen Kindertagesstätte
Der nächste große Meilenstein in Landau folgte 2013, als zwei Jahre nach der Eröffnung der heutigen inklusiven Kindertagesstätte „Pusteblume“ in Bad Bergzabern durch die Lebenshilfe Südliche Weinstraße aus dem Förderkindergarten Südpfalz die integrative Kindertagesstätte „Löwenzahn“ wurde. Nach intensivem Um- und Ausbau bot sie Platz für 49 Kinder – nun auch für sogenannte Regelkinder. „Heute kommen in unsere fünf Gruppen 53 Kinder, davon 29 mit besonderen Bedarfen“, erläutert Rebecca Jungkind. „In einer Atmosphäre der Offenheit und im gemeinsam gestalteten Alltag können Kinder mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen individuelle Erfahrungen sammeln, sich entwickeln, voneinander lernen und aneinander wachsen. Inklusion ist ein Gewinn für alle.“
Rebecca Jungkind ist stolz auf eine pädagogische Konzeption, die sich schon früh von den meisten anderen Kindergärten abhob. Noch vor dem Umzug aus der Paul-Moor-Schule gab es im Lebenshilfe-Kindergarten eine eigene Psychologin. Später kamen eine Logopädin und zwei Ergotherapeutinnen hinzu, die wie die Psychologin Kindern mit besonderen Bedarfen zur Verfügung stehen. „Es ist sehr wichtig, diese Kompetenzen vor Ort zu bündeln. Beispielsweise bei Fallbesprechungen ermöglicht uns dieser ganzheitliche Ansatz einen erheblichen Mehrwert für die Betrachtung der individuellen Situation“, führt Rebecca Jungkind aus. „Auch von den Eltern erhalten wir zahlreiche positive Rückmeldungen.“
Der intensive Austausch mit den Eltern, von denen sich viele immer wieder aktiv einbringen, und der gemeinsame Alltag mit dem mehr als 20-köpfigen Team der inklusiven Kindertagesstätte „Löwenzahn“ werden ihr im Ruhestand sehr fehlen. Da ist sich Rebecca Jungkind sicher. „Das gilt auch für die strahlenden Gesichter der Kinder bei meinem morgendlichen Rundgang durch die Gruppen.“ Immerhin wohnt sie ganz in der Nähe. „So werden wir uns bestimmt auch in Zukunft häufiger begegnen.“
Mit Bedauern blickt die scheidende Kita-Leitung auf die wachsende Bürokratie in den zurückliegenden Jahren: „Ich wünsche allen Beteiligten, dass vor diesem Hintergrund weiterhin genügend Zeit für jedes einzelne Kind bleibt.“ Eine andere Entwicklung freut sie dafür umso mehr: „Gerade in den Anfängen unserer Arbeit begegneten wir vielen Vorurteilen in den Köpfen“, erinnert sich Rebecca Jungkind. Mittlerweile habe sich im Bewusstsein vieler Menschen Grundlegendes verändert: „Immer mehr Eltern möchten, dass ihre Kinder in eine inklusive Kita gehen. Die Nachfrage ist weit höher, als wir Plätze zur Verfügung stellen können. Es ist normal, verschieden zu sein. Bei uns wird das Tag für Tag erlebbar. Wenn wir diesen gemeinsamen Weg erfolgreich fortsetzen, leisten wir einen wichtigen Beitrag zu einer Gesellschaft, in der alle dazugehören.“
Autor:Dennis Christmann aus Offenbach |
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