Katastrophenschutz in Landau: Die Lehren ein Jahr nach der Flutkatastrophe

Künftig wird nicht nur mit mehr Starkregenereignissen und Hochwasser zu rechnen sein   | Foto: Stadt Landau
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Landau/SÜW. Häuser, die bis zum zweiten Stock unter Wasser stehen, Autos, die wie Spielzeug von den Fluten mitgerissen werden und mittendrin Menschen, die um ihr Leben kämpfen: Die Bilder der Flutkatastrophe vor einem Jahr hat man noch genau vor Augen. Vielerorts waren sie Anlass, beim Katastrophenschutz auf- und nachzurüsten. In Landau begann man beispielsweise schon vor der Katastrophe, das Sirenennetz auszubauen. Im Gespräch mit Tim Altschuck haben Stefan Krauch, der Abteilungsleiter für Brand- und Katastrophenschutz, und Dirk Hargesheimer, Brand- und Katastrophenschutzinspekteur, erklärt, wo gerade Konzepte an neue Erkenntnisse angepasst werden.

???: Welche Lehren hat man aus der Ahrtal-Katastrophe hier in der Südpfalz gezogen? Als Brand- und Katastrophenschutzinspekteur waren Sie gerade erst in Mainz vor Ort, um sich mit Vertreterinnen und Vertreter der Landesregierung über Zukunftsstrategien zur Katastrophenvorsorge auszutauschen.
Hargesheimer: Wir in der Südpfalz sind zum Glück sehr gut aufgestellt. Die Flutkatastrophe im Ahrtal hat uns aber gelehrt, dass wir mit Blick auf das gesamte Land Rheinland-Pfalz und im überregionalen Zusammenspiel trotzdem weiter an unseren Strukturen arbeiten müssen. Der Katastrophenschutz der verschiedenen Organisationen in unserem Land muss einheitlich aufgestellt und verfügbar sein. Dafür müssen die im zurückliegenden Jahr gewonnenen Erkenntnisse von den Verantwortlichen und Handelnden weiter bewertet und bearbeitet werden. Es ist wichtig, dass die Lehren aus der Ahrtal-Katastrophe in die zukünftigen Strukturen des Katastrophenschutzes einfließen. Da geht es beispielsweise um Themen wie Digitalfunk oder Sirenenwarnsysteme. Aus Sicht der Brand- und Katastrophenschutzinspekteure im Land müssen die Alarmierung, die Kommunikation und die Warnung im Katastrophenschutz Redundanzen aufweisen, also ausfallsicher sein. Das ist ein zentraler Punkt, an dem wir landesweit zurzeit mitarbeiten.

???: Wie waren die Erfahrungen für die Feuerwehrleute im Ahrtal?
Hargesheimer: Wir waren mit mehr als 70 Feuerwehrfrauen und -männern im Ahrtal im Einsatz. Erst, um im absoluten Katastrophenfall zu helfen und später dann, um die Grundversorgung der Region mit Feuerwehreinsatzkräften sicherzustellen. Für viele Kameradinnen und Kameraden war das Erlebte unvorstellbar. Die Macht der Zerstörung, aber auch das Leid der Menschen vor Ort wird ihnen wohl ewig in Erinnerung bleiben. Und doch: Der Wille, Unterstützung zu leisten, ist bis heute ungebrochen und durch die Hilfe sind auch schöne Kameradschaften und Freundschaften entstanden.

???: Welche Maßnahmen wurden inzwischen umgesetzt, was steht noch aus? Von Sirenen bis hin zu Übungen, Schulungen, Infoveranstaltungen für die Bevölkerung und vielem mehr.
Krauch: Wir schreiben unsere Alarm- und Einsatzpläne regelmäßig fort und passen unsere Konzepte an neu gewonnene Erkenntnisse an. Es ist aber tatsächlich so, dass sich die Stadt Landau bereits vor der verheerenden Flutkatastrophe im Ahrtal mit dem Um- und Ausbau ihres Sirenennetzes für den richtigen Weg bei der Bewarnung der Bevölkerung ausgesprochen hat. In der Addition mit den Warnapps Katwarn, Mowas und Nina sind wir gut aufgestellt.

Hargesheimer: Bei Bränden, bei Unfällen, bei denen Gefahrstoffe austreten, oder bei Naturkatastrophen wie an der Ahr müssen die Menschen im betroffenen Gebiet schnell informiert werden. Die Flutkatastrophe hat gezeigt, wie wichtig es ist, die Bevölkerung über möglichst viele Kanäle zu informieren. Aktuell geschieht dies bei uns mit Warnapps, per Lautsprecher, mittels Radio-Durchsage sowie – im äußersten Notfall – durch das Auslösen des gesamten Sirenennetzes. Künftig wird es möglich sein, einzelne Sirenen im Stadtgebiet gezielt auszulösen, um ein bestimmtes Gebiet zu bewarnen.

Krauch: Die Sirenen werden mit der neuesten, digitalen Alarmierungstechnik ausgestattet und haben eine höhere Reichweite als die bisherigen. Wichtig: Die Sirenensignale, die ertönen, müssen bundesweit einheitlich sein, damit die Menschen ihre Bedeutung verstehen. In Deutschland weist ein einminütiger auf- und abschwellender Heulton auf eine akute Gefahr hin; Entwarnung gibt ein ebenfalls einminütiger Dauerton. Hierzu soll es in Landau zeitnah eine Info-Kampagne geben.

???: Gibt es in Landau und Umgebung neuralgische Punkte?
Krauch: Die Stadt Landau und hier federführend ihr Entsorgungs- und Wirtschaftsbetrieb sind gerade dabei, ein Hochwasserschutzkonzept zu erstellen – auch mit viel Bürgerbeteiligung. Aber: Katastrophenschutz ist nicht nur Hochwasserschutz, sondern wir sprechen von vielen Ereignissen, die als Katastrophe bewertet werden können. Wir kennen die kritische Infrastruktur in unserer Stadt und sind auf einem guten Weg, diese für den Katastrophenfall zu sichern.

???: Welche Szenarien gibt es sonst bei uns? Ich denke bei der aktuellen Hitzewelle zum Beispiel an Waldbrände im nahen Pfälzerwald…
Hargesheimer: Das stimmt. Neben Szenarien wie Stromausfall, Gasmangel, Hochwasser etc. müssen wir auch für die Wald- und Vegetationsbrandgefahren aufgestellt sein. Hier arbeiten wir Hand in Hand mit dem Forst, aber auch mit den Feuerwehren der Verbandsgemeinden vor Ort.

???: Muss die Bevölkerung mehr sensibilisiert werden?
Krauch: Definitiv! Die Bürgerinnen und Bürger müssen mehr zur Selbsthilfe sensibilisiert werden, also dafür, sich bei einer auftretenden Katastrophe (auch) selbst helfen zu können. Dazu gehört das Wissen über die Signaltöne des Sirenennetzes, aber eben auch zum Beispiel das Bevorraten von Sandsäcken, wenn ich in einem Hochwasser-Risikogebiet lebe. Das BBK, das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, gibt hier viele Informationen auf www.bbk.bund.de. Wir planen, dies in Landau künftig noch bekannter zu machen.

???: Gibt es einen Zulauf neuer Feuerwehrleute?
Hargesheimer: Ja, diesen Zulauf stellen wir tatsächlich fest. Allerdings nicht erst nach den Ereignissen vom Ahrtal, sondern bereits mit Beginn der Corona-Pandemiezeit. Ganz besonders freuen wir uns, dass wir in Queichheim in Kürze eine komplett neue Einheit ins Leben rufen werden.

???: Was möchten Sie der Bevölkerung gerne sagen?
Hargesheimer: Wir sind da, wenn wir gebraucht werden und helfen schnell, zuverlässig und gerne. Aber auch die beste Hilfe kann nicht immer sofort zur Stelle sein, denn gerade bei großflächigen Schadenslagen können die Einsatzkräfte nicht überall gleichzeitig Hilfe leisten. Die Selbsthilfe der Bürgerinnen und Bürger ist daher ein ganz wichtiger Bestandteil, um Katastrophen schneller bewältigen zu können. Denn wer vorbereitet ist kann sich selbst, Angehörigen und Nachbarn helfen.

Randnotiz:
In den zurückliegenden Jahren wurden in Landau neue Warnsirenen aufgebaut. Landau hatte bereits vor der Hochwasserkatastrophe im Norden des Landes und der öffentlichen Diskussion über die Warnung der Bevölkerung mit der neuen Sirenen-Planung begonnen. Das moderne, flächendeckende Sirenennetz wird aus insgesamt 15 im Stadtgebiet verteilten Sirenen bestehen und steht kurz vor der Vollendung. Ziel der Stadt Landau ist es, künftig alle Bürgerinnen und Bürger im Unglücks- oder Katastrophenfall auch per Sirenenton warnen und informieren zu können. Dazu wurden die Warnsirenen im Stadtgebiet Stück für Stück ersetzt – teils an den alten, teils an neuen Standorten. Die Maßnahme wurde von einer Fachfirma begleitet, die ein entsprechendes Beschallungskonzept erstellt hat.

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Autor:

Tim Altschuck aus Kaiserslautern

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