Philosophie erweitert Perspektiven
Dr. Marcel Siegler am Gymnasium Landstuhl

Der Technikphilosoph Dr. Marcel Siegler war zu Gast im Ethikunterricht am Sickingen-Gymnasium | Foto: Marcel Siegler
  • Der Technikphilosoph Dr. Marcel Siegler war zu Gast im Ethikunterricht am Sickingen-Gymnasium
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Der Philosoph und ehemalige Schüler des SGL, Dr. Marcel Siegler, war vor den Sommerferien zu Gast im Ethikunterricht von Andrea Preis und Achim Jung in der 11. Jahrgangsstufe. Den interessierten Ethikschülerinnen und -schülern stellte er seinen Werdegang vor und berichtete über seine aktuelle Tätigkeit als Wissenschaftler und Technikphilosoph und über die Bedeutung, die insbesondere der Philosophieunterricht für ihn gehabt hat.
Seit Jahrzehnten ist das Fach Philosophie reguläres Schulfach am Sickingen-Gymnasium. Für viele Schülerinnen und Schüler war es nicht nur ein sagenhaftes Bildungsangebot, sondern auch eine ihr Leben prägende Erfahrung. Nicht wenige ehemalige Schülerinnen und Schüler unterrichten heute selbst Philosophie bzw. auch Ethik, drei sogar am Sickingen-Gymnasium selbst: Heidi DeKuiper, Christoph Wild und Andrea Preis. Einige sind sogar „richtige“ Philosophinnen und Philosophen geworden, entweder als Dozenten an der Universität, wie etwa Prof. Dr. Jerome Veith an der Seattle University in den USA oder aber als Forscher und Wissenschaftler in ganz unterschiedlichen Bereichen. Zu Letzteren ist Dr. phil. Marcel Siegler zu rechnen, der 2007 das Abitur abgelegt hat und heute als Berufsphilosoph an einem interdisziplinär ausgerichteten Forschungsinstitut in Bielefeld arbeitet. Nach einem erfolgreich abgeschlossenen Lehramtsstudium hatte sich der junge Wissenschaftler auf die Technikphilosophie spezialisiert und in diesem Bereich einen weiteren Abschluss, den Master für Philosophie, erworben, um dann in Philosophie zu promovieren.
Heute befasst sich Dr. Siegler mit Transformationsforschung und untersucht, wie komplexe kritische Infrastrukuren, z.B. im Städtebau oder in der Industrie, verbessert und weiterentwickelt werden können. Dabei gilt sein besonderes Interesse aktuell dem Gesundheitswesen in Deutschland. Zusammen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus anderen Disziplinen entwickelt er Konzepte, wie der Einsatz neuer Technologien die komplexen Systeme des Gesundheitswesens verbessern und umgestalten könnte.
Im Gespräch mit den Schülerinnen und Schülern erläuterte Dr. Siegler zu Anfang, wozu die Befassung mit Philosophie dienen kann und welche Bedeutung das Philosophieren hat. Dabei nannte er als zwei wesentliche Momente philosophischen Denkens: die Selbstreflexion und die Selbstermächtigung. Wer philosophiere, lerne innezuhalten und über sich selbst nachzudenken, was die Basis für jede persönliche Weiterentwicklung und jedes Lernen sei, nämlich das Bewusstsein eigener Fehler und Grenzen. Mit der Selbstermächtigung sei dagegen der selbst zu fassende Entschluss gemeint, seine eigene Freiheit und Autonomie zu ergreifen, um selbst über sein eigenes Leben zu entscheiden und dieses nicht von anderen bestimmen zu lassen. Das habe Immanuel Kant mit seinem berühmten Zitat gemeint: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen“. Selbstreflexion und Selbstermächtigung seien Weisen mit komplexen Situationen im Leben umzugehen. Gefragt, ob die Schüler Beispiele für Komplexität kennen würden, wies ein Schüler auf die Liebe hin. An diesem Beispiel der Liebe erörterte Dr. Siegler mit dem Kurs, wie die philosophischen Fähigkeiten der Selbstreflexion und der Selbstermächtigung dabei helfen können, die Erfahrungen, die man in diesem Feld macht, bewältigen zu können. Dabei ginge es darum mit anderen Menschen gut zusammenzuleben, indem man sich fragt, ob man für sich und die anderen auch der Mensch sei, der man sein könnte.
Philosophie zu studieren sei ein Risiko, da die Berufsaussichten sehr eingeschränkt zu sein schienen. In Wirklichkeit sei jedoch die Welt zu komplex geworden, dass die traditionellen Studiendisziplinen und Berufsfelder keine Antworten mehr auf aktuelle Probleme geben könnten. Daher würden Menschen gesucht, die über eine umfassende philosophische Schulung verfügen, um in neuen Berufsfeldern tätig werden zu können, für die es keine Ausbildung gibt. Das Philosophiestudium liefert keine Berufsausbildung, aber die Fähigkeit, sich in neue Tätigkeitsfelder und Berufe einzuarbeiten oder diese vielleicht sogar neu zu erfinden, weil sie zur Lösung drängender Problemlagen notwendig geworden sind. Das Philosophiestudium befähigt die Studierenden dazu, sich Fähigkeiten anzueignen, die für die gewählte Tätigkeit notwendig sind. Wer Philosophie studiert, hat vor und nach dem Studium scheinbar die gleiche große Freiheit, einen Beruf zu wählen. Nach dem Philosophiestudium ist die Freiheit jedoch viel größer, da man während des Studiums ein Bewusstsein davon entwickele, welche Fähigkeiten man tatsächlich habe. Philosophen arbeiteten dann in sehr unterschiedlichen Bereichen, wie zum Beispiel als Unternehmens- oder Politikberater, als Journalisten, als Manager, als Datenanalysten, als Trauerbegleiter, als Produkt oder Programmentwickler, als Eventmanager oder auch als Forscher und Wissenschaftler wie Dr. Siegler selbst. Die Philosophie erweitere die Perspektiven für das, was im Leben alles möglich sei. Auf jeden Fall sei der Lehrberuf nur ein mögliches Tätigkeitsfeld für Philosophinnen und Philosophen.
Dr. Siegler zeigte sich beeindruckt von den Fragen der Schülerinnen und Schüler, die zum Ausgangspunkt eines lebendigen philosophischen Gesprächs wurden, das ihn an seine Schulzeit erinnere. Er erinnere sich gerne an die Schule zurück. Kurioserweise sei der jetzige Ethiksaal der 11. Klasse am Schulstandort Wallhalben sein früherer Klassensaal gewesen, da er in Wallhalben die Grundschule besucht habe. Daher versetzte ihn der Besuch doppelt zurück in seine Schulzeit an der Grundschule und im Gymnasium. Vor allem der Philosophie- und Ethikunterricht bei Achim Jung sei für ihn prägend gewesen. Die Theorien von Jean-Paul Sartre und Martin Heidegger, mit denen er sich im Studium und in seiner Doktorarbeit sehr intensiv auseinandergesetzt habe, seien ihm hier am SGL zum ersten Mal begegnet. Daher bedauerte er es auch sehr, dass in der jetzigen 11. Jahrgangsstufe kein Philosophiekurs zustande gekommen ist, obwohl die Schülerinnen und Schüler die freie Wahl gehabt hätten, es in der Oberstufe zu belegen. Denn das Fach Philosophie kann, anders als an den meisten Schulen, am Sickingen-Gymnasium nicht nur als Grundfach zusätzlich zum Religions- oder Ethikunterricht gewählt werden, sondern als einziger Schule in Rheinland-Pfalz auch als Leistungskurs. Die Einrichtung des Philosophie-Lk im Jahr 2014 ist eine der vielen Initiativen, durch die die Schulleiterin Andrea Meiswinkel, die jetzt in Ruhestand geht, das Sickingen-Gymnasium geprägt hat. 
Dr. Siegler zeigte sich jedoch sehr erfreut darüber, dass dieses besondere Bildungsangebot bei der letzten Fächerwahl wieder von so vielen Schülerinnen und Schülern angenommen worden ist, dass es im nächsten Schuljahr am SGL in der 11. Jahrgangsstufe erneut einen Leistungskurs in Philosophie geben wird. Damit wird diese einmalige Tradition am SGL fortgesetzt, so dass es weiterhin Philosophinnen und Philosophen gibt, deren Geschichte am SGL ihren Anfang nimmt.

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Autor:

Achim Jung aus Landstuhl

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