Rufe, Angst und Panik im Bus: Von einer Horrorfahrt mit dem Schienenersatzverkehr
Landstuhl. Ein solches Schreckensszenario hatte Stefan Schröder auf einer Reise mit der Deutschen Bahn nicht erwartet: Weil eine Zugverbindung ausfiel, musste er mit dem Schienenersatzverkehr fahren. Die Busfahrt entpuppte sich als der blanke Horror für ihn und seine Mutter Annemarie. Der ausländische Fahrer sprach kein Deutsch und kannte die Strecke nicht. Er raste über die regennasse Straße und vollführte ein waghalsiges Wendemanöver auf offener Straße. Als Schröder und seine Mutter den Notruf wählten, half ihnen auch die Polizei nicht. Schließlich strandeten sie mitten in der Nacht am Bahnhof in Glan-Münchweiler. Ohne irgendeine Möglichkeit, nach Hause zu kommen.
Von Cynthia Schröer
Noch immer wirkt Stefan Schröder aufgeregt, wenn er die Erlebnisse von jeder Schreckensnacht am 9. September erzählt. " Ich bin hochgradig seh- und hörbehindert. Ich hatte einfach nur Angst", sagt er. Bis zum Bahnhof in Landstuhl verlief seine Heimreise von den Paralympics in Paris mit seiner Mutter Annemarie problemlos. Um 22.17 Uhr wollten die beiden in Landstuhl mit der Bahn nach Kusel fahren, aber die Verbindung entfiel. Zehn Minuten später sollte ein Ersatzbus die Passagiere nach Glan-Münchweiler bringen. Dort sollten sie um 23.00 Uhr ankommen und um 23.10 Uhr in die Regionalbahn nach Rehweiler, Schröders Heimatort, umsteigen. So der Plan. Die Realität sah anders aus.
Bus kommt 20 Minuten zu spät
„Der Bus kam 20 Minuten zu spät“, berichtet Schröder. Der Fahrer sprach weder Deutsch noch Englisch. Die Fahrt nach Glan-Münchweiler war für Schröder die Hölle, sagt er. „Der Busfahrer fuhr permanent zu schnell. Und das, obwohl die Straße nass war. Er hatte keinerlei Ortskenntnisse. Während der kompletten Fahrt hat er ständig von der Straße weg auf das Navi auf seinem Handy geschaut." Einer der drei Passagiere, die mit Schröder und seiner Mutter im Bus waren, sprach Griechisch und konnte sich rudimentär mit dem Fahrer verständigen. Diesem sagte der Fahrer, dass er die Strecke überhaupt nicht kenne und sie noch nie gefahren sei.
Waghalsiges Wendemanöver
Als der Fahrer nach Ramstein bei Obermohr wegen einer Baustelle nicht weiterfahren konnte, wendete er den Bus in einem waghalsigen Manöver auf der Landstraße. „Die Passagiere haben gerufen. Sie hatten alle Angst“, erinnert sich Schröder, der daraufhin den Notruf wählte. Er schilderte dem Polizisten am anderen Ende der Leitung seine Lage. "Ich habe auch deutlich auf meine Hilflosigkeit aufgrund meiner Behinderung hingewiesen." Doch die Verbindung brach ab. Eine Minute später rief ihn die Polizeiinspektion Kusel zurück, die für dieses Gebiet zuständig ist. Auch dieses Gespräch verlief enttäuschend: „Der Polizist sagte eiskalt: ,Da liegt keine Straftat vor. Das ist keine Angelegenheit für die Polizei.‘ Wir sollten uns an die Deutsche Bahn wenden. Dann hat er einfach aufgelegt“, erzählt Schröder noch immer fassungslos.
Als die Angst bei Schröders Mutter immer größer wurde, wählte sie erneut den Notruf. Sie schilderte abermals den Sachverhalt, betonte auch, dass alle Fahrgäste Angst hätten, dass sie sich in einer Notlage befänden. Sie erhielt die gleiche Antwort wie ihr Sohn: Das sei kein Fall für die Polizei. Auch dieser Polizist habe kommentarlos aufgelegt, sagt Stefan Schröder.
Mitten in der Nacht an Bahnhof gestrandet
Schließlich erreichte der Bus sein Ziel: den Bahnhof Glan-Münchweiler. Um 23.40 Uhr. Satte 40 Minuten später als geplant. Die Regionalbahn, die Schröder und seine Mutter nach Rehweiler bringen sollte, war seit einer halben Stunde weg. Der nächste Zug fuhr erst in den Morgenstunden. „Wir haben den Busfahrer gebeten, uns noch weiter zu befördern, weil kein Bus oder Zug mehr fährt. Aber er bestand lautstark darauf, dass alle Gäste den Bus sofort verlassen. Dann schloss er die Türen und fuhr einfach weg“, sagt Schröder.
Da standen sie nun. Mitten in der Nacht allein am Bahnhof. „Wir haben versucht, ein Taxi zu rufen. Vergeblich. Bei den lokalen Taxiunternehmen erreicht man niemanden mehr unter der Woche mitten in der Nacht.“ Auch die Notrufzentrale der Deutschen Bahn brachte sie nicht weiter. Dort war eine Ansage zu hören, dass man sein Anliegen auf Band sprechen solle und morgens ab 6 Uhr zurückgerufen werde. Glücklicherweise erreichten Schröder und seine Mutter ein Familienmitglied, dass sie abholte. Die anderen Fahrgäste sind wohl in die nächste Ortschaft gelaufen.
Was Polizei und die Bahn sagen
Ein Pressesprecher der Polizei bestätigt, dass Schröders Notruf bei der Polizeiinspektion Kusel eingegangen war. Die Zuständigen hätten sich diesen nochmals angehört. Ihr Ergebnis: "Da es während des Telefonats immer wieder zu Verbindungsabbrüchen kam, war es nicht möglich, überhaupt zu erfahren, was der Grund des Notrufs war. Letztendlich brach der Anruf komplett ab", berichtet der Polizeisprecher.
"Bei einem Rückruf seitens des wachhabenden Kollegen war die Konversation ebenfalls nur bruchstückhaft möglich, bis wieder der Anruf abbrach. Weitere Rückrufversuche der Polizei blieben unbeantwortet. Durch die Informationen, die der Kollege an diesem Abend aufgrund der schlechten Mobilfunkverbindung verstanden hatte, war für die Polizei nicht von einer Notsituation auszugehen."
Die Wochenblatt-Redaktion wollte sich von dem Anruf selbst ein Bild machen und sich die Aufzeichnung anhören. Das lehnte die Polizei mit Verweis auf Datenschutz und Persönlichkeitsrechte aller Beteiligten ab.
Der Notruf, den Schröders Mutter tätigte, ging laut Polizeisprecher bei der Polizeiinspektion Landstuhl ein. Warum die Polizei hier aufgelegt hat, ließ er unbeantwortet.
Polizei ermittelt gegen Deutsche Bahn
Nachdem das Wochenblatt der Polizei besagte Busfahrt aus Schröders Sicht geschildert hatte, sei "intensiv geprüft worden", ob die Bahn ihre Fahrgäste fahrlässig gefährdet und damit eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit begangen hat. Das sei nicht der Fall gewesen. Auch die Personalien und der Führerschein des Busfahrers seien überprüft worden. Das sei alles in Ordnung gewesen.
Bahn entschuldigt sich
Und was sagt die Deutsche Bahn zu dem Vorfall? "Wir möchten unser Bedauern über die geschilderte Fahrt zum Ausdruck bringen und uns bei Herrn Schröder und seiner Mutter ausdrücklich entschuldigen", sagt eine Bahnsprecherin. Grundsätzlich beauftrage die DB für ihre Ersatzverkehre bundesweit verschiedene eigenständige Subunternehmen. Die Auswahl der jeweiligen Fahrer obliege den Busunternehmen selbst. "Das Busunternehmen teilte uns mit, dass der betreffende Fahrer den regulären Einstellungsprozess des Busunternehmens (schriftliche Bewerbung, Bewerbungsgespräche, Vorlage der notwendigen Qualifikationen) erfolgreich durchlaufen hat." Nach Auskunft des Busunternehmens sei mit dem betreffenden Busfahrer noch am Vormittag des besagten Tages die geplante Strecke abgefahren worden, damit er die notwendige Ortskenntnis erlangt, sagt die Bahnsprecherin. Die Strecke sei erst nach dieser Testfahrt gesperrt worden. Das bestätigt auch die Polizei. Laut Bahnsprecherin habe der Busfahrer daher in Absprache mit der Leitstelle eine alternative, längere Route gewählt, wegen der er den Anschluss an weitere öffentliche Verkehrsmittel nicht mehr erreichte. Die Frage, warum der Anschlusszug nicht auf die Passagiere im Bus gewartet hat und was Schröder und seine Mutter in dieser Situation hätten tun sollen, ließ die Bahnsprecherin unbeantwortet. "Als Zeichen unseres Bedauerns und als kleine Wiedergutmachung würden wir der Familie gern einen Gutschein zukommen lassen", bot sie als Wiedergutmachung an.
Autor:Cynthia Schröer aus Landstuhl |
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