Salischer Kirchenraub
Alles nur geraubt
Pfalz. Die Bürger von Grünstadt, Kallstadt, Oggersheim, wachenheim und etlicher anderer Orte in der Pfalz wohnen auf Diebesgut. Das jedenfalls behaupten die Mönche vom Kloster Weißenburg.
Salierherzog Otto I. nimmt 68 Orte
Plötzlich taucht er mit Rittern auf. Im Jahr 985 reitet der Salierherzog Otto I. mit Schwert und Gefolge zum Kloster Weißenburg im heutigen Elsass und zwingt die Mönche mit dem Schwert, einen großen Teil ihres Landbesitzes an ihn abzutreten. Insgesamt 68 Orte in der ganzen Pfalz nimmt er sich. Die meisten Güter vergibt der Herzog noch an Ort und Stelle als Lehen an seine Gefolgsleute. So schildern es die Mönche. Sie empören sich über den „Salischen Kirchenraub“.
Tatsächlich erhielt Herzog Otto I., genannt Otto von Worms, um 985 Ländereien in seiner angestammten Heimat am Ober- und Unterrhein. Es waren Entschädigungen für das Herzogtum Kärnten, das er an Heinrich III. von Bayern abtreten musste. Bei den Entschädigungsgebieten waren viele Ortschaften, die zum Besitz des mächtigen Klosters Weißenburg gehörten. Diese vom Speyerer Bischof um 660 gegründete Benediktinerabtei hatte sich schnell zu einem der reichsten und kulturell bedeutendsten Klöster im Fränkischen Reich entwickelt. Um 860 erschuf der Mönch Otfried von Weißenburg hier mit dem Evangelienbuch einen Meilenstein in der Entstehung der deutschen Sprache.
Salier waren die Zukunft
985 standen die Weichen jedoch auf Wandel: Die Salier waren das Geschlecht der Zukunft, das Kloster war auf dem absteigenden Ast. Mit Konrad II. wird 1024 der Enkel Otto I. Kaiser und Heinrich IV., ein weiterer Salier auf dem Thron, wird sich mit Kirche und Papst anlegen.
Ob Otto zur Durchsetzung seiner Forderungen in Weißenburg wirklich Gewalt anwendete ist auch unwahrscheinlich. Vielmehr war es wohl so, dass das Kloster gezwungen wurde, Otto die Ländereien als Lehen zu überlassen. Sie blieben so formal im Besitz des Klosters. Adelige betrachteten ihre Besitztümer jedoch schon nach kurzer Zeit als freies Eigentum. So kam es aus ihrer Sicht zu keinem Raub, sondern lediglich zu einer Umverteilung von Besitz innerhalb des Reiches.
Die Mönche sahen das freilich anders. Dreihundert Jahren später noch beklagt sich der Abt des Klosters Weißenburg über den Raub der Güter. Durch „feindselige Unterdrückung“ und „unrechtmäßig angemaßte Vollmacht“ habe sich Herzog Otto den Besitz des Klosters angeeignet, lässt Abt Edelin im 13. Jahrhundert festhalten. In seinem Güterverzeichnis des Klosters, dem Codex Edelin, listet er peinlich genau jede einzelne Ortschaft auf, die dem Kloster damals verloren ging. Die Besitzer der ehemaligen klösterlichen Güter sollten nun „endlich in sich gehen, an ihr Seelenheil denken und das Eigentumsrecht unseres Klosters anerkennen“, schriebt er im Vorwort.
Edelins Codex ein Glücksfall
Offensichtlich war der Codex ein verzweifelter Versuch, den fortschreitenden Verlust von Gütern aufzuhalten und verlorene Gebiete zurück zu gewinnen. Doch es half nichts. Das Kloster Weißenburg sollte sich vom massiven Gebietsverlust nicht mehr erholen und verlor in den folgenden Jahrhunderten immer mehr an Bedeutung. Im 16. Jahrhundert waren von den einst tausenden klostereigenen Höfen nur noch ganze drei übrig, 1546 wurde das völlig verarmte Kloster in ein weltliches Stift umgewandelt. Heute erinnert nur die ehemalige Kirche der Abtei im französischen Wissembourg an die Macht, die dieser Ort einmal ausgestrahlt hat. Der Codex von Edelin ist allerdings für die Geschichtsschreibung ein Glückfall: Viele Ortsnamen in der Pfalz werden hier erstmalig urkundliche erwähnt. nih
Autor:Dehäm Magazin aus Ludwigshafen | |
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