Besuch vom Katzenmarder: Pfälzer Weihnachtsbräuche im Wandel der Zeit
Pfalz. Weihnachten feiert man in westlichen Kulturkreisen heute überall mit ähnlichen Bräuchen. Was war und ist typisch an der Pfälzer Weihnacht? Von mardergesichtigen Gruselgefährten des Nikolaus, sprechenden Eseln auf Hausbesuch, Gebäck als Wachstumsfaktor und anderen Pfälzer Spinnereien.
Nikolaus und Santa Claus
Männer im roten Bischofsgewand zogen schon seit dem 12. Jahrhundert als Nikolaus, Schutzpatron und Freund der Kinder, am 5. Dezember von Haus zu Haus der guten, katholischen Familien in den Städten der Vorderpfalz. Im 13. Jahrhundert fand der Nikolausbesuch breite Anerkennung, auch im Mittelstand und weniger wohlhabenden Familien.
Dem Pfälzer Karikaturist Thomas Nast gelang mit seinem Bild „Santa Claus in Camp“ der endgültige Durchbruch in seiner Wahlheimat USA. Er erschuf dort die amerikanische Kultfigur Santa Claus, die es zunächst auf den Titel einer namhaften Zeitschrift schaffte und damit Hoffnung in die Militärcamps der Nordamerikanischen Armee während des Bürgerkriegs brachte, bei dem es auch ums Ende der Sklaverei in den Südstaaten ging. Manche Geschichtsdeuter behaupten, der Nikolaus kam als Weihnachtsmann über den großen Teich zu uns zurück. Verbreiteter ist die Auffassung, dass Nikolaus durch die Säkularisierung zum modernen Weihnachtsmann wurde, der heute nicht mehr in kirchlicher Tradition auftritt.
Dunkle Gefährten
Nikolaus hatte bis ins 20. Jahrhundert immer wieder andere fiese Begleiter dabei. In den protestantischen Orten der Pfalz wehrte man sich seit der Reformation gegen die katholische Heiligsprechung von Menschen, und damit auch gegen die Heiligenverehrung des byzantinischen Bischofs. In der Pfalz, in der die Evangelische Bevölkerung dominierte, schaffte man das Nikolausmärchen daraufhin vielerorts ab. Die Hauptrolle strich man ganz – nur die Nebenrolle war noch besetzt: in der Pfalz mit dem Janusgesicht Belzenickel. Er zog drei Wochen lang durch die Dörfer, beschenkte die fleißigen, braven Kinder – verteilte Schelte, drohte den Aufmüpfigen oder züchtigte die ganz Nichtbraven.
Die dunklen Gefährten wandelten je nach Landstrich ihre Gestalt. In Rheinzabern gesellte sich der Äneresel, also der Esel des Heiligen Andreas, zum Christkind. Im südpfälzischen Herxheim gilt der Katzemartel, ein Katzenmarder, als böser Begleiter des Nikolaus.
Christkind
Das Christkind kam schon vor Luther in die Pfalz, um die Kinder Rede und Antwort stehen zu lassen. Mit der Reformation kam es vor allem in evangelische Orte. In den Städten koexistierten die evangelische und katholische Brauchtumsformen oft, bei denen mal der Nikolaus, mal das Christkind, mit dunklen Begleitern oder alleine unterwegs waren. In einigen Orten waren sie auch zu zweit und ohne dunklen Gesellen unterwegs. Unter den Pfälzer Migranten in Pennsylvania ist die Tradition nur mit gutmütigem Nikolaus und Christkind überliefert und wird bis heute gelebt.
An Weihnachten kam das Christkind mancherorts in die Häuser, um Geschenke im Haus für die Kinder zu verstecken. In den Dörfern um Bergzabern und Dahn, in Fischbach und Klingenmünster, sind auch Christkind-Umzüge von Haus zu Haus an Weihnachten und dem Nikolaustag bekannt. Laut Legende lauschte es mit Belzenickel vorab am Fester, ob die Kinder brav waren.
Das Christkind kam bis in die Nachkriegszeit in die Häuser, um die Kinder zu examinieren und den Begleiter bei Bedarf zu hinzuzurufen. In sechs Gemeinden im Kreis Südliche Weinstraße und in Orten von Dahn, Hauenstein und im Kreis Primasens hält sich der Brauch bis heute.
Sprechende Esel
Belzenickels Esel nahm in den Bergregionen selbst den Charakter des vermummten bösen Begleiters des Christkinds ein. Er ließ seinen Reiter zuhause, lernte sprechen und Stöße verteilen, etwa in Rheinzabern, Klingenmünster und Gossersweiler. Mancherorts kam er zusammen mit Belzenickel und Christkind.
Pfälzer Leckereien
In der mittelalterlichen Pfalz erglühte der Himmel im Winter abends in allen Rottönen – und auch lange nach Sonnenuntergang noch, weil das Christkind den Backofen angeschmissen hatte. Das erzählten die Mütter den Kindern. Die Weihnachtsgebildbrote, 20 bis 30 Zentimeter hohes Gebäck in Puppenform steht bis heute in einzelnen Orte im Westrich auf der Bestenliste an Weihnachtsgebäck. Was in der westlichen Westpfalz, in Ludwigswinkel, Pleisweiler, Herrschweiler-Pettersheim die Gebildbrote als typische Geschenke der Paten sind, waren in der Vorderpfalz die hörnchenförmigen Christdeihen. Der Name der 15 bis 60 Zentimeter langen Brote verrät: Sie sind ein Wundermittel. Ihre gedeihliche Kraft wird auf die Menschen übertragen. Variationen gibt es je nach Region: In Weisenheim am Sand legte man Obst zwischen den Teig, in Dudenhofen verzierte man das Gebäck durch eingeschnittene Sterne und in Ruchheim wurden Brezeln aufgebacken. In Otterstadt ist ein Länge von 70 Zentimetern überliefert.
Das Traditionsgebäck verschenkt man heute kaum noch. Modeplätzchen und Dauerbrenner wie Vanillekipferln, Basler Brunsli, Zimtsterne und Buttergebackenes toppen heute die Bestenliste.
Weihnachtsbaum
Der Christbaum aus Alemannien wanderte im Spätmittelalter in die Südpfalz, dann in die Westpfalz ein – zunächst als mit Süßigkeiten und Kerzen geschmückter Zweig. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts ersetzten kleine Tannen die Zweige, die in der Ecke oder am Fenster hingen. Erst seit Ende des 19. Jahrhunderts stellt man Tannen und Fichten im Wohnzimmer auf. Die ausgewanderten pennsylvanischen Pfälzer hängten in den USA ihre Bäume in alter Tradition noch bis ins 20. Jahrhundert auf.
Die Vorderpfälzer und Kurpfälzer begannen den Weihnachtsbrauch schon viel früher. Dort landeten immergrüne Buchsbäume aus dem Garten bereits seit 1650 geschmückt im weihnachtlichen Wohnzimmer.
Üppiger Weihnachtsschmuck aus Glas, Flitter und Weihnachtskugeln kam erst Anfang des 20. Jahrhunderts auf. Essbares und Goldnüsse findet man heute nur höchstens noch in Uropas Wohnzimmer. jg
Autor:Julia Glöckner aus Ludwigshafen |
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