Digitalisierung hängt Ältere ab: Digitalisierungsbotschafter helfen wieder Zugang zum Alltag zu finden
Ludwigshafen.Vielen Älteren ohne PC oder Iphone droht in unserer Gesellschaft der Ausschluss. Bürgeramtstermine bekommt man nur noch im Internet. Banküberweisungen, günstige Bahntickets, selbst Termine bei manchen Ärzten lassen sich noch online buchen. Die Digitalbotschafter aus Ludwigshafen ermöglichen Älteren wieder digitale Teilhabe.
Was Arztpraxen, Banken, die Deutsche Bahn in Zeiten des Fachkräftemangels enorm entlastet und die ächzende Verwaltung vor dem Kollaps bewahrt – die Digitalisierung – stellt vor allem die ältere Generation vor Hürden. Manche Ältere lässt sie außen vor. Denn vieles ist nur noch möglich, wenn man in der digitalen Welt unterwegs ist: Im Internet einkaufen und Bezahl-Apps oder Kreditkarten dafür nutzen, einen Termin bei der Krankenkasse bekommen oder bei so manchem Facharzt. Denn in manchen Praxen geht niemand mehr ans Telefon. Man muss über einen externen Terminvergabeservice eine Sprechstunde buchen.
Die Digitalbotschafter ermöglichen wie überall in der Pfalz Älteren wieder Zugang zum Alltagsgeschehen. Meist geht es ums Einrichten von Handys sowie von Anwendungen und Apps, die man dann im zweiten Schritt bedienen lernt. „WhatsApp steht aktuell an erster Stelle und das Nutzen von E-Mail-Apps“, sagt Digitalbotschafter Peter Fellmann. Das ist auch Gerda Müllers (Name geändert) Ansuchen beim Besuch der Sprechstunde in der Stadtbibliothek. „Ich bin jetzt über 80 Jahre alt und will Erwartungen an mich erfüllen. Heute will ich lernen, wie man Fotos aus WhatsApp richtig speichert.“ Für ihre Enkel und Kinder ist WhatsApp Alltag geworden. Sie wollen Fotos schicken und per WhatsApp kommunizieren.
Die Vorkenntnisse der sieben Besucher sind wie immer sehr unterschiedlich. Manche sind zum Schnuppern da. Andere sind mit speziellen Fragen gekommen. Eine Besucherin will nochmal das E-Mail-Schreiben gezeigt bekommen, eine weitere will eine Foto-Tan installieren. Die Digitalbotschafter führen Schritt für Schritt durch die Anwendungen, dann klicken sich die Senioren selbst durch die Apps. Die Betreuungsrelation ist gut: Pro Besucher gibt es einen Digitalbotschafter. Das Angebot soll möglichst niederschwellig sein. Neben den Sprechstunden an acht Orten im Stadtgebiet bieten die Digitalbotschafter auch Hausbesuche an. Oder sie treffen sich in einem Café mit WLAN mit den Senior:innen, wenn es zu Hause kein WLAN gibt. „Es braucht Geduld und Ruhe. Die Lernerfolge sind sehr gut“, erklärt Gerhard Christoph. „Selbst einer dementen Frau habe ich einige Anwendung erklären können.“
Unsicherheit, Berührungsängste oder eine Verweigerungshaltung, im Alter von über 70 oder 80 nichts mehr lernen zu wollen, können blockieren. „Viele Ältere haben Angst, dass sie das Internet kaputt machen, wenn sie Fehler machen oder dass ihre Nachrichten im falschen Chat oder Postfach landen. Wir nehmen solche Ängste und Blockaden, zeigen, dass man nichts kaputtmachen kann und dass es egal ist, wenn eine Nachricht mal woanders landet als erwünscht“, erklärt Fellmann.
Digitale VHS-Kurse richten sich dagegen an Fortgeschrittene. „Ein Thema wird pro Abend im Kurs durchgezogen. Es gibt eine Klickdemonstration über eine Wandprojektion. Fragen sind erst im Anschluss möglich. Das geht für Ältere oder Anfänger zu schnell“, erklärt Fellmann. „Bei uns können die Älteren Fragen stellen und alles selbst erledigen. Wenn man es nicht einmal selbst gemacht hat, kann man eine neue Anwendung nur schwer lernen.“
Technische Teilhabe bietet auch viele neue Chancen für Senioren: Gute Kenntnissen bei der Nutzung digitaler Endgeräte können den Alltag erleichtern. So gibt es Smarthome-Lösungen wie etwa Alexa, mit der man den Garten bewässern kann, den Grill für die Gartenparty anschmeißen oder Lampen steuern kann, damit die dunkle Wohnung nachts nicht zu Stolperfalle wird. Es lässt sich auch viel Geld sparen: bei Zeitungsabos etwa, die online immer günstiger sind als in Print oder mit der Bedienung von Steuertools, um die Netto-Rente aufzubessern. jg
Weitere Informationen
Unter dem Credo Digitale Teilhabe finden Sprechstunden der 17 Digitalbotschafter, die einem losen Verbund des Landes angehören, an acht Locations im Stadtgebiet statt. Interessierte können nach Anmeldung teilnehmen. Die Sprechstunden:
Ehrenamtsbörse „Vehra“, am 1. und 3. Dienstag im Monat, von 14 bis 16 Uhr, Ludwigsplatz 10; Anmeldung unter 0621 678409 (Mo bis Do von 10 bis 13 Uhr) oder unter anmeldung-dibo-vehra@gmx.de
Stadtbibliothek Ludwigshafen, am 2. und 4. Donnerstag im Monat, von 15.30 bis 17 Uhr und von 17 bis 18.30 Uhr, Bismarckstraße 44-48; Anmeldung unter 0621 5042611 (Di bis Fr von 10 bis 19 Uhr, Sa von 10 bis 15 Uhr) oder unter karina.arena@ludwigshafen.de
Stadtteil-Bibliothek Edigheim, am 4. Mittwoch im Monat, von 17 bis 19 Uhr; Bürgermeister-Fries-Straße 14; Anmeldung 0621 5042590 (Mi von 10 bis 12 Uhr und 13 bis 18 Uhr, Fr von 10 bis 12 und 13 bis 17 Uhr) oder unter anmeldung-dibo-edigheim@gmx.de
Maximilianstift Maxdorf, am 2. Montag im Monat, von 15 bis 17 Uhr, Wormser Straße 10, Anmeldung unter 06237 406380
Café Digital Mutterstadt, jeden Dienstag von 14 bis 17 Uhr, Jahnstraße 4, Anmeldung unter 01520 9434379 oder unter frank@wiening-lu.de
Pamina Rheinallee, am 1. Donnerstag im Monat, von 14.30 bis 16.30 Uhr, Rheinallee 22, Anmeldung unter 0621 685549401 oder unter 0176 15061102
Pamina Mundenheim, am 2. Mittwoch im Monat, von 14.30 Uhr bis 16.30 Uhr, Weinbietstraße 36; Anmeldung unter 0621 685549306 (Mo bis Frei von 9 bis 17 Uhr)
Schillerstift Oggersheim, am letzten Montag im Monat von 15 bis 17 Uhr, Kapellengasse 25, Anmeldung unter 0621 68820 (Mo bis Fr von 8.30 bis 17 Uhr)
Autor:Julia Glöckner aus Ludwigshafen |
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