Unterstützungsaktionen in den Ludwigshafener Notwohngebieten
Lebensmittel und Spielesammlungen
Von Charlotte Basaric-Steinhübl
Ludwigshafen. In den Ludwigshafener Notwohngebieten in der Bayreuther Straße und Mundenheim-West (Flur- und Kropsburgstraße) ist die Gefahr einer Ansteckung mit dem neuen Coronavirus besonders groß: Dort wohnen oft mehrere Menschen auf beengtem Wohnraum zusammen, die Hygienemöglichkeiten sind stark begrenzt. Und dabei ist die Gefahr für sie besonders hoch, denn viele von ihnen haben Vorerkrankungen. Die Ökumenische Fördergemeinschaft Ludwigshafen GmbH (ÖFG) bietet vor Ort mehrere Unterstützungsaktionen an, um den Menschen vor Ort in der „Coronakrise“ beizustehen. Im Interview mit Wochenblatt-Redakteurin Charlotte Basaric-Steinhübl erläutert Walter Münzenberger, Geschäftsführer der ÖFG, die aktuelle Situation.
???: Die Ökumenische Fördergemeinschaft unterstützt seit nahezu 50 Jahren Menschen in den sogenannten Einweisungsgebieten. Was bieten Sie an?
Walter Münzenberger: Wir begleiten und unterstützen Kinder, Jugendliche und Familien, beraten und unterstützen alleinstehende Menschen und Flüchtlinge in den Notwohngebieten, wir betreuen unbegleitete minderjährige Ausländer und organisieren medizinische Versorgung für Menschen am Rand der Gesellschaft, die den Zugang zum regulären Gesundheitssystem verloren haben (Street Doc). In den benannten Wohngebieten sind wir mit verschiedenen Einrichtungen und Angebote vor Ort. In Mundenheim-West mit dem Jugendzentrum Mundenheim und Haus der Begegnung, unter anderem mit Sozialberatung, Freitagstreff, dem Frauenprojekt f.e.m. Im Bereich der Bayreuther Straße sind zwei unserer Kindertagesstätten, der Emmi-Knauber-Hort und die Spiel- und Lernstube Abenteuerland, der Jugendclub und Mädchentreff Bliesstraße und die Gemeinwesenarbeit im Stadtteilzentrum West mit der Sozialberatung und den Angeboten der Kochgruppe, Repair Café, Kleiderkammer, Jugendtreff et cetera im Treff 91.
???: Wie hat sich Ihre Arbeit durch die Corona-Krise geändert?
Walter Münzenberger: Aufgrund der anhaltenden Verbreitung des Coronavirus mussten auch wir unsere Angebote einschränken. Die Kindertagesstätten bieten eine Notgruppe an, die Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit und die Angebote der Gemeinwesenarbeit mussten wir schließen. Seit Beginn der Krise halten die Einrichtungen der ÖFG aber den Kontakt zu den Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen aufrecht. Dies geschieht überwiegend über die Sozialen Medien, so wird beispielsweise eine Lernhilfe über Skype angeboten, aber auch über Telefon oder unter Einhaltung der Hygienestandards bei einem Treffen im Freien.
???: Sie kennen sehr genau die Situation vor Ort, die Sorgen und Probleme der Menschen. Wie sieht es aktuell aus?
Walter Münzenberger: Die Menschen in den Ludwigshafener Notwohngebieten wohnen in sehr beengten Verhältnissen, sie haben weder Garten noch Balkon. Durch die aktuelle Kontaktsperre und die vorübergehende Schließung verschiedenster Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Sportvereine oder der Tafel, hat sich die Lebenssituation zusätzlich erschwert.
???: Wie hoch sehen Sie die Gefahr einer Ansteckung?
Walter Münzenberger: Viele Wohnungen sind in einem schlechten baulichen Zustand, nur mit Öl-Einzelöfen zu beheizen und haben häufig Schimmelbefall. Etliche der Wohnungen haben kein eigenes Bad, die Bewohner müssen auf Sammelduschen zurückgreifen. In Wohngemeinschaften mit zwei bis vier Personen gibt es zudem kaum Möglichkeiten, die geforderten Mindestabstände einzuhalten. Bedingt durch den Konsum von Alkohol, Zigaretten und Drogen und die schlechten Wohnbedingungen, sind die Menschen hier anfälliger für Krankheiten. Viele leiden unter Lungenerkrankungen. Die Ängste vor einer Ansteckung sind in den Einweisungsgebieten natürlich genauso existent wie überall. Es ist zu befürchten, dass sich das Virus, wenn es einen Fall gibt, ähnlich wie in der Asylsammelunterkunft, unter diesen Umständen sehr schnell verbreiten wird.
???: Welche Unterstützung benötigen die Menschen zusätzlich in der Corona-Krise?
Walter Münzenberger: Wir haben versucht den Bedarf vor Ort festzustellen und es wurde daraufhin die Idee geboren, in den Notwohngebieten sowohl Lebensmittel für die AnwohnerInnen, als auch Spiele für die Kinder zu verteilen. In den vergangenen Wochen wurden über eigene Spendenmittel in beiden Notwohngebieten insgesamt 580 Lebensmitteltüten im Wert von 3100 Euro und Lebensmittelgutscheine im Wert von 990 Euro verteilt. Als Kooperationspartner konnten wir REWE Südwest und „Bäcker Görtz“ gewinnen. Kurz nach Ostern überraschte der REWE Markt in Mundenheim die Fördergemeinschaft dann mit einer Warenspende in Höhe von 1.000 Euro. So konnten nochmals 110 Lebensmitteltüten in Mundenheim-West verteilt werden.
Außerdem erhielten wir durch die Corona-Sofort-Hilfe der Aktion Herzenssache eine Unterstützung in Höhe von 11.000 Euro. Davon werden 8.000 Euro verwendet, um Lebensmittelgutscheine auszustellen. Pro Person gibt es einen Bon über zehn Euro. Eine fünfköpfige Familie erhält somit 50 Euro. Für 2000 Euro der Herzenssache-Spende kauft die Fördergemeinschaft beliebte Spielesammlungen und gibt sie Familien weiter. Diese Spenden wurden gerade verteilt und erfreut angenommen.
???: Die Corona-Krise wird uns wohl noch lange beschäftigen. Wie sieht Ihre weitere Planung aus?
Walter Münzenberger: Wie in anderen Bereichen auch, wollen wir unsere Angebote unter Einhaltung der Hygienerechtlichen Bestimmungen langsam wieder anlaufen lassen. Die Kindertagesstätten werden weiterhin die Notgruppen anbieten, wie vom Land vorgesehen, auch für einen erweiterten Personenkreis. Insbesondere auch für Kinder, bei denen die Betreuung im Sinne des Kindeswohls geboten ist. Die Nachfrage nach pädagogischer Unterstützung in den Familien ist für unseren Arbeitsbereich der Hilfen zur Erziehung eine große Herausforderung, hier werden wir voraussichtlich zusätzliche MitarbeiterInnen brauchen. Die Unterstützung der Kinder und Jugendlichen im schulischen Bereich wird in den Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit und bei den sozialpädagogischen Gruppenangeboten an Schulen, mit der stufenweisen Öffnung der Schulen, ebenfalls wieder aufgenommen. Geplant ist auch, bis Mitte Mai die Sprechstunde des Street Doc wieder zu öffnen. Die Gemeinwesenarbeit ist derzeit in Planung, wie und unter welchen Voraussetzungen sie die Angebote im Haus der Begegnung und im Treff 91 wieder anbieten kann.
Grundsätzlich werden wir versuchen, unsere Angebote auf die stetig wechselnden Bedingungen zeitnah einzustellen. Zentral für uns ist es, weiterhin mit den Bewohnern der Einweisungsgebiete in Kontakt zu bleiben und sich mit ihnen für ihre Belange einzusetzen.
???: Danke für das Interview und danke für Ihr Engagement! bas
Weitere Informationen:
www.foerdergemeinschaft.de
Autor:Charlotte Basaric-Steinhübl aus Ludwigshafen |
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