Rhein-Pfalz-Kreis ist nitratbelastet, doch der Schadstoff nimmt im Grundwasser ab
Rhein-Pfalz-Kreis. Laut Nitratbericht des Umweltbundesamts (UBA) sinkt die Nitratbelastung in Grundwasser und Böden. Im Rhein-Pfalz-Kreis sowie auf Fluren um Ludwigshafen, Frankenthal, Speyer gehen die Nitratwerte stark zurück. Laut UBA ist der Hauptgrund dafür, dass Landwirte das 2020 verschärfte Düngerecht genauer umsetzen – dabei helfen etwa neue Apps zur genauen Berechnung des Nährstoffbedarfs, Schulungen sowie strengere Dokumentationspflichten.
Von Julia Glöckner
Nitrate sind Stickstoffe, die das Pflanzenwachstum fördern. Sie sind potenziell krebserregend und umweltschädlich. Zu viel Dünger, der von den Pflanzen nicht vollständig aufgenommen wird, sickert ins Grundwasser ein und gelangt von dort in Flüsse, Seen und ins Meer. Dort trägt er zum Aussterben von Pflanzen- und Tierarten bei. Daher schreibt die EU einen Nitrat-Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter Grundwasser vor.
Zwischen 2018 und 2020 gab es einen Streit zwischen EU-Kommission und Deutschland, der in einer erfolgreichen Klage der Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof endete. Die Kommission befand die EU-Düngerecht als zu lasch, um erlaubte EU-Nitratgrenzwerte einzuhalten. Es gab zu viel Nitrat in Böden, Seen, Flüssen und Meer, an 28 Prozent der Messstellen im Bundesgebiet wurde 2015 der Grenzwert von 50 mg/l überschritten. Auf Druck der Kommission musste Deutschland 2020 sein Düngerecht verschärfen. Seither gelten längere Sperrfristen im Herbst und Winter. In nitratbelasteten Gebieten, die den Grenzwert überschreiten, muss der Nährstoffeinsatz um 20 Prozent reduziert werden.
Sinkende Nitratwerte
Seit 2012 sinkt nun die Nitratbelastung im Grundwasser. Und der Trend setzt sich 2020 fort. Laut Nitratbericht ist der zulässige Grenzwert von 50 mg/l nur noch an rund 25 Prozent der Messstellen überschritten. 2015 waren es noch 28 Prozent. Grundwassermessstellen in Nähe von Siedlungen und Wald sind kaum belastet. Die erhöhten Werte treten vor allem in Feldfluren auf. Im Rhein-Pfalz-Kreis sind die Werte stark abnehmend. Diese starke Abnahme ist überall in nitratbelasteten Gebieten zu beobachten, wo also mehr als 50 mg/l in den vergangen Jahren messbar waren. Teile des Kreises sind nitratbelastet, außer die Naturschutzgebiete südlich von Rheingönheim, die Rheinauen bis Otterstadt sowie Gebiete um Neuhofen, Altrip, Waldsee, Schifferstadt. Nördlich und westlich von Limburgerhof beginnt die Nitratbelastung. Hier gilt demnach die pauschale Reduktion beim Nährstoffeinsatz um 20 Prozent.
„Düngereduktion macht sich zudem erst über Jahre bemerkbar“, erklärt Johannes Zehfuß, Vizepräsident des Bauern- und Winzerverbands Süd, der einen Kartoffelhof bei Böhl-Iggelheim betreibt. Darauf weist auch der Nitratbericht hin.
Gründe für Nitratrückgang
Für den Rückgang gibt es viele Gründe: Höfe haben inzwischen ein modernes Lager für Gülle. Auch planen Landwirte heute mit einer Software den Nährstoffbedarf auf ihren Feldern. Sie berechnen also per App, was die Kulturen nach den Vorgaben (Düngeregeln) brauchen.
Die meisten Umweltexperten von UBA und Thünen Institut gehen davon aus, dass in der Vergangenheit in den allermeisten Fällen fahrlässig und nicht vorsätzlich überdüngt wurde. Für Landwirte sind die immer komplizierten Düngeregeln, die sich zudem ständig ändern, schwierig zu überblicken. Besonders problematisch sind die Nitratbelastungen in viehintensiven Regionen, etwa in Niedersachen. Hier gibt es Nitratmessstellen, die 400 mg/l ausweisen. Dies treibt den Bundesschnitt nach oben. Tierbetriebe mussten die hohen Güllemengen verbringen, die anfallen, erklärt das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung München auf Anfrage. Das geht durch die Kontrollen und Nachfrage durch Biogasanlagen nun nicht mehr. Nur vereinzelt gebe es Ackerbaubetriebe, die absichtlich überdüngen, um zu experimentieren, ob eine Ertragssteigerung mit mehr Dünger noch möglich ist.
Neue Dokumentationspflichten vereinfachen Hofkontrollen
Bereits 2018 führte die Bundesregierung die Hoftorbilanz ein. Damit mussten Landwirte buchführen, wie viel Nährstoff am Hoftor durch Kauf von Dünger oder neue Tiere auf den Hof kommt – und wieviel durch Verkauf von Nahrungsmitteln und Dünger diesen wieder verlässt. Die Annahme: Was an Nährstoff beim Bauern verbleibt, landet auf den Feldern.
Die Bilanz war jedoch zu grob und lieferte nur vage Anhaltspunkte dafür, dass der Betrieb Schulungsbedarf beim Nährstoffeinsatz hat. Transparent wurde der Nährstoffeinsatz damit nicht. Für Vor-Ort-Kontrollen mit Bodenmessungen gibt es bei Ämtern zu wenig Personal.
Mit der Stoffstrombilanz, die die Ampel 2023 auf fast alle Höfe ausweitete, sind die Kontrollen „verursachergerechter“, gab das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) im Januar 2023 bekannt. Damit müssen fast alle Landwirte die Düngemengen für jedes Feld genau aufzeichnen und ihre Bedarfsberechnung dokumentieren. Vorher waren nur größere Betriebe dazu verpflichtet. Die Kontrollämter schauen zudem seither genauer hin, gleichen die Daten über die Felddüngung häufiger mit denen über Kauf und Verkauf ab. „Wer überdüngt und damit Gemeingüter wie Wasser oder Klima gefährdet, wird in die Pflicht genommen“, heißt es auf der Website des BMEL. Will heißen: Landwirte erhalten Düngeberatung, bei mehrfachen Verstößen in den Folgejahren auch Bußgelder.
„Vieles hat sich etwa beim Gemüseanbau in der Vorderpfalz verbessert“, erklären die Landesministerien für Landwirtschaft und Umweltschutz gemeinsam auf Anfrage. „Die Nitratauswaschung ist stärker im Bewusstsein der Anbauer, auch wenn die Ursachen nicht allein in den Düngemengen liegen.“ So gebe es Störfaktoren, die eine genaue Nitratmessung im Grundwasser verzerren: In Trockenjahren messe man höhere Nitratwerte als sonst oder nach starkem Regen direkt nach der Düngung. Landwirtschaftsschulen sensibilisieren zudem Junglandwirte und experimentieren mit Zwischenfrüchten im Spätsommer, die überschüssigen Stickstoff aufnehmen.
Gemüse braucht viel Nährstoff
Gemüse, das in der Gemüsepfalz bevorzugt gezogen wird, ist zudem eine besondere Kultur. „Die knackig grünen Blätter beim Salat oder Kohl erfordern eine hohe Stickstoffversorgung bis zur Ernte und viel Bewässerung – das vergrößert die Nitratauswaschung“, erklären MWVLW und LfU.
„Nur durch ausreichend Düngung bekommt man schöne Köpfe mit genug Blattmachern. Lockere oder braune Köpfe kauft im Supermarkt keiner. Ohne hohen Stickstoffeinsatz ist Gemüseanbau unmöglich. Düngereduktion kann die Preise nach oben treiben, wenn Erträge zurückgehen. Wir wollen kein Gemüse aus Afrika importieren, wo ganz andere Pflanzenschutzmittel erlaubt sind“, sagt Zehfuß. Als Präsident des Bauernverbands Süd wehrt er sich gegen das Mehr an Bürokratie durch die Stoffstrombilanz. „Die Erzeugergemeinschaft Pfälzer Grumbier experimentiert schon seit 30 Jahren wissenschaftlich, um den Stickstoffaufwand zu reduzieren. Jede Düngung setzt die Untersuchung voraus, was noch im Boden an Stickstoff steckt, um zu berechnen, was man noch braucht. Das ist längst Standard, denn Düngeregeln optimieren Erträge. Wir haben kein Interesse an ertragsdepressiver Düngung. Stoffstrombilanzen und Nährstoffabgleiche füllen viele Aktenordner, bringen in der Praxis aber nichts, sie verteuern Kontrollen durch Personalaufstockung in den Ämtern und gehen zulasten der produktiven Zeit des Landwirts auf dem Feld.“
Wasserversorger filtern das Nitrat in teuren Verfahren aus dem Trinkwasser. Das strenge Düngerecht und seine Überwachung wird laut UBA in den kommenden Jahren erst richtig greifen, wenn die Emissionen deutlich zurückgehen. Küsten- und Meergewässer sind noch in einem schlechten Zustand. „In der Ostsee spricht man von Todeszonen, also Gebieten, wo es durch Stickstoffanreicherung kein Leben mehr gibt“, sagt der Kieler Agrarökonom Sebastian Lakner. Noch sind rund 15 Prozent der Flächen in Deutschland nitratbelstet. jg
Exkurs: Komplexes Düngerecht
Damit Landwirte nicht zu viel ausbringen, wird nach genauen Vorgaben, den Düngeregeln, berechnet, wie viel Stickstoff eine Kultur aufnehmen kann, was sie also braucht. Berücksichtigt wird dabei der noch gemessene Stickstoff im Boden aus der Vorjahrdüngung. Für jede Kultur gibt es einen eigenen Schlüssel. In besonders nitratbelasteten Gebieten, also in Arealen, wo Grenzwertüberschreitungen messbar sind, müssen Landwirte seit 2020 pauschal 20 Prozent weniger Stickstoff ausbringen. Zudem gibt es seit 2020 neue, verlängerte Sperrfristen im Herbst und Winter. Düngeregeln sind in aller Regel ertragsoptimierend, mehr Dünger senkt bei den meisten Kulturen also die Erträge.
Tipps des LfU: Kein Grund zur Sorge beim Gemüseverzehr
Dank zunehmender Auflagen bei Düngung und Pflanzenschutz und dem gestiegenen Umweltbewusstsein bei Bauern gilt der Verzehr von Gemüse aus der Gemüsepfalz als äußerst gesund. Regionaler und saisonaler Konsum unterstützt zudem den Traditionssektor im Land. Gemüse enthält wichtige Vitamine, Mineral- und sowie sekundäre Pflanzenstoffe, so dass der gesundheitsfördernde Nutzen von reichlich Gemüse das mögliche Risiko durch den Nitrat- und Nitratgehalt vielfach überwiegt. Verbraucher können unbesorgt konsumieren. Dennoch helfen Tipps bei Zubereitung und Kauf, letzte Risiken auszuschließen:
- Den Gemüseverzehr wegen Nitrateinsatz keinesfalls einschränken, sondern auf eine abwechslungsreiche Gemüseauswahl achten
- Saisongemüse kaufen: bei nitratreichem Salat und Kohl Freilandware kaufen, die in lichtstarken Monaten und bei hoher Frischluftzufuhr geerntet wird. Gehalte von Glashausgemüse überschreiten gewöhnlich die von Freilandpflanzen
- Produkte aus ökologischem Landbau bevorzugt kaufen, die deutlich weniger gedüngt werden
- Gemüse im eigenen Garten ziehen und abends an sonnigen Tagen ernten, denn Nitrat wird tagsüber durch Licht abgebaut
- Zu nitratarmen Gemüsesorten zählen Tomaten, Gurken, Möhren
- Stiel, Stängel und große Blattrippen der äußeren Hüllblätter bei der Zubereitung von nitratreichem Gemüse (Salate, Kohlgemüse) entfernen
- Gemüse vor dem Verzehr blanchieren oder garen
- Kochwasser von nitratreichem Gemüse weggießen
- Gemüse nur kurz, lichtgeschützt und kühl lagern, Salat im Wasserbad waschen
- Reste von zubereitetem Gemüse schnell abkühlen lassen und im Kühlschrank aufbewahren
- Einmal zubereitetes nitratreiches Gemüse (etwa Spinat) am besten nicht noch einmal aufwärmen – darin vorhandene Mikroorganismen können zu vermehrter Nitritbildung beitragen
Autor:Julia Glöckner aus Ludwigshafen |
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