Schutzengel mit Antenne: Amateurfunker helfen im Katastrophenfall mit Notfunk
Von Julia Glöckner
Ludwigshafen. Am Dienstag, 18. April, war Weltamateurfunktag. Dieser ehrt ein gemeinnütziges Hobby, das der Völkerverständigung dient und dem Notfunk in Katastrophengebiete, wenn Funknetze von Polizei und Feuerwehr zusammenbrechen.
Langes Rauschen, dann sind Pieptöne zu hören, die Buchstaben „CQ“ in Morsecode - das bedeutet „Seek you“, für „Suche Dich“. „Auch heute wird noch oft gemorst. Denn Morsezeichen sind auch bei schlechtem Empfang noch zu hören. Für Sprechfunk braucht es mehr Übertragungsqualität. Wie bei einem Radio dreht man über die Frequenz, bis man jemanden rufen hört“, erklärt der Vorsitzende des Ortsverbands Ludwigshafen des Deutschen Amateur-Radio-Clubs (DARC), Norbert Cußler-Volz.
Im Alltag dient das Hobby der Völkerverständigung. Wenn Amateurfunker eine Verbindung gemacht haben, wird das mit einer versendeten QSL-Karte bestätigt. Die meisten sammeln sie wie Postkarten aus Ländern rund um den Erdball. „Mein weitester Kontakt war nach Australien“, sagt Cußler-Volz. Dorthin funkte er von seiner Funkstation in Lautersheim aus, wo der gebürtige Ludwigshafener heute lebt, der hauptberuflich in der Öffentlichkeitsarbeit am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim arbeitet.
Aus Funkkontakten können Freundschaften werden. „Mit meiner Frau machte ich mal in der Ferienwohnung eines walisischen Funkamateurs Urlaub, mit dem übers Funken ein Freundschaftskontakt entstand. Wir hatten lange danach noch Kontakt, leider verstarb George im Jahr 2019“, erzählt der Hobbyfunker.
Wie bedeutsam Amateurfunk ist, zeigte sich nicht zuletzt bei der Flutkatastrophe 2021: DARC-Ortsverbände im Ahrtal leisteten dort, wo Telefonnetze und Internet großflächig durch Stromausfall zusammengebrochen waren, Hilfe mit ihren Funkstationen und halfen so, die Kommunikation zu den betroffenen Gebieten und die Logistik aufrechtzuerhalten. „Die Kommunikationssysteme von Feuerwehr und Polizei sind aufgrund ihrer digitalen Verschlüsselung und der relativ kurzen Reichweite ihrer Funkgeräte nach wie vor auf umfangreiche Computer- und Netzwerktechnik angewiesen. Diese bricht bei Stromausfall zusammen“, erklärt Cußler-Volz. Dagegen lassen sich die Funkstationen von Funkamateuren mit Solarpanels oder Autobatterien betreiben. Amateurfunkern gelang es bei Tsunamis oder Erdbeben oft noch als letzte, aus Krisengebieten Hilfsorganisationen Informationen zu liefern, wenn alle anderen Kommunikationswege zusammengebrochen waren.
Bei widrigsten Bedingungen Verbindungen herstellen zu können, zeichnet Amateurfunker aus. „Beim Urlaub in Island vor ein paar Jahren hatte ich ein kleines Funkgerät dabei, das ich zuhause als Bausatz zusammengebaut hatte. Ich konnte mit nur fünf Watt Leistung nach Deutschland funken. Man muss wissen, zu welcher Tageszeit und auf welcher Frequenz man funkt, welche Antenne es braucht und wie man sie ausrichtet“, sagt er. Es habe ihn fasziniert, mit der Leistung eines Taschenlampenbirnchens um die Welt funken zu können.
Das Funkhobby erlebte in den 80ern einen Hype, als zum Amateurfunk der CB-Funk als lizenzfreie elektronische Kommunikationstechnik „für jedermann“ hinzukam. Im Zeitalter von Internet und Smartphone scheint es, als habe der Amateurfunk inzwischen einiges von seiner Anziehungskraft verloren. Das spiegelt sich auch in den Altersstrukturen beim DARC wider. Dabei ist Amateurfunk alles andere als ein verstaubtes Hobby. Inzwischen gibt es neueste computergesteuerte Kommunikationsverfahren, bei deren Entwicklung der Amateurfunk Pionierarbeit leistete. „Vor allem aus der hippen Maker-Szene hat das Hobby einigen Zulauf, der junge Leute angehören, die Elektrogeräte reparieren oder mithilfe von 3D-Druckern selbst entwerfen und erweitern.“ Von einem Technik-Hobby profitieren junge Menschen oft ein Leben lang. Es fördert die analytische Intelligenz und bringt junge Leute in gefragte Technik- und Ingenieurberufe oder in MINT-Berufe. Das Spektrum des Hobbys ist groß: Neben Sprechfunk gibt es Amateurfunk-Fernsehen, Satellitenfunk (sogar Erde-Mond-Erde) und Telegrafie, das traditionelle Morsen.
Angesichts der Energiekrise scheinen sich noch mehr Menschen zu überlegen, ob sie sich für den Blackout ein Funkgerät zulegen. „Mich erreichten im letzten Jahr viele Anfragen. Die Leute wollten wissen, wie man Funkamateur wird, wie man an ein Funkgerät kommt und was ich mir anschaffen würde oder ob es auch ohne Lizenz die Möglichkeiten gibt zu funken“, sagt Cußler-Volz. Doch Amateurfunk unterliegt strengen Gesetzen. Eine Lizenz ähnlich einem Führerschein ist Voraussetzung, zwar nicht fürs Hören des Amateurfunks, aber fürs Senden über die eigens dafür freigegeben Frequenzen. Zudem sind politische Gespräche oder kommerzielle Sendungen tabu.
Zur Distriktversammlung Rheinland-Pfalz, die der Ortsverband Ludwigshafen in diesem Jahr anlässlich seines 90-jährigen Bestehens ausrichtet, kommen am Samstag, 29. April, Delegierte aus dem ganzen Bundesland nach Ludwigshafen. Auch OB Jutta Steinruck wird zu Gast sein. jg/red
Weitere Informationen:
Wer Lust aufs Funken bekommen hat, kann sich unter www.arcl-ev.de über die Ortsgruppe informieren und Kontakt aufnehmen
Autor:Julia Glöckner aus Ludwigshafen |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.