Zukunft der Industrie: Talk um Wirtschaftsstandort Ludwigshafen

V.l.) Hubertus Heil, BMAS, Francesco Grioli, gHV IGBCE, Gunther Kollmuß, Bezirksleiter IGBCE Ludwigshafen und Timo Münch, Betriebsrat BASF SE  | Foto: Suna Aydin
  • V.l.) Hubertus Heil, BMAS, Francesco Grioli, gHV IGBCE, Gunther Kollmuß, Bezirksleiter IGBCE Ludwigshafen und Timo Münch, Betriebsrat BASF SE
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Ludwigshafen. Die Zukunft der Arbeit sowie die Industrieförderung sind zu den großen Menschheitsthemen unserer Zeit in der zweitgrößten Stadt Rheinland-Pfalz geworden. Das waren auch die Themen der Talkrunde im Pfalzbau mit Arbeitsminister Hubertus Heil und den Köpfen der Chemiegewerkschaft und des Betriebsrats der BASF.

Von Julia Glöckner

Dass die Industrie, auch die Chemie, das Industrieland Deutschland in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten stark gemacht hat, ist schon per Definition eine Tatsache. Viele Länder erreichen heute durch niedrige Löhne einen Standortvorteil für Unternehmen aus der Industrie wie BASF. Deutschland bleibt dagegen wettbewerbsfähig durch zukunftsträchtigen technologischen Fortschritt und Exzellenz in der Produktion. „Deutschlands Wirtschaftsmodell basiert darauf, dass wir mit den besten Produkten und Verfahren den großen Wettbewerbsvorteil einfahren“, sagte Heil.

Deutschland setzt seit Jahrzehnten auf Exzellenz, Forschung, Digitalisierung, um mit Technologiefortschritt, Ingenieurskunst und Innovationen beste Produkte und Verfahren zu entwickeln. „Deshalb haben wir exzellente deutsche Standorte wie hier in Ludwigshafen. Dafür kämpfen wir und brauchen Investitionen und beste Fachkräfte“, sagte Francesco Grioli, geschäftsführender Hauptvorstand Gewerkschaft IGBCE.

Dieser Exzellenzfaktor spiegelt sich aktuell in der Pharmabranche wider. Sie investiert so stark wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Eli Lilly hat in Alzey ein Werk gebaut, das Stellen im vierstelligen Bereich geschaffen hat. Während Ford in Saarlouis rausgeht, hat die Pharmafirma Vetter dort eine Produktionsstätte mit rund 2000 Beschäftigten gebaut. Böhringer investierte in Ingelheim, auch Roche baute Anlagen deutschlandweit aus. Insgesamt investierte die Pharmabranche 11 Milliarden Euro in der ersten Jahreshälfte an deutschen Standorten. „Das liegt an den besonderen Fähigkeiten und den guten Fachkräften“, sagte Grioli. „Der rheinland-pfälzischen Regierung gelingt es besonders gut, Wissenschaft und Industrie zu verbinden und damit Investitionen zu stimulieren.“

Stärkung des Wirtschaftsstandorts

Sorge gibt es dagegen um Zulieferfirmen für die Pharma, etwa um die Chemie, wie auch um viele andere Firmen aus dem Industriesektor. Denn Länder wie USA und China versuchen mit einer aktiven Wirtschaftspolitik, also mit Steueranreizen oder Zuschüssen bei Investitionen, „uns die Schneid abzunehmen“ und „Industrie herüberzuziehen“, erklärte Heil. Trump habe zudem Schutzzölle angekündigt. „Wenn wir weiterhin mit besten Verfahren und Produkten auch in der Industrie erfolgreich sein wollen, brauchen wir dagegen offene Märkte, um den Industriestandort Deutschland zu sichern. Wir stehen für Handelsverträge mit USA weiterhin ein und wollen uns auch von China nicht entkoppeln.“

Um den Industriestandort zu sichern und den Stellenabbau in der Chemie zu verhindern, sei es wesentlich, für wettbewerbsfähige Energiepreise zu sorgen. Die Bundesregierungsfraktion wolle deshalb in der letzten Sitzungswoche noch die Kosten des Netzausbaus für Erneuerbare deckeln und sie halbieren. „Die Industrieunternehmen und andere Energieintensive brauchen Planungssicherheit bei den Energiekosten“, sagte Grioli. Ansonsten könnten sich Investitionen in Neuanagen und technische Transformation weiter nach China oder in andere Länder verlagern. Weil die Chemie ganz vorne in der Wertschöpfungskette stehe, könnte sich das auf die gesamte Wertschöpfungskette auswirken, von der Deutschland bislang stark profitiert hat.

Für mehr öffentliche und private Investitionen im Industriesektor kann man auch durch eine aktive Industriepolitik sorgen, nach dem Vorbild der USA. Heil. Der Minister sprach sich für eine Investitionszulage von 10 Prozent für alle Unternehmen aus, die in Deutschland investieren sowie für Steueranreize beim Kauf neuer Maschinen und Anlagen – im Sinne moderner Industriewerke. „Das hat in der USA Wirkung entfaltet und kann auch hier große Wirkung zeigen“, sagte Grioli.

Auch die CDU will den Wirtschaftsstandort Deutschland in der kommenden Legislaturperiode stärken. Dabei sollen Unternehmen 5 Prozent weniger Steuern zahlen, was sich vor allem bei ihren Gewinnen bemerkbar mache. Die Partei schlägt vor, dass Investitionen künftig beim Finanzamt unmittelbar nach Ausschüttung abschreibbar sind. Zudem soll Digitalisierung die Besteuerung und Verwaltungsvorgänge von Firmen entlasten, um diese damit auch finanziell zu entlasten.

Grioli nannte die gesunde Infrastruktur in der Metropolregion als echten Standortvorteil, genauso wie weiche Standortfaktoren, die Ökosysteme in Rheinland-Pfalz sowie das stabile politische System. Beides veranlasse viele Firmen hier zu bleiben, sich anzusiedeln oder hier weiter zu wachsen „In Mannheim und Ludwigshafen kann von maroder Infrastruktur nicht die Rede sein“, ergänzte Heil.

Demografie und Renten

Thema waren auch Arbeit und Demografie. „Die sogenannten Baby Boomer Jahrgänge, die vor 46 geboren sind, gehen bald in Rente“, sagte Heil. Der Schlüssel, um Rentenalter und Beiträge stabil zu halten sei, möglichst viele Menschen in Arbeit zu bringen. „Wir brauchen gesteuerte Einwanderung nach Deutschland, weil Deutschland eine zunehmende älter werdende Gesellschaft hat. Je besser die Arbeits- und Fachkräftemigration in den Arbeitsmarkt gelingt, desto stabiler sind die Renten“, sagte der Minister. „Dagegen müssen wir irreguläre Migration reduzieren.“ Deutschland ist auf Zuwanderung angewiesen. Die Arbeit hier muss gemacht werden. Firmen suchen schon heute händeringend Fachkräfte. Dabei kann man gezielt steuern, wer mit welcher Qualifikation kommt. "Daneben habe man humanitäre Verpflichtungen, wie den Schutz vor Verfolgung", sagte Heil. Auch von Flüchtlingen kann Deutschland durch gezielte Arbeitsmigration profitieren, die Menschen sind oft gut qualifiziert und wollen in Arbeit. 

Heil warnte außerdem vor dem Populismus im Land. „Wie über arbeitende Menschen gesprochen wird, stört mich sehr. Mit 46 Prozent Erwerbstätigen haben wir einen unglaublichen Wohlstand an Beschäftigung. Dass es an Bock auf Arbeit fehlt, das muss man Menschen in Deutschland nicht sagen.“ Es sei schade, dass man die vielen anständigen Menschen, die den Nachbarn helfen oder sich im Ehrenamt engagieren, nicht höre, die die Mehrheit ausmachen – sondern vor allem die Schrillen, die Extremisten, die Lauten, die Menschen gegeneinander ausspielen. jg

Autor:

Julia Glöckner aus Ludwigshafen

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