Notfallseelsorge Pfalz an der Ahr
"Es ist einfach alles kaputt"
Flutkatastrophe. Selten war ihr Einsatz so extrem und ihr Dienst so extrem wichtig: Die ökumenische Notfallseelsorge leistet in der Hochwasserregion Erste Hilfe für Betroffene und Helferteams. Bereits am zweiten Tag nach dem Hochwasser im Norden von Rheinland-Pfalz waren die regionalen Kräfte der Notfallseelsorge vor Ort, teilt die Evangelische Kirche der Pfalz mit. Überregionale Teams wie das pfälzische wurden zusätzlich angefordert, koordiniert von der zentralen Einsatzleitung, die am Nürburgring eingerichtet wurde. Das Ziel: Die Seelsorge-Teams vor Ort zu unterstützen.
„Ich habe ja keinen Krieg erlebt, aber es ist einfach alles kaputt“, schildert Karl-Ludwig Hauth seinen Eindruck aus der Krisenregion. „Wo die Leute zwischen hochhaushohen Schutthaufen sitzen, besteht unsere Seelsorge erst mal aus handfester Hilfe.“ Der 59-jährige Pfarrer in Eisenberg und Ramsen ist seit über 20 Jahren im Förderverein Erweiterter Rettungsdienst Grünstadt (FERD) und in der Notfallseelsorge (NFS) der Pfalz tätig. Hauth koordiniert derzeit die Teams aus dem Gebiet der Pfälzer Landeskirche für die Ahrtalregion.
Aus der Pfalz waren bei bislang 33 Einsätzen 25 Mitarbeitende in der Region unterwegs, darunter sieben Pfarrpersonen. Je zwei Helferinnen oder Helfer bilden ein Team, das von einem eigenen Fahrer an die Einsatzorte gebracht wird und dort zu Fuß unterwegs ist. Anders als gewohnt betreuten sie keine Einzelpersonen oder Gruppen, sondern „gewissermaßen eine ganze Gemeinde“, erläutert Hauth den Unterschied zu gewöhnlichen Einsätzen.
"Wir sind Anfänger in Katastrophenlagen"
„Auch wenn die Trauma-Verarbeitung an der Ahr jetzt erst beginnen wird, wir sind diejenigen, die wieder weggehen“, betont Koordinator Hauth. Der überregionale Einsatz der Pfälzer Teams in der Eifel wird voraussichtlich in den kommenden Tagen beendet. Die seelsorgerliche Arbeit übernehmen dann Kräfte und Hilfswerke vor Ort, in Selbsthilfegruppen und Kirchengemeinden.
Im Nachgang erhofft sich Pfarrer Hauth eine sorgfältige Auswertung der Einsätze und eine bessere Ausstattung der Notfallseelsorge. Deren wichtige Arbeit sei durch die Hochwasserkatastrophe mehr in den Fokus geraten. „Anders als die Hilfsgewerke sind wir aber Anfänger in Katastrophenlagen. Da muss sich was tun.“ Dienstpläne könnten künftig nicht weiter über Exceltabellen organisiert werden oder im spontan eingerichteten Gruppenchat. Eine klarere Struktur und Vernetzung sowie die Nutzung digitaler Kommunikationsmittel seien dringend geraten. Daneben sollten Fortbildungen für die Leitung der Einsatzzentralen stehen sowie mehr Sicherheit, Ausbildung und Aufklärung für die Ehrenamtlichen – etwa über ihr Recht auf Freistellung im Beruf, so wie es der Landeskirchenrat für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der aktuellen Situation eingerichtet hat. „Auch die Landeskirche wird sich dem Thema Katastrophenmodus künftig mehr widmen müssen“, resümiert Hauth.
Hintergrund
Die ökumenische Notfallseelsorge (NFS) wird lokal organisiert und versteht sich als Teil des Seelsorgeauftrags der Kirchen und bietet "Erste Hilfe für die Seele". Sie betreut Hinterbliebene nach dramatischen Sterbefällen, übermittelt Todesnachrichten, bietet Beistand für Verletzte und Sterbende in Katastrophenlagen. Kirchliche Rituale am Unfallort, die Mitwirkung bei Gedenkgottesdiensten und die seelsorgerliche Begleitung der Rettungskräfte gehört zu ihren Aufgaben. Der Dienst wird von qualifizierten Mitarbeitenden ehrenamtlich ausgeübt. Seit 1992 werden auch in der Evangelischen Kirche der Pfalz Notfallseelsorge-Teams ausgebildet. rk/ps
Autor:Roland Kohls aus Ludwigshafen |
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