Nach dem Krimi der Eulen in Ludwigshafen
Nichts zu verlieren und alles gewonnen – Das Wunder von Ludwigshafen 2.0

Foto: Harry Reis

Handball. Was waren das für verrückte Zeiten, welche die Eulen-Familie in den letzten Wochen durchleben durfte? Auch zwei Tage danach ist noch immer nicht greifbar, was sich  in der Eberhölle
abgespielt hat. Nach einer außergewöhnlich emotionalen Partie sichern sich die Eulen den Klassenerhalt in der stärksten Liga der Welt – auch, weil Bietigheim und Gummersbach nicht über ein Unentschieden hinauskamen. Mit 31:30 bezwingen die Pfälzer GWD Minden und werden auch in der kommenden Saison Ludwigshafen in der Bundesrepublik repräsentieren. Die Eulen hatten nichts zu verlieren und haben alles gewonnen. Die Ereignisse des gestrigen Tages sind schwer in Worte zu fassen, doch wir wagen einen Versuch!

Die 2350 Zuschauer in der Eberthölle hatten eine Vorahnung, als sie das Team von der ersten Minute an unterstützten. Und die Mannschaft von Cheftrainer Ben Matschke zahlte es mit
erbittertem Kampf zurück. Für Minden ging es zwar tabellarisch um nichts mehr, dennoch
hatten die Gäste nichts zu verschenken. Trainer Frank Carstens hatte zuvor gefordert, die
Saison sauber zu beenden. Und das taten sie, denn der erste Treffer gehörte den grün-weißen.
Von Beginn an ging es hin und her, die Eulen kämpften um jeden Zentimeter auf der Platte.
Denn sie wussten, dass ein Verbleib nur in einem bestimmten Fall möglich war: Ein Sieg gegen
Minden bei gleichzeitigem Unentschieden der Konkurrenz in Bietigheim. Die Eulen agierten in
der gefestigten 5:1-Abwehr mit Johnny Scholz an der Spitze. Minden suchte deshalb Lösungen
über den Kreis und über außen. Doch die Gäste hatten die Rechnung ohne Matej Asanin
gemacht, der in den ersten Minuten mehrere Hundertprozentige Torchancen vereiteln
konnte. So gelang es David Špiler, die Eulen mit 3:1 in Führung zu bringen (7.). Die Partie war
seit dem Anpfiff unglaublich intensiv, da sich beide Mannschaften einen harten Kampf
lieferten. Einen dreier-Lauf der Gäste, die kleine Fehler im Eulen-Angriff umgehend bestraften,
drehte das Spiel. Auch in der Folge blieb Minden vorne, die Zuschauer sahen einen offenen
Schlagabtausch. Den Gästen gelang es, zwischenzeitlich durch Gegenstöße mit drei Toren
davonzuziehen. Die Auszeit von Eulen-Coach Matschke zeigte Wirkung: Stefan Salger, der sein
letztes Spiel im Trikot der Eulen absolvierte, kam nun mit den Kollegen aus dem Rückraum
besser zur Geltung. So kamen die Eulen auf 9:10 heran. Es dauert bis kurz vor der Pause, als
Pascal Bührer der Ausgleich gelang, er traf zum 12:12 (26.). Die letzten Minuten boten
Spannung, denn Kai Dippe bekam beim Stand von 14:14 die Chance, einen Gegenstoß frei
abzuschließen. Er scheiterte nur knapp an Mindens Keeper Espen Christensen. Im direkten
Gegenzug bekam Minden einen Siebenmeter zugesprochen, den Luka Zvizej zum 14:15-Halbzeitstand verwandelte.

Die Mannschaften kamen aus der Kabine und machten da weiter, wo sie 15 Minuten zuvor 
aufgehört hatten: Mit offenem Visier kämpften beide Teams um die Oberhand. Durch schnelle Tore gelang es den Gästen, aus der im Rückzug unsortierten Eulen-Defensive, Kapital zu schlagen. Für David Špiler war die Partie vorzeitig beendet – nach einem Zweikampf verletzte sich der Spielmacher an der Hand. Eine Viertelstunde vor Schluss scheiterte Rambo am Pfosten. Der Gegenstoß der Eulen brachte einen Siebenmeter hervor, den Kai Dippe sicher verwandelte: 24:24! Die letzten 15 Minuten stand das Publikum im wahrsten Sinne hinter den Eulen. Alex Feld gelang ein Doppelpack, was die Eulen mit 27:25 in Front brachte. Als Minden egalisieren konnte, nahm Matschke die Auszeit, die Eulen agierten nun in einer 6:0-Abwehr und offensiv mit dem siebten Feldspieler. Das Risiko, welches Matschke mit dieser Umstellung einging, lohnte sich: Nach einem Pfostentreffer der Gäste gelang es Dippe und Stüber, die Eulen mit einem Zähler in Front zu bringen. Mit diesem Spielstand und dem Publikum im Rücken
Schritt Kai Dippe zum Siebenmeterpunkt – und traf! Die Eberthölle kochte über, als das Ergebnis der direkten Konkurrenz aus Bietigheim feststand: 25:25, ein Sieg würde derjüngsten Mannschaft der Liga reichen, um die Klasse zu halten.
Nun hielt es absolut niemand mehr auf den Sitzen, das Publikum versammelte sich rund um
die Platte, das Wunder war zum Greifen nahe. Die Zuschauer setzten eine unfassbare Energie
frei. Im Zeitspiel wurde ein Wurf von Stefan Salger geblockt, doch das Glück war aufseiten der

Eulen: Der Ball landete bei Freddy Stüber, der den freistehenden Johnny Scholz bediente.Dieser ließ sich nicht lange bitten und schickte die Eulen mit dem Treffer zum 31:30 in den siebten Handball-Himmel. Doch dann hieß es noch einmal zittern, denn die Mindener hatten noch wenige Sekunden auf der Uhr. Doch der Wurf von Christoffer Rambo verfehlte sein Ziel. Nun brachen alle Dämme, das Team feierte gemeinsam mit den Fans die zweite Auflage des Wunders von Ludwigshafen. Allen Zweiflern zum Trotz wurde der Klassenerhalt zelebriert. Im Anschluss an die erste Etappe der Feier wurde ein Spieler-Quartett verabschiedet: Neben Alex Feld, Matej Asanin und David Špiler verlässt auch Stefan Salger die Eulen. Diese Jungs haben für die Eulen immer alles gegeben & mit Stolz das rote Trikot Ludwigshafens getragen. Die Feierlichkeit wurde nun nach draußen verlagert, denn im Innenhof wartete Freibier von
Mayer Bräu. Dort wurde bis in die späten Abendstunden ausgiebig gefeiert. Am Tag danach bleibt eine Mannschaft um Coach Ben Matschke, die sich mit dem Wunder von Ludwigshafen 2.0 ins Herz jedes Handball-Liebhabers gespielt haben und sich in Ludwigshafen unsterblich machen konnten. Die Mannschaft befindet sich bereits auf den Weg in den wohlverdienten Sommerurlaub, die Sonneninsel Ibiza wartet auf die erstklassige Truppe.

Eulen-Stimmen zum Spiel:

Cheftrainer Ben Matschke: „Ich denke, dass Wort Wunder muss neu definiert werden. Als ich
in der 59. Minute diese Wucht in der Halle erlebt habe, als das Ergebnis aus Bietigheim reingekommen ist, musste ich eine Auszeit nehmen, um nochmal Struktur reinzubringen. Wir waren vor vier Wochen tot, es spricht für den Charakter dieser Mannschaft, trotzdem weiter zu arbeiten. Hut ab! Minden hat ein wahnsinnig gutes Spiel gemacht und uns permanent geärgert. Ab der 50. Minute war in der Halle noch mindestens dreißig Prozent mehr auf den Rängen, dieser Druck war unfassbar. Die Jungs werden maximal feiern, sie fliegen auf eine schöne Insel im Mittelmeer. Dort sollen sie mal richtig Gas geben.“

Kai Dippe: „Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Wir wollten diese Geschichte schreiben- und wir haben sie geschrieben. Es ist der größte Erfolg, den man sich vorstellen kann. In so einer
Situation wieder aufzustehen und Charakter zu beweisen, als Team an das Ziel zu glauben –
das ist das Schönste, was ich in meiner Karriere erlebt habe.“

Alex Feld: „Das schöne ist, dass ich die letzten drei Jahre immer sagen konnte, dass ich diesen Tag nicht vergessen werde. Ich werde jeden einzelnen Tag bei den Eulen vermissen. Heute
musste alles zusammenpassen. Doch aufgrund der Vergangenheit war ich mir sicher, dass es
heute der Fall sein wird.“ ps

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Autor:

Gisela Böhmer aus Frankenthal

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