Konjunktur im Winter 2020/21
Industrie holt auf - Handel verliert

Während sich die Industrie rasch erholt, leiden Handel und Dienstleistungen unter der Corona-Pandemie | Foto: Ralf Vetterle/pixabay.com
  • Während sich die Industrie rasch erholt, leiden Handel und Dienstleistungen unter der Corona-Pandemie
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Rheinland-Pfalz. Die Entwicklung der Corona-Pandemie und der erneute Lockdown drücken die konjunkturelle Stimmung in Rheinland-Pfalz. Das zeigt der Konjunkturklimaindikator der Industrie- und Handelskammern (IHK) Rheinland-Pfalz , der die Beurteilung der aktuellen und zukünftigen Geschäftslage in einem Wert darstellt, und 100 Punkte erreicht. Das teilt die IHK für die Pfalz mit. Nach dem Konjunktureinbruch im Frühsommer 2020 (77 Punkte) und der Erholung im Herbst 2020 (99 Punkte) stagniert der IHK-Konjunkturklimaindikator und verharrt bei 100 Punkten, der Schwelle zwischen positiver und negativer Gesamtstimmung, so die Trendauswertung der aktuellen Konjunkturumfrage der rheinland-pfälzischen IHKs, die sich auf Antworten von 1119 Unternehmen mit rund 200.000 Beschäftigten stützt.

Der Weg zurück zum Wachstumspfad

„Im Herbst 2020 gab es Anzeichen konjunktureller Erholung, der Konjunkturklimaindikator sprang von 77 auf 99 Punkte. Der jetzige Seitwärtstrend ist angesichts der seit Herbst deutlich angespannteren Corona-Lage dennoch ein gutes Signal, deutet aber auch auf einen noch langen, schweren Weg zurück zum Wachstumspfad hin.“, so der Sprecher der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz, Arne Rössel. „Während aktuell insbesondere die Industrie wieder anzieht, sind Lage und Erwartungen in behördlich geschlossenen Branchen wie Handel, Gastronomie oder Messewirtschaft verheerend. Hieran haben auch die fehlenden Öffnungsperspektiven und schleppend ausgezahlten Wirtschaftshilfen ihren Anteil.“; erläutert im dpa-Gespräch der Hauptgeschäftsführer der IHK für Rheinhessen, Günter Jertz.

Handel und Dienstleistungen

Die Geschäftslage der rheinland-pfälzischen Wirtschaft beurteilen 34 Prozent der Unternehmen als positiv, während 27 Prozent über schlechte Geschäfte klagen. Im Saldo hat sich die Geschäftslage zu Jahresbeginn um drei Prozentpunkte auf sieben Prozentpunkte leicht verbessert. Die mittelfristigen Geschäftserwartungen für die kommenden zwölf Monate verbleiben im Saldo, wie im Herbst 2020, bei minus sechs Prozentpunkten. Das negative Vorzeichen weist darauf hin, dass die Einschätzung der Unternehmen hinsichtlich der Geschäftsentwicklung in den kommenden zwölf Monaten überwiegend pessimistisch geprägt ist.
Merklich verschlechtert haben sich die Stimmungswerte im Einzelhandel. Laut IHK-Konjunkturumfrage ist nicht nur die derzeitige Lage angespannt (Jahresbeginn 2021: Saldo minus zehn Prozentpunkte). Mit Blick auf die kommenden zwölf Monate rechnen 14 Prozent der Unternehmen im Einzelhandel mit einer Verbesserung und 45 Prozent mit einer Verschlechterung der Geschäftstätigkeit. Der IHK-Konjunkturklimaindikator für den Einzelhandel fällt damit von 95 Punkten im Herbst 2020 auf aktuell 78 Punkte. Noch schlechter ist die Lage bei den personenbezogenen Dienstleistern, dort sind Geschäftslage (Saldenwert: minus 45 Prozentpunkte) und Geschäftserwartungen sprichwörtlich im Keller (Saldenwert: minus 23 Prozentpunkte). Dementsprechend schwach fällt mit 64 Punkten (Vorumfrage 70) der Konjunkturindikator für diesen Bereich aus.

Industrie nimmt Fahrt auf

Als treibende Kraft präsentiert sich die rheinland-pfälzische Industrie. Hier hellt sich das Geschäftsklima um sieben Punkte auf 112 Punkte weiter auf (Herbst 2020: 105 Punkte). Insbesondere die Vorleistungsgüterindustrie (114 Punkte, Herbst 2020: 99 Punkte) und die Investitionsgüterindustrie (106 Punkte, Herbst 2020: 95 Punkte) gewinnen an Fahrt. Die Stimmung in der Baubranche zeigt sich mit 115 Punkten weiterhin widerstandfähig (Herbst 2020: 110 Punkte).
Die gute Stimmungslage lässt sich dabei auf einen gestiegenen Auftragsbestand aus dem In- und Ausland und eine erhöhte Kapazitätsauslastung zurückführen. Hinsichtlich des Auslandsgeschäfts bildet sich bei der Industrie auf schwachem Niveau eine bessere Erwartungshaltung ab. Hier liegt der Saldo aus positiven und negativen Meldungen bei null Prozentpunkten (Herbst 2020: minus 16 Prozentpunkte). Insbesondere die chemische und pharmazeutische Industrie aber auch das Holzgewerbe sowie die Glas- und Keramikbranche rechnen mit zunehmenden Ausfuhren in den kommenden zwölf Monaten.
„Getragen von Nachholeffekten, einem veränderten privaten Kosumverhalten und einer Erholung des Exports nimmt die Industrie neuen Schwung auf“, erklärt Arne Rössel. „Zudem erwirtschaftet die Industrie in Rheinland-Pfalz ein Viertel der Gesamtwertschöpfung und beschäftigt mehr als ein Fünftel aller Beschäftigten. Die guten Stimmungswerte in der Industrie prägen damit die konjunkturelle Lage.“

Erhöhte Investitionsneigung

Als Folge der insgesamt robusten Stimmungslage verbessert sich auch die Investitionsneigung deutlich (Jahresbeginn 2020: minus fünf Prozentpunkte, Herbst 2020: minus 14 Prozentpunkte). Bei den Investitionsgüterproduzenten steigt die Investitionsbereitschaft sogar um 34 Prozentpunkte auf minus fünf Prozentpunkte zum Jahresbeginn (Herbst 2020: minus 39 Prozentpunkte). „Diese Teilbranche läuft der konjunkturellen Entwicklung tendenziell voraus“, sagt Rössel. „Wachstumssignale in dieser Branche wirken gewöhnlich stützend auf die weitere konjunkturelle Entwicklung. Aufgrund der Unberechenbarkeit der aktuellen Ereignisse, ist die Aussagekraft dieser Wachstumsindikatoren allerdings begrenzt.“ Auch bei den Dienstleistern verbessern sich die Investitionsperspektiven, verharren mit einem Saldenwert von minus sieben Prozentpunkten allerdings noch im negativen Bereich (Herbst 2020: minus 22 Prozentpunkte).

Fachkräftemange bleibt große Sorge

Im Branchendurchschnitt befürchten 20 Prozent der Betriebe die Mitarbeiterzahl in den kommenden Monaten reduzieren zu müssen. 17 Prozent benötigt hingegen zusätzliches Personal (Jahresbeginn 2021: minus drei Prozentpunkte, Herbst 2020: minus neun Prozentpunkte). Auch hier ziehen die Vorleistungsgüter- und Investitionsgüterproduzenten voran.
Welchen Risiken die rheinland-pfälzischen Unternehmen derzeit ausgesetzt sind, ist klar: Über alle Branchen hinweg stellt die weitere Entwicklung der Corona-Pandemie die größte Sorge dar (75 Prozent). Der Inlandsabsatz benennen an zweiter Stelle 47 Prozent der Unternehmen als Risiko. Vor allem der Handel sorgt sich im Branchenvergleich um das künftige Nachfrageverhalten (54 Prozent). Der Fachkräftemangel bleibt auch mit 40 Prozent der Stimmen, trotz der Corona-Krise, stets unter den Top-Risiken.
Laut Umfrage berichtet jedes vierte Unternehmen in Rheinland-Pfalz über einen Eigenkapitalrückgang. 18 Prozent klagen über Liquiditätsengpässe und vier Prozent berichten bereits über eine drohende Insolvenz. „Unsere Unternehmen sind dringend auf die Hilfen von Bund und Ländern angewiesen. Dazu zählt, dass die versprochenen Finanzhilfen einfach und schnell ausgezahlt werden. Aber auch strategische Planungsmöglichkeiten, selbst bei der aktuell unabsehbaren Pandemie-Entwicklung, sind überlebenswichtig“, mahnt Jertz an. „Weiterhin halten die rheinland-pfälzischen IHKs auch weiterhin an den Forderungen nach einem Belastungs- und Bürokratiemoratorium bis mindestens Ende 2021 fest.“  rk/ps

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Autor:

Roland Kohls aus Ludwigshafen

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