Bergsteigen beim Bergdoktor
Im Wilden Kaiser

Foto: Markus Pacher
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Von Markus Pacher

Wandern. Wäre ich doch besser in der gemütlichen Wochenbrunner Alm geblieben, hätte mich am Kamin gewärmt, den leckeren Krustenbraten goutiert und ein kühles Tiroler Bier getrunken. Aber nein, der Berg ruft und wieder klebe ich am Fels, die klammen Finger am kalten Drahtseil, die Stahlstifte unter den harten Sohlen meiner schweren Bergschuhe und den Blick kritisch gegen den wolkenverhangenen Himmel gerichtet. Ganz so dramatisch hatte ich mir den Auftakt meiner kurzen Wochenendtour nicht vorgestellt. Der Wilde Kaiser ist wilder als ich dachte. Es ist ein Kampf gegen Nässe und Kälte. Aber er dauert gottseidank nur eineinhalb Stunden - bald reißt der Himmel auf und verspricht mir einen stimmungsvollen Sonnenuntergang.

Wilder Kaiser: Selfie in schwieriger Lage | Foto: Markus Pacher
  • Wilder Kaiser: Selfie in schwieriger Lage
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Wilder Kaiser: Klassiker der nördlichen Kalkapen

Eigentlich ist es ein Kaiser zum Anfassen und er ist nicht erst seit der beliebten Fernsehserie „Der Bergdoktor“ der Liebling vieler Bergfreunde: Die steil aufragenden Wände und schroffen Gipfel des Wilden Kaisers zählen zu den Klassikern der nördlichen Kalkalpen. Hier wurde seit dem 19. Jahrhundert Alpingeschichte geschrieben. Von seiner wildesten Seite zeigt er sich beim Erklimmen seines Hauptgipfels, der berühmten, 2.347 Meter hohen Ellmauer Halt. Wer sie besteigen möchte, sollte allerdings schwindelfrei sein und die Klettersteigausrüstung nicht vergessen.
Die Lage der Gruttenhütte, wichtigster Ausgangspunkt hochalpiner Wanderungen und Klettertouren im Wilden Kaiser, ist einmalig. Und am Abend sind es nicht nur die Raucher unter den Gipfelaspiranten, die sich auf die Terrasse begeben, um die unvergleichlich schöne Aussicht zu genießen: Unter uns das Tal mit den Tiroler Berggemeinden Ellmau und Going, den Hauptdrehorten besagter Fernseh-Soap, im Hintergrund schimmern die Kitzbühler Alpen in der Abendsonne, unmittelbar vor uns die imposanten Felsmassive des Wilden Kaisers.

Steiganlage Jägerwandtreppe ist Herzstück der Tour

Balanceakt an der legendären Gamssängersteig | Foto: Klaus Hünerfauth
  • Balanceakt an der legendären Gamssängersteig
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Das eigentliche Abenteuer beginnt am legendären Gamssängersteig. Herzstück der hervorragend gesicherten Steiganlage ist die spektakuläre Jägerwandtreppe mit ihren siebzig Trittbügeln. Hier ist Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und Klettergewandtheit gefragt. Allmählich verschlechtert sich das Wetter. Immerhin bleibt es einigermaßen trocken und die anschließende Partie durch Fels und Geröll ist Genussklettern vom Feinsten. Aber Vorsicht: Die Tour führt durch brüchiges Gelände und es besteht große Gefahr von Steinschlag, der bei schönem Wetter häufig durch vorausgehende Bergsteiger ausgelöst wird. Glücklicherweise muss ich mir bei dem ungemütlichen Wetter den Wilden Kaiser heute nur mit ganz wenigen Unerschrockenen teilen. Denn die meisten sind auf der Hütte geblieben und genießen lieber ihren warmen Kaiserschmarrn anstatt dem höchsten Berg des Wilden Kaisers zu huldigen.
Schon im 19. Jahrhundert wurde die Ellmauer Halt von einheimischen Jägern erstiegen. Erster Tourist auf dem Gipfel war der Münchner Student Karl Hofmann. Über die Wochenbrunner Alm und über die Rote Rinnscharte erreichte er unter der Führung von Johann Schlechter am 28. Juni 1869 den Gipfel. Vierzehn Jahre später wurde dann von dem Münchener Steinmetzmeister Karl Badenstuber das erste Gipfelkreuz errichtet. Nach ihm ist auch die Badenstubener Hütte knapp unterhalb des Gipfels benannt, die bis zum heutigen Tag gestrandeten Bergsteigern Schutz bietet.
Nachdem man die Jägerwandtreppe überwunden hat, nimmt die Steigung immer mehr zu und irgendwann erreiche ich die Schlüsselstelle, an der ich mich entscheiden muss: Entweder halte ich mich links und durchsteige eine enge Schlucht, die über eine leicht überhängende Leiter verlassen wird oder ich wähle die Direttissima durch die mit Drahtseilsicherungen und Tritthilfen versehene luftige, fast senkrechte Wand. Angesichts des nassen Felsens ziehe ich die Schluchten-Variante vor und erreiche nach etwa einer Stunde die winzige, mit zwei Lagern und einem kleinen Tisch ausgestattete und mit dicken Stahlseilen an der Felswand gesicherte Notunterkunft. Völlig durchgefroren entledige ich mich der nassen Kleidung und streife mir eine trockene Garnitur über.

Im Schneetreiben endlich das Gipfelkreuz

Wilder Kaiser: Im Schneetreiben das Gipelkreuz erreicht | Foto: Markus Pacher
  • Wilder Kaiser: Im Schneetreiben das Gipelkreuz erreicht
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Mittlerweile hat sich der leise Nieselregen in dichtes Schneetreiben verwandelt. Nur noch wenige Meter trennen mich vom Ziel. Meinen Rucksack lasse ich in der Schutzhütte zurück und wieder muss ich die letzten Meter kräftig Hand anlegen, um nach wenigen Minuten über eine kurze Klettersteigpassage gesund und überglücklich das Gipfelkreuz zu erreichen. Aufgrund seiner Exponiertheit soll die Aussicht bei schönem Wetter von der Ellmauer Halt grandios sein und über die Hohen Tauern bis zu den Zillertaler und Stubaier Alpen reichen. Besonders schöne Nahblicke auf das Sonneck, den Kaiserkopf, die Karlspitzen und zur Ackerlspitze laden an sonnigen Tagen zum ausgiebigen Verweilen ein. Ich aber sehe nur Wolken und Nebel und trete vor Kälte zitternd nach wenigen Minuten den geordneten Rückzug an. Und siehe da: Zwischenzeitlich klart der Himmel auf und in diesem Moment schwöre ich mir: Im nächsten Jahr komme ich wieder. Aber nur bei Kaiserwetter. Und diesmal ist der unmittelbar an den Wilden Kaiser angrenzende Zahme Kaiser dran!

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Autor:

Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße

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