Neujahrsrede von Oberbürgermeister Marc Weigel
"Heimatshoppen fördert Klimaschutz"

Foto: Markus Pacher
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Von Markus Pacher

Neustadt. Nachfolgend die komplette Rede des Neustadter Oberbürgermeisters Marc Weigel beim Neujahrsempfang im Neustadter Saalbau als Nachtrag zu unserem Bericht "Ein Hoch auf Neustadt!".

Liebe Neustadterinnen und Neustadter, liebe Gäste,
10 Tage ist das neue Jahr jetzt alt und es hat mit Blick auf die Nachrichten aus aller Welt nicht wirklich gut angefangen. Schwere, tödliche Unfälle wie in Südtirol, der Flugzeugabsturz mit 170 Toten im Iran, womöglich weiterer Ausdruck der wachsenden Kriegsgefahr im Nahen und Mittleren Osten. Grund genug gibt es, zunächst besorgt ins neue Jahr 2020 zu schauen, von dem wir nicht wissen, welche Überraschungen es für uns bereithält.
Keine Überraschung wird Ende Januar der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, wobei wie so oft in jedem Übel auch eine Chance liegen kann, nämlich dass die EU nach dem Brexit wieder enger zusammenrückt. Tut sie dies nicht, werden autoritär geführte Länder und solche, deren Regierungen zurzeit nur ihre eigenen Interessen an erster Stelle bzw. „at first“ sehen, weiter an Bedeutung gewinnen.
Wir sollten wertschätzen, dass wir in unserem Land in Frieden, Sicherheit und Wohlstand leben dürfen; dass unser Land Freiheits- und Menschenrechte und weitgehende Chancen garantiert, sich in einer Gesell-schaft zu entfalten, die hohe Standards in sozialer Sicherung, Gesundheit und Qualität von Arbeit erreicht hat.
Selbstredend ist auch bei uns vieles zu verbessern und es gibt Anlässe zur Kritik. Was mich persönlich aber mittlerweile nervt, ist die weit entwickelte Empörungskultur. Die Erregungspegel steigen auf ein teils unerträgliches Maß, um dann abrupt wieder abzuklingen. Aber hängen bleibt immer etwas und es macht etwas mit uns.
Bestes Beispiel für die Polarisierung war das Lied eines Dortmunder Kinderchores über umweltpolitisches Fehlverhalten von Großeltern, aus-gestrahlt im WDR Hörfunk. Eine misslungene, um nicht zu sagen beknackte Satire, gewiss. Kinder werden zu Anklägern einer Generation instrumentalisiert, auch wenn es vielleicht anders gedacht war.
Natürlich macht es einen Unterschied, ob man Grundschülern Worte in den Mund legt, deren Auswirkung sie nicht ermessen können oder ob Dieter Nuhr über Greta Thunberg witzelt.
Entwickelt wird daraus aber eine Kampagne gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit Demonstrationen vor der Zentrale des WDR und einem riesigen Shitstorm im Netz: Hashtag „Umweltsau“. Statt kritisch diskutiert, wird vor allem skandalisiert und eine Aufregung vom Zaun gebrochen, die bis hin zu Morddrohungen reicht. Man könnte darüber lachen, wenn es nicht so ernst wäre.
Und das sind nur die Spitzen eines offenbar wachsenden Bedürfnisses nach Eskalation, Manipulation und Destruktion, denen viele Menschen über die unterschiedlichsten Kanäle ausgesetzt sind.
Dabei mobilisieren und polarisieren besonders zwei Themen: Die Folgen von Migration von der einen und Klimaschutz von der anderen politischen Seite. Die Politik muss sich beidem ernsthaft und glaubwürdig, aber eben auch mit Augenmaß zuwenden, die damit einhergehenden Ängste und Unsicherheiten ernst nehmen, ohne ihre bewährten Prinzipien des ordentlichen Diskurses über Bord zu werfen.
In Neustadt gelingt die Integration von Zuwanderern insgesamt sehr gut, wie ich finde. Sie stellt uns vor Herausforderungen und es sind immer noch hohe Anstrengungen nötig, die allerdings auch dank einer großen Bereitschaft zur ehrenamtlichen Unterstützung gut gemeistert werden können. Und hierfür bin ich dankbar.
Ich finde es wichtig, dass Humanität und Menschenrechte eine starke Stellung in unserem Rechts- und Werteverständnis haben. Nach meinem Eindruck aus vielen Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern wirkt der gefühlte Kontrollverlust des Staates in den Jahren 2015/16 aber bis heute nach. Hier muss immer noch Vertrauen zurückgewonnen werden.
Dann leistet das auch den sprunghaft wachsenden Parteien weniger Vorschub, die extremistischem Gedankengut ein Einfallstor bieten.
Ohne Linksradikalismus zu verharmlosen, kann man feststellen, dass insbesondere das Problem des Rechtsextremismus in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat. Dies äußert sich in einer Zunahme organisierter Gewalt, was auch unsere Sicherheitsbehörden in 2019 zu einer Neuausrichtung veranlasst haben. Der politische Mord an Walter Lübke und der terroristische Angriff auf eine Synagoge in Halle sind nur zwei Beispiele.
Die zunehmende Hemmungslosigkeit und Verrohung in den Sozialen Medien spielt dabei eine höchst unselige Rolle. Eine Debattenkultur hat sich dort kaum entwickelt. Zu oft geht es nur darum, die eigene Meinung rauszulassen, binnen Sekunden abgegebener „Daumen hoch“ genügen für die eigene Bestätigung und Bestärkung, selbst bei abstrusesten Thesen. Im Nachhinein lässt sich kaum etwas richtigstellen, wenn etwas einmal in der Welt ist. Meinungsbildung geschieht in dieser Art heute millionenfach, aber eben nicht auf der Grundlage von Fakten oder Reflexion. Für die Arbeit von Journalisten, die uns durch fachliche Aufarbeitung von Informationen und differenzierte Sichtweisen helfen, wollen viele nicht mehr bezahlen. Gerade die Zeitungen geraten unter Druck, sind mehr oder weniger gezwungen, sich dem hohen Tempo anzupassen, mit allen Risiken und Nebenwirkungen.
Heute Morgen verfolgte ich im Deutschlandfunk ein Radiointerview mit einem Bürgermeisterkollegen aus Nordrhein-Westfalen, der vor kurzem Opfer eines Messerangriffs wurde. Im Gespräch ging es darum, dass auch viele Bürgermeister und Landräte, Mitarbeiter von Kommunalver-waltungen, selbst Rettungskräfte zunehmend verbaler Verrohung, aber auch körperlicher Bedrohung ausgesetzt sind.
Alleine im letzten Vierteljahr traten zwei Bürgermeister deshalb zurück, einer prozessiert gerade dafür, dass er sich im Rathaus bewaffnen darf. Wollen wir dieses Klima in unserem Land wirklich zulassen?
Es muss uns besorgen, wenn wir nicht nur diejenigen für die Demokratie begeistern wollen, die das aushalten und gar diejenigen, bei denen das zum guten Ton gehört. Wir brauchen gerade auch die kühleren Köpfe, die sanfteren Gemüter und vor allem vernünftige Menschen mit stabilen Werten, die Verantwortung für unsere Gesellschaft übernehmen. Dazu gehört für mich, dass von uns allen Vermittlung, Kompromiss und Aus-gleich wieder mehr geschätzt und eben nicht als Schwäche ausgelegt werden.
Das Thema Klimaschutz ist der zweite große Treiber. Zunehmend wird es als Folie für ideologische Grabenkämpfe missbraucht. Die einen, die behaupten, die Umweltprobleme und die Klimaerwärmung seien erfunden und gingen sie nichts an. Es sei alles gelenkt und gesteuert, was eine weitere Kampflinie gegen alles eröffnet, was als „System“ verstanden wird: Politiker, Parteien, Medien.
Am anderen Pol stehen diejenigen, die von einer extremen Binnensicht geprägt sind, die zu viel individualisieren und moralisieren, Menschen auch dort gängeln wollen, wo es um kaum messbare Effekte für den Klimaschutz oder um ihre Existenz geht und es der Größenordnung des Problems überhaupt nicht mehr gerecht wird.
Doch vielen Menschen, auch mir ist in den vergangenen Jahren klarer geworden, dass wir auf der Welt nicht mehr so weitermachen können wie bisher, angesichts der wissenschaftlichen Erkenntnisse und der schieren Zahl alarmierender Meldungen: Trockenheit, Überschwemmun-gen, schmelzende Permafrostböden, Pole und Gletscher.

Die indonesische Regierung veröffentlichte im August ihre Pläne, die Hauptstadt Jakarta auf die Insel Borneo zu verlegen, eine Zehn-Millionen-Stadt, die 2050 zu einem Drittel unter dem Meeresspiegel versunken sein soll. Über diese Dimension reden wir.
Brennende Wälder wie in Brasilien oder die unglaubliche Katastrophe in Australien rütteln auf. Aber soweit müssen wir gar nicht gehen. Auch wir in Neustadt müssen uns mittlerweile vermehrt mit dem Problem von Tro-ckenheitsschäden und einer gestiegenen Waldbrandgefahr befassen. Einen solchen gab es im vergangenen Sommer einmal auch tatsächlich, der mit etwas Glück von unserer Feuerwehr schnell in den Griff zu be-kommen war.
Politisches Handeln ist zuvorderst auf der internationalen Ebene gefragt. Ganz Stark kommt es auf das klimapolitische Verhalten Chinas und der USA an. Und ein reiches Land wie die Bundesrepublik Deutschland muss Vorbild sein. Aber auch wir Kommunen müssen unseren Beitrag leisten:
Die Stadt Neustadt an der Weinstraße hat von dem symbolpolitischen Akt abgesehen, den Klimanotstand auszurufen, wie andere das teilweise getan haben. Das war auch deshalb nicht nötig, weil wir ein Klimaschutzkonzept haben und zwei Klimaschutzmanager beschäftigen, die den Fokus auf die Umweltverträglichkeit unseres Handelns legen. Aber auch wir müssen uns hier immer wieder hinterfragen, ob wir genug tun:
Die Ergebnisse unserer Anstrengungen sind neuerdings auf unserer Klimaschutzwebsite (klimaschutz.neustadt.eu) zusammengetragen, die gestern offiziell online ging. Sie gibt umfangreichen Einblick in die Klimaschutzaktivitäten der Stadt und weitere Informationen zu Energieeinsparmöglichkeiten, Förderprogrammen und Beratungsangeboten. Sie soll kontinuierlich ausgebaut und erweitert werden, so in Kürze auch um ein Solarpotenzialkataster und ein Gründachpotenzialkataster.
Dort sehen Sie auch, dass die Stadt ein Energiemonitoring für ihre Liegenschaften etabliert, wo wir aktiv an der Steigerung der Energieeffizienz arbeiten, was die Stadtwerke tun und wo wir baulich – wie beispielsweise durch die ökologische Aufwertung des Speyerbachs im Rahmen des neuen, wirklich gut gelungenen Grünzugs Böbig in 2018 und 19, etwas für unsere Öko-Bilanz tun.
Ganz wichtig in diesem Zusammenhang ist das Thema Mobilität: Am 1.4.19 hat unsere neue, erstmals eingeführte Verkehrsplanungsabteilung bei der Stadtverwaltung ihre Arbeit aufgenommen. Leider ist es hier trotz zweier Ausschreibungen nicht gelungen, eine zweite Verkehrsplanerstelle zu besetzen. Wenn Sie jemanden kennen, sagen Sie Bescheid.
Auch mithilfe dieser Fachkraft wollen wir den ÖPNV in den kommenden Jahren nachhaltig ausbauen. Die Neuausschreibung unserer Buslinien, die wir nun für 2023 vorbereiten, könnte unter anderem auch für die Ein-führung von Elektrobussen und zur Taktverdichtung genutzt werden. Mit „Mobility on demand“ steht ein junges Unternehmen in den Startlöchern, das mit einem Angebot kleinerer Fahrzeuge „auf Abruf“ in Neustadt ein revolutionäres Angebot schaffen will. Das wird 2020 ein wichtiges und spannendes Thema.
Die Verkehrsplanungsabteilung hat auch die Aufgabe, das Radfahren in Neustadt attraktiver zu machen. Zurzeit arbeitet sie unter anderem an der Einführung des Fahrradverleihsystems Nextbike, an weiteren Fahradschutzstreifen, der Optimierung der vorhandenen Radwege und an weiteren Fahrradabstellanlagen an den Bahnhaltepunkten.
Von welchem Land kann man wirklich etwas übers Radfahren lernen?
Richtig, von den Niederlanden. Das „Fiets“ hat dort Kultstatus. So könnte gerade dieses Feld eines sein, von dem wir auch von unserer neuen Partnerstadt profitieren können: Echt-Susteren, in der Provinz Limburg. Sie möchte sich Ihnen heute mit diesem Video vorstellen:

VIDEO ECHT-SUSTEREN

Liebe Neustadterinnen und Neustadter,
ich habe mit einer ausführlichen Lagebestimmung Ende vergangenen Jahres die Haushaltsdebatte für 2020 im Stadtrat eingeleitet. Diese kön-nen Sie auf der Homepage der Stadt nachlesen.
Die Kurzfassung lautet: Dank der besonders sparsamen Haushaltsführung der vergangenen 30 Jahre hat Neustadt zwar immer noch rund 100 Millionen Euro Schulden, damit aber – und letztlich ist hier der Vergleich maßgeblich - die niedrigste Pro-Kopf-Verschuldung unter den kreisfreien Städten in Rheinland-Pfalz und fast keine Liquiditätskredite mehr. Das ist natürlich einerseits erfreulich.
Allerdings stehen wir aufgrund der Sparsamkeit auch vor einem enormen Sanierungs- und Investitionsstau und konnten in der Vergangenheit weniger leisten. Auch wenn wir das Bauvolumen in unsere Gebäude, die Schulen, Feuerwehrhäuser, KITAS und Stadthäuser in 2018 und 2019 um ca. 30% gegenüber dem Durchschnitt der letzten 10 Jahre steigern konnten, so arbeiten wir hier noch lange Zeit Altprojekte ab und neue Projekte lassen länger auf sich warten.
Wir laufen einem Fehlbedarf von rund 500 Betreuungsplätzen im KITA-Bereich hinterher, was ein echter Standortnachteil ist und deshalb hohe Priorität hat.
Hier werden wir in 2020 durch mehrere KITA-Erweiterungen Entlastung schaffen.
Eines möchte ich an dieser Stelle auch noch einmal deutlich sagen: Die Stadtverwaltung arbeitet hochengagiert, aber wir arbeiten mit einer Ver-waltung, die auf die Einwohner gerechnet immer noch die niedrigste Personaldecke unter den kreisfreien Städten unseres Landes hat. Das hat in all den vielen Jahren, in denen das so ist, deutliche Spuren hinter-lassen und lässt sich so nicht mehr mit dem Fachkräftemangel, der zu-nehmenden Komplexität und der höheren Zahl von Aufgaben sowie den höheren Ansprüchen an Kommunikation und Transparenz vereinbaren.
Im Sinne einer stetigen Verbesserung unserer Handlungsfähigkeit rea-gieren wir darauf mit einer moderaten Personalaufstockung in den vergangenen beiden Jahren. Große Hoffnungen setzen wir aber vor allem in den vor einem Jahr begonnen Prozess der strategischen Neuausrichtung, den wir „NeuStadt im Aufbruch“ nennen. Hauptintention ist eine umfassende Modernisierung der Stadtverwaltung, unter Einbezug der Tochtergesellschaften. Im vergangenen Jahr haben wir dafür zunächst eine klare Zieldefinition auf der Basis einer gemeinsamen Vision ge-schaffen, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erarbeitet und mit überwältigender Zustimmung am Ende von zwei intensiven Beteiligungsworkshops angenommen haben. Grundlage war eine umfangreiche Stärken-Schwächen-Analyse, vorbereitet und strukturiert von einer zwanzigköpfigen Strategiegruppe mit Kolleginnen und Kollegen aus allen Teilen der Verwaltung.
Wir wollen eine Verbesserung der internen Zusammenarbeit, mehr fach-bereichsübergreifende Projektarbeit sowie eine Reduzierung und Optimierung unserer Prozesse erreichen, nicht nur, aber auch mithilfe der Digitalisierung. So soll auch die Bearbeitungsdauer von Anträgen und Anliegen reduziert werden.
Wichtige weitere Schlagworte sind Personalentwicklung, Führungskräftequalifikation, Gesundheitsförderung und planvolle Nachwuchsrekrutierung. Schon in 2019 setzten wir als Reaktion auf den Fachkräftemangel verstärkt auf die Ausbildung des eigenen Nachwuchses, und boten in Zusammenarbeit mit der FH Kaiserslautern erstmals duale Ausbildungsplätze in den Studiengängen Architektur, Bauingenieurwesen sowie Sozialer Arbeit an.
Und wir wollen unsere finanziellen Spielräume durch intelligente neue Wege und Effizienzsteigerung erreichen. Damit steht und fällt auch ein wichtiger Teil unserer Handlungsfähigkeit:
Viele unserer Nachbarstädte waren in den vergangenen Jahren aktiver, haben mehr investiert. Damit konnten sie mehr voranbringen. Ihre stär-kere Aktivität und die Investitionen bilden sich zwar in höheren Schulden, aber auch in deutlich höheren Einnahmen ab. Das gilt selbst für das ge-beutelte Pirmasens, das bei den für uns Kommunen so wichtigen Gewerbesteuereinnahmen in 2018 gut 30% besser lag als wir. Für 2020 rechnen wir hier mit 21 Millionen Euro Einnahmen, die kleineren Städte Landau und Speyer mit 35 bzw. 38 Millionen Euro. Mit diesen Einnahmen finanzieren die Städte eben auch das, was jenseits gesetzlicher Verpflichtungen als freiwillige Leistung in den Bereichen Kultur, Soziales, Sport, Bildung usw. gewünscht wird. Deshalb ist diese Zahl für uns auch so wichtig.
Um hier messbare Erfolge zu erreichen braucht man leider viele Jahre. Aber wir sind schon dran, das zeigt die Aufstellung eines neuen Gewerbegebiets, wie dasjenige südl. Decathlon, das im Oktober, nach langen und schwierigen Vorbereitungen im Vorfeld, per Ratsbeschluss auf den Weg gebracht werden konnte.

Wir beginnen 2020 mit der Neufassung unseres Flächennutzungsplans, der wichtigsten Weichenstellung für räumliche und bauliche Entwicklung in den kommenden 15 Jahren, wo es auch um Gewerbeflächen geht, aber auch eine Wohnraumbedarfsanalyse erstellt und das Einzelhandelskonzept fortgeschrieben wird. Apropos Einzelhandel:
Natürlich machen wir uns viele Gedanken um unsere Innenstadt, die glücklicherweise immer noch von ausgezeichneten Geschäften, abwechslungsreicher Gastronomie, einem attraktiven Wochenmarkt und einer hohen Aufenthaltsqualität in unserer mittelalterlichen Altstadt geprägt ist, die in der Pfalz übrigens den höchsten Fachwerkbestand aufweist. Damit das so bleibt, fördern wir den Erhalt dieser Gebäude übrigens seit 2019 auch besonders.
Wir wollen die Attraktivität der Innenstadt in 2020 durch „Wasser in die Stadt“ weiter verbessern und wir beginnen mithilfe einer neuen Fachkraft für Lichtplanung mit der Arbeit an einem Lichtmasterplan für die Altstadt. Eine innovative Beleuchtung der Bahnhofsunterführung soll den Auftakt bilden.
Die Sauberkeit im Stadtraum beschäftigt uns weiter. Hier werden wir die Abläufe bei der Stadt deutlich verbessern und durch personelle Verstärkung des Bauhofs und der Gärtnerei noch besser reagieren können. Wir verstärken in 2020 auch die Handreinigung in der Fußgängerzone und bringen neue Reinigungsgeräte u. a. zur Entfernung der Kaugummis zum Einsatz. Auch wenn wir Vergehen durch mehr Kontrollen in zivil und die Ausschöpfung des rheinland-pfälzischen Bußgeldkatalogs stärker sank-tionieren werden, so möchte ich Sie doch alle bitten, gemeinsam darauf zu achten, dass uns hier buchstäblich nicht so viel auf die Straße gekippt wird. Die Verunreinigungen haben in den vergangenen Jahren auch aufgrund des gleichgültigen Verhaltens vieler Mitbürger so zugenommen.

Für die Gewerbeflächen des Klemmhofs ist ein Umnutzungskonzept in Arbeit. Hier konnten in 2019, durch den Kauf von Gewerbeeinheiten durch die WBG, bereits Fortschritte erzielt werden.
Die Planung zur Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes kommt gut voran. So gelang in 2019 der Verkauf des Postareals an den Kaiserslauterer Investor Sachs, verbunden mit der Verpflichtung zur Realisierung eines 4-Sterne-Hotels an der Platzkante sowie dem Bau eines Parkhauses mit Fahrradparkhaus im rückwärtigen Bereich. Zahlreiche Gespräche und Abtimmungen fanden statt, u.a. mit den Fördermittelgebern und hier auch persönlich mit den Ministern Wissing und Lewentz, die ihre Unterstützung signalisiert haben. Eine vertiefte Entwurfsplanung wurde im Oktober 2019 vom Stadtrat einstimmig beschlossen. Der Förderantrag „Städtebau“ ist gestellt. Nach hoffentlich erfolgreichen Verhandlungen über einen Gestattungsvertrag oder einen Erwerb der Flächen von der Bahn, beginnt die Ausführungsplanung in 2020, sodass das 5-Millionen-Euro-Projekt in zwei Jahren starten könnte. Mit dem Bau des geplanten Stegs vom Bahnhof zur Schillerstraße hoffen wir bereits 2020 beginnen zu können. Dies hängt von den Sperrzeiten der Schienenwege ab.
Zur ehemaligen Hertie-Immobilie, die momentan ein mehr als trostloser Anblick ist: In dieser Woche begannen Bauarbeiten im Bereich Turmstraße/Wernigeröder Platz, sicher ein gutes Zeichen, aber noch nicht das schon für Ende des Jahres erhoffte Aufatmen. Baudezernent Adams und ich selbst stehen regelmäßig in Kontakt mit den Hamburger Investoren. Sie konnten sicher der Presse entnehmen, dass sich der Innenausbau nach der Insolvenz des geplanten Ankermieters verzögert. Seit einigen Wochen werden Verträge mit neuen Mietern verhandelt, die für uns hochattraktiv klingen.
In meinem gestrigen Telefonat bekräftigte man die große Zuversicht, dass in den kommenden zwei Wochen Mietverträge mit zwei großen Handelsunternehmen geschlossen werden können, die dann den Startschuss zum Innenausbau ermöglichen. Aufgrund der glaubwürdigen Aussagen bleiben wir in der Sache zuversichtlich.
Wir dürfen uns aber nichts vormachen: Die Situation des stationären innerstädtischen Einzelhandels ist in Deutschland und auch in Neustadt deutlich schwieriger geworden und hier müssen sich auch die Verbraucher ihrer Verantwortung bewusster werden. Daher auch mein Appell: Kaufen Sie lokal! Heimatshoppen fördert übrigens gleich mehrfach den Klimaschutz. Denken Sie bitte daran vor dem nächsten, möglicherweise gar nicht notwendigen Klick bei Amazon&Co. Dauerhaft kann eine urbane Infrastruktur in der Innenstadt nur erhalten werden, wenn sich eine wirtschaftliche Betätigung dort lohnt. Dazu müssen wir eben auch hier bei uns kaufen.
Großartig für die Innenstadt waren in 2019 die beiden Groß-Investitionen von Jochen Stahler in die Friedrichstraße, die wir als Stadt auch aktiv begleitet und unterstützt haben. Das ermutigt!
Leider erleben wir aber immer wieder auch Fluktuation. Neben der Nordsee, die eigentlich den Standort nicht verlassen wollte, sich aber mit dem Vermieter nicht einig wurde, schließt im Sommer leider auch die Filiale von C&A, wie uns das Unternehmen auf Anfrage ganz aktuell mitgeteilt hat. C&A schließt in diesem Jahr in Deutschland rund einhundert Filialen und leider sind wir davon auch betroffen, was natürlich jammerschade ist. Das erste Gespräch zwischen mir und den Eigentümern der Immobile ist terminiert. Wenn wir von solchen Entwicklungen hören, engagieren wir uns über die WEG immer, nehmen Gespräche auf und versuchen zu vermitteln und zu helfen.
Auch bemühen wir uns um Akquise, um die Zeit des Leerstands möglichst kurz zu halten. Hier sind wir aber auch auf den Goodwill der Eigentümer angewiesen. In Zukunft werden wir uns hier noch aktiver einm-schen können, durch eine Förderung für die Neugründung von Geschäften. Mit dieser gehen wir im neuen Jahr erstmals an den Start, um inhabergeführte Geschäfte von Branchen, die bisher unterrepräsentiert sind, mithilfe eines Mietzuschusses für die ersten 18 Monate gezielt anzusiedeln.
Wir haben mit dem Kauf des ehemaligen Finanzamtsgebäudes in der Konrad-Adenauer-Straße 10 noch Ende vergangenen Jahres 40 zusätzliche öffentliche Parkplätze geschaffen und wir werden in diesem Jahr den Parkplatz Friedrichstraße angehen und aufwerten. Wenn die Parkhäuser Hertie und Bahnhof mit zusammen dann über 200 neuen Stell-plätzen folgen, sind wir gut aufgestellt.
Was passiert noch in Neustadt. Ein Kurzüberblick:
Letztes Jahr wurde das SULO-Gelände erschlossen, in diesem Jahr beginnt der Bau der Wohnungen. Der neue Aldi-Markt dort hat in 2019 bereits eröffnet, die sanierte IBAG-Halle wurde bezogen. Die DB beginnt mit dem Bau der Lärmschutzwände in der Kernstadt. Rosen- und Kriegergarten und die Außenanlage der Villa Böhm werden umgestaltet und saniert, ein neues modernes Ärztezentrum entsteht in der Europastraße. Der Vorplatz der Eichendorffschule wird umgestaltet und wir werden un-sere Bewerbung für die Landesgartenschau 2026 einreichen. Angehen wollen wir die Entwicklungen der ehemaligen orthopädischen Fachklinik Haardt, des ehemaligen Schlachthofgeländes, der Waldmannsburg und des Dorfmittelpunkts Lachen-Speyerdorf. In Hambach kommt der neue Edeka-Markt und folgen soll der Abschluss des begonnen Verkehrs-, Tourismus- und Dorfentwicklungskonzeptes.
Unsere nun 100 Jahre alte WBG wird neben den schon genannten privaten Wohnbauprojekten neue Singlewohnungen in der Roßlaufstraße schaffen und bezahlbaren Wohnraum in größerem Stil am Jahnplatz in Lachen-Speyerdorf realisieren. Diese Prognose wage ich trotz des laufenden Normenkontrollverfahrens beim Oberlandesgericht. Und das wird nicht das einzige Gerichtsverfahren sein, auf das wir mit Spannung schauen. Leider müssen wir auch weiter mit den Millionenrisiken im Zusammenhang mit dem Deponieskandal an der Haidmühle umgehen, was in den vergangenen beiden Jahren sehr viel Energie gebunden hat und weiter binden wird. Dennoch bin ich zufrieden und dankbar für das Geleistete. Neustadt an der Weinstraße ist auf einem guten Weg.
Ein Blick in den Bildungs- und den Sozialbereich:
Neustadt an der Weinstraße hieß 2019 der Sieger des MINT-Förderwettbewerbs dreier Landesministerien und so wurden wir zur rheinland-pfälzischen MINT-Region ausgerufen wurde, darf uns auch gefallen. Im Fokus liegt hier die Bildung in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT). Besonders gewürdigt wurde hier die gute Vernetzung der Akteure durch unser Bildungsbüro. Wichtiger Leistungsträger ist hier unser Weincampus, aber auch die Jugend forscht AG, der die Stadt für ihre wertvolle Arbeit seit gut einem Jahr kostenfrei eigene Räume zur Verfügung stellt und die im vergangenen Jahr wieder grandiose Erfolge eingeheimst hat. Vielen Dank hier auch an die Unterstützung durch den umtriebigen Förderverein!
Und natürlich passiert auch viel für das soziale Gleichgewicht in unserer Stadt: In 2019 wurde eine Fachstelle zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit sowie ein Projekt für aufsuchende Jugendsozialarbeit mit je einer Vollzeitstelle geschaffen und unsere Schulsozialarbeit auf Gymnasien ausgedehnt. 2020 wandeln wir die Ostschule zur Ganztagsschule um.
Für das Quartier „Böbig“ wurde dank der Unterstützung des Landes ein neues Förderprogramm „Soziale Stadt Böbig“ auf den Weg gebracht, wo wir dank Bund und Land ein Quartiersmanagement etablieren können und als Initialprojekt in 2020 mit der Neugestaltung des Abenteuerspielplatzes beginnen. Dieser wird zum generationsübergreifenden, attraktiven Spiel- und Aufenthaltsort im Osten der Stadt.
Meine sehr geehrte Damen und Herren,
vieles hätte es noch verdient, erwähnt zu werden, ich entschuldige mich bei allen, die sich oder ihr Thema hier vermisst haben. Sagen Sie es mir, ich komme nächstes Jahr wahrscheinlich hier wieder dran. Ich hoffe, ich konnte einen informativen Überblick geben, über das was sich in unserer Stadt tut und das ist viel.
Neustadt an der Weinstraße hat einiges vor und wir können gemeinsam viel bewegen. Es gibt weiterhin einiges aufzuholen und manche kniffligen Probleme zu lösen, woran ich immer noch gerne, mit meiner Kollegin und den Kollegen des Stadtvorstandes und unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern arbeite. Mein Dank geht an die Ortsvorsteherinnen und Ortsvorstehern und an die ehrenamtlich tätigen Stadt- und Ortsbeiräte. Ohne sie geht es nicht. Es sind viele Menschen, die hier engagiert für Ihre Stadt und die Weindörfer arbeiten.
Trotz aller Klagen, Probleme und Baustellen sollten wir manchmal darauf hören, was andere über unsere Stadt sagen:
Vor kurzem hat das Forschungsinstitut „Prognos“ im Auftrag des ZDF die Kommunen in Deutschland ermittelt, in denen es sich besonders gut leben lässt und Neustadt an der Weinstraße wurde in der Kategorie „Familien“ auf Platz 5 von 401 Kreisen und kreisfreien Städten gewählt. Bei den „Senioren“ liegen wir als beste rheinland-pfälzische Kommune auf Platz 25 von 401.
Es lebt sich hervorragend in Neustadt an der Weinstraße meint das Zweite Deutsche Fernsehen und wir dürfen uns dadurch gerne auch wieder selbst vergewissern: Dass man uns solch gute Chancen aufzeigt, ist in besonderer Weise auch auf das herausragende ehrenamtliche Engagement in der Stadt und in den Weindörfern zurückzuführen, egal für Sport, Kultur, soziale Belange oder unsere Sicherheit. Dieses gute Zeugnis ist Ergebnis der Leistung ganz vieler Neustadterinnen und Neustadter. Darauf können wir gemeinsam stolz sein.

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Autor:

Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße

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