Meine Großmama - Brigit Majer in den Augen ihrer Enkelin Anna (Teil 2)
Neustadt. In dieser Serie erzählt meine große Schwester Anna Kimmel von ihrer Beziehung zu unserer Großmama Mima, allgemein bekannt als Brigit Majer (1928 - 2020). Brigit Majer hat lange zusammen mit ihrem Lebensgefährten Bernt Carstens im sog. Diedesfelder „Schlössl“ gelebt und anschließend ihren Lebensabend in einer Seniorenresidenz in Neustadt verbracht. Anna erzählt eine Geschichte voller Leben, Liebe und auch Leiden - wie sie und ihre Großmama die Pandemie erlebt haben und vom altersbedingten Abschied.
Banges Warten für uns.
Aber meine Großmutter überstand nicht nur die Operation, sie erwachte auch klar aus der Narkose. Etwas was in ihrem Alter keineswegs selbstverständlich war.
Ich wollte sofort alles liegen und stehen lassen und zu ihr eilen. Aber halt, wir waren ja unter Corona Schutzmaßnahmen. Im Krankenhaus gab es eine Besuchsstunde am Tag für nur ein und dieselbe Person. Das war meine Mutter.
Eine Stunde.
Das hieß dreiundzwanzig Stunden alleine, im Bett, unter Schmerzen.
Auch wenn die Schwestern unglaublich bemüht waren, meine Mutter sogar länger bleiben durfte, viel zu viel einsame Zeit.
Vom Krankenhaus sollte sie in die Reha. Auch da gab es die Besuchsproblematik, und meine Großmutter war weit entfernt davon wieder auf die Beine kommen.
Was tun?
Klar war, sie brauchte rund um die Uhr Betreuung. Und auch, wenn man in ihrem Zuhause in der Seniorenanlage viel zubuchen konnte, war es kein Pflegeheim. Letzteres wäre nicht nur fremd, auch gäbe es wieder die Besuchsrestriktionen.
Da war dann das Telefonat mit meinem Onkel. Er sah den Plan seiner Schwester, ihre Mutter nicht in Reha zu schicken, als richtig an, aber sie brauche 24/7 Betreuung. Und nun seine Frage an mich, ob ich das vielleicht übernehmen möge. Das bisschen, was ich als Schäfer verdiene, können sie auch zahlen. Ich sollte es mir gut überlegen.
Meine Antwort war, da gab es nichts zu überlegen: „Das mache ich!“ - sprach ich, obwohl ich doch noch nie gepflegt hatte, immer gesagt hatte, das ist nichts für mich, kann ich nicht. All das spielte keine Rolle, meine Großmama brauchte mich, ich war da.
Ihr verdanke ich diesen Willen, diese Entschlossenheit, Dinge die richtig sind einfach zu tun. Und dazu noch so viel mehr.
Meine Großmutter war immer, immer für mich da.
Mit all ihrer Liebe und Fürsorge. Aber auch mit ihrer Vorstellung von richtig und falsch, von Anstand, von Leistung.
„Lernen ist wie Rudern gegen den Strom, hört man einen Augenblick auf, so treibt man zurück.“
Meine Großmutter war eine Dame von Welt. Sie hatte diese sogar bereist, war über Pyramiden in Ägypten, Maya Gräber in Mexiko oder die Chinesische Mauer geklettert.
Mir hatte sie nach meiner Ausbildung zur Schäferin einen zweimonatigen Roadtrip durch die USA finanziert, meine Schulbildung und so viel, viel mehr.
Ja, dass ihre Enkeltochter beschloss mit achtzehn Jahren eine Schäferlehre zu beginnen, um von diesem Beruf auch nie wieder loszukommen, das gefiel ihr lange nicht.
Arbeiten mit dummen Schafen, das war doch ordinär, da gab es doch besseres. Und doch ließ sie mich, blieb mit all ihrer Liebe hinter mir. bev
Hier lesen Sie Teil 3
Autor:Eva Bender aus Neustadt/Weinstraße |
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