Neujahrsansprache im Saalbau Neustadt von Oberbürgermeister Marc Weigel

Oberbürgermeister Marc Weigel bei seiner Neujahrsansprache am 12. Janaur 2024 im Saalbau Neustadt | Foto: Markus Pacher
  • Oberbürgermeister Marc Weigel bei seiner Neujahrsansprache am 12. Janaur 2024 im Saalbau Neustadt
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Liebe Neustadterinnen und Neustadter, liebe Gäste!

Bestimmt hoffen Sie auf frohe Botschaften. Die ganze Welt wartet auf frohe Botschaften. Ich verspreche Ihnen, sie kommen, aber …:
Wie könnte man diesen Jahreswechsel in purer Euphorie und blanker Zuversicht angehen?
Ja, wir leben in Neustadt an der Weinstraße weitgehend friedlich und schön, sie haben es in unserem Spot vorhin gesehen. Aber eben nicht auf einer Insel. Unsere Gesellschaft ist sorgenvoller geworden, pessimistischer und wütender.
Vor einem Jahr hatten wir nach den trostlosen Monaten der Pandemie gerade unser Impfzentrum geschlossen. Und kaum war Corona halbwegs vorbei, hatte Russland mitten in Europa einen unerbittlichen Krieg vom Zaun gebrochen. Kurz darauf drehte man uns den Gashahn ab. Es gab die Sorge vor Stromausfällen und kalten Wohnungen. Wir bereiteten uns auch bei der Stadt auf Ausfälle in Strom- und Wärmeversorgung, auf Blackouts und Katastrophenszenarien vor. Glücklicherweise ist es anders gekommen. Einen Normalmodus gibt es gefühlt seit Jahren nicht mehr.
Dann der Schock im Herbst: der brutale Terrorangriff der Hamas auf Israel. So viel Leid, so viel Blutvergießen: Hunderte Tote, Verletzte, Geiseln auf israelischer Seite und als Reaktion der Krieg gegen die Terroristen, der das Sterben Tausender Unbeteiligter in Gaza mit sich bringt.
Leider spricht wenig dafür, dass sich an der pausenlosen Abfolge von Krisen und Kriegen rasch etwas ändern könnte. Ja, früher ist auch Schlimmes passiert, aber anders als das Elend einmal abends um acht für eine Viertelstunde in der Tagesschau zu sehen, setzen wir uns heute einer weitgehend unkontrollierten und oftmals destruktiven Bilder- und Meinungsflut im Internet aus und stecken über unser Handy mit dem Kopf direkt im Elend eingestürzter Häuser von Gaza und Kiew oder beschallen uns den ganzen Tag mit der Wut und Empörung Einzelner. Die neuen Medien verhelfen zu einem bisher nie dagewesenen Verbreitungsgrad. Was davon Information sowie nützliche Meinungsbildung und was pure Manipulation und Aufwiegelung ist, wird zunehmend schwerer zu durchschauen. Noch mehr, seit den zunehmend massentauglichen technischen Errungenschaften künstlicher Intelligenz: Ob ein Bild, das Sie im Netz sehen, jemals Realität war, ist selbst für Profis kaum zu ermitteln. Das alles macht etwas mit uns. Wohin es führt?
Selbst wenn man sich bewusst macht, dass alles schon mal viel schlimmer und schlechter war und heute vieles durch unsere Wahrnehmung und die Kommunikation verzerrt wird, so lässt sich nicht leugnen, dass sich einiges zusammenbraut. Das zeigen schon die ersten Tage dieses Jahres 2024. Es startet mit Protesten und Streiks, wie es sie in Deutschland lange nicht mehr gegeben hat. Sie läuten ein unruhiges Jahr 2024 ein.
Manche schreiben oder sprechen zum Jahreswechsel von einem „Annus horribilis“ oder einem „Schicksalsjahr für die Demokratie“. Sie könnten Recht behalten:
Fast die Hälfte der Weltbevölkerung wird 2024 über ihre politische Zukunft abstimmen. Rund vier Milliarden Menschen. 70 Wahlen in 30 Staaten: Präsidenten und Parlamente werden neu bestimmt. Darunter auch die Hotspots der Weltsicherheitsarchitektur: Russland im März, Machtwechsel unwahrscheinlich. Kein Wunder, wenn man zuvor alle ernsthaften Gegner einsperren oder umbringen lässt. Eine Milliarde Inder wählen im April, 400 Millionen EU-Bürger im Juni. Und dann kommt im November das wohl spannendste Duell: Im mächtigsten Land der freien Welt versucht ein 78-Jähriger, einen 81-Jährigen zu entthronen. Welche Kausalkette in Gang kommt, wenn es ihm gelänge, möchten wir uns heute Abend nicht vorstellen.
Dagegen erscheinen die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg eigentlich unbedeutend. Dabei ist jetzt schon klar, dass sie höchste Aufmerksamkeit - und zwar international - erfahren werden. Forsa sieht die AfD heute in allen drei Ländern mit Abstand als stärkste Kraft. Die Niederlande haben das gerade erlebt. In unserer Partnerstadt Echt-Susteren haben im November 40 % der Wählerinnen und Wähler den Rechtspopulisten Geert Wilders gewählt. Eines verbindet alle Wahlen von Thüringen bis Taiwan, nämlich die Gretchenfrage, ob sich die liberalen Demokratien, von denen eine Wiege hier in Neustadt steht, behaupten können.
Ein großer Treiber in ganze Europa ist das Thema Migration. Hier hat sich nun der Standpunkt durchgesetzt, dass wir nicht mehr in unbegrenzter Zahl Menschen in unseren Städten aufnehmen können, vor allem solche nicht, die keine Bleibeperspektive haben. Nicht nur weil unsere Ausländerbehörden überlastet sind, trotz hohen Einsatzes der Mitarbeiter und personeller Aufstockung auch in Neustadt. Jeder Einzelne muss untergebracht und betreut werden, braucht Sprachkurse, nimmt Leistungen in Anspruch, Familien benötigen Plätze in Kindertagesstätten und Schulen. Aktuell haben wir übrigens 175 Flüchtlingskinder in Neustadter Kitas, etwa ebenso viele in Grundschulen. Das muss alles geregelt und auch räumlich bewältigt werden. Und die Integration ist oft kein Selbstläufer. Wenn sie misslingt, birgt das große Risiken. Auch das mussten wir in Neustadt schon erfahren.
Jetzt im Januar 2024 leben etwa 1900 Geflüchtete hier. Danke an die vielen Ehrenamtlichen, die sich hier kümmern und einsetzen. Sie bedeuten mir aber auch schon lange: Die Kräfte gehen zu Neige. Alleine im letzten Vierteljahr wurden uns 32 Minderjährige übergeben. Bei einem Dutzend von ihnen ist nicht mal geklärt, wer die Jugendlichen sind, wie alt sie sind, ob gesund oder krank, wo sie herkommen, was sie erlebt haben, welche Bedarfe sie haben. Das kann - bei aller Menschlichkeit und immer noch aufrichtiger Bereitschaft zur Hilfeleistung - so nicht weiter funktionieren.
Dabei zeigt das Beispiel Migration gut das Phänomen auf, vor dem wir generell stehen. Es gibt keine einfachen Wahrheiten. Die Dinge sind kompliziert, verlangen differenzierte Betrachtungen und Lösungen.
Fakt ist nämlich auch: In den nächsten zwölf Jahren fehlen in unserem Land sieben Millionen Erwerbspersonen.
Es kann uns daher hoffnungsvoll stimmen, wenn ich, wie vor wenigen Wochen geschehen, im Rathaus 50 Männer, Frauen und Kinder einbürgern kann - weil die Menschen mindestens sieben Jahre hier leben, sich straffrei führen, ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten, die deutsche Sprache gelernt haben und sich zum Grundgesetz bekennen. Ich habe im November mit allen persönlich gesprochen. Ein Zahnärzte-Ehepaar aus Bulgarien war dabei, Altenpflegerinnen aus der Ukraine, Köche aus Afghanistan, Metallbauer, Paketfahrer aus Syrien, ein Kraftfahrzeugmechatroniker aus Algerien, ein Industriemechaniker aus dem Irak, meist mit ihren Familien mit Kindern. Viele gingen hier bereits aufs Gymnasium.
Das Zusammenleben zwischen Migranten und „Eingeborenen“ funktioniert in Neustadt sehr gut. Auch wenn sich national etwas ändern muss. Den Menschen die hier sind, sollten wir die Hand ausstrecken, uns für ein gutes Zusammenleben und friedliches, konstruktives, produktives Miteinander in unserer Stadt einsetzen. Und dennoch muss es uns gelingen, die Dinge so zu ordnen, dass die offensichtlich um sich greifenden Ängste vor Sicherheitsverlust, verbunden mit der zunehmenden Sorge vor wirtschaftlichem und sozialen Abstieg, nicht weiter um sich greifen.
Das sind auch die Gründe, die Menschen immer wieder empören und aufs Hambacher Schloss treiben. Leider immer wieder flankiert von noch aus der Corona-Zeit aufgebrachten Impfgegnern. Das nennt sich dann „Demo gegen die Weltgesundheitsorganisation“, aber auch gemischt mit Rechtsextremen und umstürzlerischen Reichsbürgern in teilweise kruden Mischungen.
Wie ein Witz erschien dann noch, als bei einer der 12 Kundgebungen, die vergangenes Jahr von uns genehmigt und begleitet werden mussten, einer der Teilnehmer aus der Reichsbürgerszene offensichtlich in Reminiszenz ans Hambacher Fest die Fahne des bayerischen Königreichs aufs Schloss getragen hat. Die Hambacher von 1832 hätten ihn sicher zum Teufel gejagt: Sie sind genau dagegen aufgestanden! Und viele der Hambacher von 2024 fragen uns: Warum verbietet ihr das nicht einfach? Im Juni, eine Woche vor der Europawahl, planen verschiedene Kräfte sogar mit einer zweitägigen Großkundgebung wieder mit mehreren Tausend Teilnehmern eines diffusen Spektrums das Schloss als Symbol zu missbrauchen.
Wir werden es in einem von uns genau ausgeloteten und gerichtlich scharf überwachten Rahmen ertragen müssen. Das Hambacher Schloss ist nationales Symbol. Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit wurden hier erkämpft. Grundideale unserer Verfassung!
Wir können und dürfen hinter diesen Werten nicht zurückbleiben, auch wenn es uns nervt oder ärgert. Dann haben die schon gewonnen, die diesen Staat deshalb für schwach und unfähig halten. Er ist es nicht, auch wenn er gewaltige Probleme hat. Deshalb können und werden wir es im rechtsstaatlichen Rahmen aushalten, lassen uns als Stadt aber auch nicht alles bieten, dessen können Sie gewiss sein. Und das haben wir 2023 auch schon gezeigt.
Meine Damen und Herren,
wir müssen akzeptieren, dass diese Welt kompliziert geworden ist. Alte Muster, auch von rechts und links, funktionieren nicht mehr. Vieles ist weniger beherrschbar geworden, weil zu vieles miteinander zusammenhängt und sich alles in atemberaubender Geschwindigkeit verändert. Ich verdenke keinem, darüber missmutig und sorgenvoll zu werden. Aber wir sollten vernünftig bleiben und den Kopf nicht in den Sand stecken. Man muss nicht alles super finden, um Optimist zu sein.
Daher kann ich Ihnen auch nicht, wie es die Politik früher gerne gemacht hat, versprechen, dass in den nächsten Jahren morgen immer mehr da sein wird als gestern. Unser Hauptaugenmerk liegt darauf, das zu erhalten und widerstandsfähiger zu machen, was uns wichtig ist, das zu verändern, was nötig ist, ohne allzu viele Brüche und Verlierer zu riskieren und zu zeigen, dass wir mit unseren immer noch sehr guten Möglichkeiten und Kräften vieles selbst gestalten können - auch dann, wenn es zu einer graduelle Verschlechterung unserer Lebensverhältnisse kommen wird, wovon ich ausgehe: die wirtschaftliche Entwicklung, der Rückgang von ehrenamtlichem Engagement, steigende Kosten in allen Bereichen, geringere Bereitschaft für die Bewahrung von Wohlstand ausreichend zu arbeiten und zu leisten.
Der Besuch in unserer ukrainischen Partnerstadt war einer meiner bewegendsten Momente in 2023. Bei aller Bewunderung für die Tapferkeit der Menschen war zu spüren, wie schwer erträglich die Umstände sind, wenn fast jeden Tag Luftalarm ist, die Kinder Angst haben und verstörende Bilder malen. Wenn jede Woche zwei Särge mit jungen Männern in die Stadt zurückgebracht werden, seit nun fast zwei Jahren. Die Ukrainer haben Angst, vergessen zu werden 2024. Das werden sie nicht. Wir vergessen auch nicht, dass wir selbst mehr für unsere Sicherheit tun müssen. Für unsere Verteidigung ist die Stadt - zum Glück - nicht zuständig und ich will auch nicht scherzen, was oder wen wir aufzubieten hätten.
Zivil- und Katastrophenschutz geben aber auch wir - infolge von Krieg, Energiekrise, Cyberangriffen und Naturkatastrophen wie an der Ahr - einen deutlich höheren Stellenwert.
2023 haben wir unser in weiten Teilen zurückgebautes oder veraltetes Sirenennetz technisch auf den neuesten Stand gebracht und komplett neu aufgestellt, Notstromversorgung in allen Feuerwehrgerätehäusern und in mehreren Fest- und Turnhallen installiert und diese zu Wärmeinseln im Katastrophenfall ertüchtigt. Wir haben einen technisch aufgerüsteten, autarken Stabsraum für die Koordination im Krisenfall vorbereitet und investieren aktuell rund 10 Millionen Euro in modernere Standorte und Ausrüstung unserer Feuerwehr, vorrangig für den Brand-, aber natürlich auch für den Katastrophenschutz.
Gerade haben wir den KAT-Retter eingeführt, die digitale Alarmierung sich zufällig in der Nähe befindlicher Ersthelfer. Diese hatten bereits mehrere Einsätze, bei denen lebensrettende Maßnahmen vor Eintreffen des Rettungsdienstes eingeleitet werden konnte - eine wichtige Innovation der notfallmedizinischen Akut-Versorgung für unsere Bevölkerung. Das alleine wird die aus wachsender Personalnot resultierenden, auch in unserem Neustadt langsam sichtbar werdenden Probleme bei der akutmedizinischen Versorgung nicht lösen, aber vielleicht etwas mildern.
Wir haben eine leistungsfähige und einsatzstarke 333 Köpfe zählende Freiwillige Feuerwehr, 75 Jugendliche stehen in Ausbildung und in den Startlöchern. 600 Einsätze in ihrem Kerngeschäft der technischen Hilfe und Brandbekämpfung wurden in 2023 erfolgreich absolviert. Danke dafür und Glückwunsch dem frisch für 10 Jahre wiedergewählten Wehrleiter Stefan Klein. Danke, dass er diese außerordentlich verantwortungsvolle Aufgabe weiterhin ausübt. Ebenso danke ich allen Rettungsorganisationen, DRK, THW, DLRG und natürlich auch unseren kommunalen Ordnungshütern sowie allen Landes- und Bundespolizistinnen und -polizisten, die in Neustadt und damit für uns alle jeden Tag ihren Dienst tun.
Frohe Botschaften habe ich versprochen und komme dennoch erst zu einer schlechten, aber auch die will ich nicht unerwähnt lassen:
Beim ehemaligen Hertie ging es zuletzt nicht mehr weiter. Gerne hätte ich ihn schon zu Beginn meiner Amtszeit abgerissen und etwas Neues entstehen lassen. Aber das Objekt gehört uns nicht und war auch für uns nicht mehr käuflich. Stattdessen gibt es einen willigen Eigentümer, der noch bis vor wenigen Wochen gearbeitet hat, letztlich aber bis heute die entscheidende Aufgabe nicht bewältigen konnte: einen leistungsfähigen Anker-Mieter zu finden. Nach Corona, Inflation und Baukonjunktur, aber auch trotz ein, zwei Fehlentscheidungen waren wir Anfang vergangenen Jahres zuversichtlich, dass das Vorhaben auf die Zielgerade geht. Zuletzt zeigte die Firma Wasgau Interesse. Sie war dabei, auf eigene Kosten einen Innenausbau durchzuplanen. Doch leider entschloss sich das Unternehmen nach monatelangen Planungen und intensiven Verhandlungen für uns überraschend im November gegen das Projekt. Da ich diese Verhandlungen eng unterstützt habe, kann ich sagen, dass beide Seiten hier ihr Möglichstes im Sinne einer Einigung versucht haben. Es gibt noch Interessenten, aber die Zeit wird knapp. Ende Januar finden wichtige Gespräche mit Investor, Financiers und weiteren Beteiligten statt. Ich rechne damit, dass sie wegweisend sind. Wir sind am Ball, aber nicht Herr des Verfahrens. Unser oberstes Ziel war und ist eine möglichst baldige und nachhaltige Entwicklung der Fläche und die Verhinderung langwieriger Insolvenzverfahren sowie eines jahrelangen Stillstands. Dafür tun wir, was uns möglich ist.

Kommen wir zu den versprochenen Lichtblicken. Dazu gehört, dass wir bei dem, was wir selbst in der Hand haben und von dem ich Ihnen auch letztes Jahr schon als Handlungsschwerpunkte berichtete, gute Fortschritte erzielen.
In unseren Schulen laufen aktuell Erweiterungs- und Sanierungsmaßnahmen an Dächern, Toiletten und Fachräumen im Umfang von 8 Millionen Euro. Entsprechend unserem Medienentwicklungsplan und nach Netzwerkausstattung sämtlicher Neustadter Klassenzimmer kommt nun flächendeckend moderne Präsentationstechnik hinzu.
Im KITA-Bereich laufen aktuell drei große Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen in Gimmeldingen, Lachen und Mußbach, sowie ein Neubauvorhaben im Grubenhof über die WBG, und - in Kooperation mit der katholischen Kirche - eine neue KITA auf der Hambacher Höhe: St. Pius. Wir investieren so rund 20 Millionen für über 300 neue Plätze.
Den Fehlbedarf an Kita-Plätzen konnten wir in den letzten vier Jahren bereits mehr als halbieren. Wenn alle laufenden Bauvorhaben und die Sanierung der KITA Hetzelstift abgeschlossen sind - in spätestens drei Jahren - sind wir endlich in der Vollversorgung, wenn nichts völlig Außerplanmäßiges passiert.
Die größte Herausforderung wird es dann sein, ausreichend Erzieherinnen und Erzieher zu finden. Damit beschäftigt sich unsere Personal- und Organisationsabteilung.
Unser größtes und wichtigstes Stadtentwicklungsprojekt wirft seine Schatten voraus. Die Landesgartenschau 2027 wird uns finanziell etwas abverlangen. In diesem Jahr planen wir mit 4 Millionen Euro. Die Kostenschätzung für die baulichen Anlagen hatte sich zuletzt verteuert - aus nachvollziehbaren Gründen. Hier stehen wir aktuell bei 17 Millionen, wovon vom Land mindestens 70% aus acht unterschiedlichen Töpfen zurückfließen werden. Wir kämpfen natürlich für mehr. Aber es sind Millionen, die wir ohne LGS nie bekämen und die unserer Infrastruktur zugutekommen werden. Es geht vorrangig nicht um eine einmalige, große Veranstaltung, die im Oktober wieder abgebaut wird. Klar freuen wir uns sehr darauf und auch auf viele hunderttausende Besuche. Aber noch wichtiger sind die Parkanlagen, die Wege und Plätze, die Rekultivierung und wahrscheinlich im Land einmalige Umnutzung einer ehemaligen Deponie, die uns viele graue Haare gekostet hat. Die LGS bedeutet Investitionen in die Wohn- und Lebensqualität, das Freizeit- und Sportangebot, in eine ökologische Aufwertung der Flächen zwischen Speyerbach und Rehbach und eine dauerhafte Attraktivitätssteigerung auch für den Tourismus. Viele Maßnahmen der Stadtplanung, Verkehrsplanung, der Grünflächen und des Tiefbaus werden dies in den kommenden Jahren flankieren. Der Großteil der Wertschöpfung wird in der Region bleiben. Das zeigen auch die Ergebnisse der BUGA in Mannheim. Viele Landesbehörden, die wir oft für Genehmigung oder für höhenwertige Maßnahmen in der Stadt brauchen, wissen, dass die LGS eine große Sache in Neustadt werden soll. Sie ziehen mit und unterstützen. Die LGS wird Neustadt einen enormen Schub bringen. Freuen Sie sich darauf!
Großartig war im Sommer die Nachricht der Handwerkskammer der Pfalz, dass sich ihr Fördermittelgeber Bund für den Standort Neustadt entschieden hat, um hier in den kommenden Jahren ein neues Berufsausbildungs- und Technologiezentrum zu errichten. Ein Glück konnten wir den Hut rechtzeitig und entschlossen in den Ring werfen. Investment: 70 Millionen. 40 Millionen sind es für den neuen Standort der Generalzolldirektion des Bundes mit über 400 Arbeitsplätzen in der Theodor-Haubach-Straße. Hier kann ich heute mitteilen, dass die Baugenehmigung seit dieser Woche erteilt ist.
Für die Stadtentwicklung nicht minder wichtig:
Ein neuer Flächennutzungsplan ist erarbeitet und geht im Februar in die Bürgerbeteiligung. Nach Beschluss wird er uns für die räumliche Stadtentwicklung bis 2040 den Weg weisen. Wir wollen sie auf maßvolles und nachhaltiges Wachstum ausgerichtet angehen.
In unser gerade fertiggestelltes Hochwasser- und Starkregenschutzkonzept fließen in den nächsten drei Jahren jeweils 1 Million für die Umsetzung von 232 Maßnahmen im Stadtgebiet, vor allem im Außenbereich. Sie finden das Konzept und alle Maßnahmen ebenfalls auf unserer Homepage.
In beiden Planungen steckt viel mehr Arbeit, als ich sie hier in der Kürze der Zeit würdigen könnte. Sie sind Grundlage einer nachhaltigen Entwicklung.
So stellen wir in den kommenden zwei Jahren mehr als eine halbe Million Euro unter anderem für Flächenentsiegelung, Begrünungs-, Sanierungs- und Dämmungsmaßnahmen zur Verfügung. Das Geld stammt vom Land, die Arbeit machen aber wir. Am besten informieren Sie sich im Internet: Stichwort KIPKI-Bürgerförderung.
Die Stadtwerke sind im Verfahren für eine große Freiflächen-PV-Anlage, mit denen wir ein Fünftel des gesamten Neustadter Strombedarfs decken könnten. 2023 wurden knapp 100 Energiedächer realisiert, plus weitere auf den Dächern unseres Klärwerks und auf der Realschule in Hambach. In 2024 werden weitere neun PV-Anlagen auf städtischen Gebäuden entstehen.
Für Februar ist der Abschluss des strategischen Mobilitätskonzepts vorgesehen und wir starten mit der Umsetzung der Leitprojekte.
Die Stadt hat bereits im vorigen Jahr Mobility on Demand aufwendig neu konzessioniert, zuvor einen Tarifkompromiss mit dem VRN herbeigeführt und damit auch die Ausweitung des Systems ermöglicht. Respekt vor Stefan Rouwen und seinem Team für eine mutige Pionierleistung, die wir als Stadt absolut unterstützen, gleichzeitig aber weiter auch in die Verbesserung des Busverkehrs investieren. So gibt es jährlich zwei Millionen Euro mehr für neue Linien und Fahrzeuge, Taktharmonisierung und -verdichtung - insbesondere abends. Die zweite Stufe der Busausschreibung findet in diesem Jahr statt. In den vergangenen zwei Jahren wurden zudem rund 40 Bushaltestellen barrierefrei ausgebaut, denen in 2024 weitere folgen.
Gut für den ÖPNV in Neustadt, aber auch gut für den Wirtschaftsstandort, ist, dass unser Eisenbahnknoten gestärkt wird. Vor rund einem Jahr haben wir neben der ICE- Direktverbindung nach Berlin auch eine solche nach München bekommen. Ende des Jahres wird die S-Bahn Rhein-Neckar im Neustadter Hauptbahnhof mit der Straßburger S-Bahn (Réseau Express Métropolitain Européen) verknüpft, so dass Neustadt eine Direktverbindung nach Straßburg erhält. Mit einem weiteren Anstieg von Pendlern und Umsteigern darf gerechnet werden.
Die Tiefbauer haben in 2023 ordentlich Kilometer gemacht und große, millionenschwere Sanierungsmaßnahmen erfolgreich umgesetzt - übrigens alle innerhalb des angekündigten Zeitplans. In 2024 fließen alleine in Straßen und Brücken über 9 Millionen Euro, darunter sind auch viele Radverkehrsverbesserungen und Radinfrastrukturprojekte. Zur Sanierung stehen die Kellereistraße und der Harthäuserweg an, und wir steigen ein in die neue Großbaustelle Bahnhofsvorplatz, dazu später noch mehr.
Der Glasfaserausbau kommt voran, wenn auch teils nervenaufreibend aufgrund der Tiefbauqualität.
Auf viele kleinere, aber durchaus wertvolle Sanierungs- und Neugestaltungsmaßnahmen im Stadtbild gehe ich aus Zeitgründen nicht weiter ein - wie die Aufwertung des Schillerplatzes am Viehberg, den selbst Alteingesessene wohl erst neu entdecken werden, wenn er im Mai fertig ist, den neuen Spielplätzen auf dem TSG-Gelände und in der Kreuzbergstraße in Duttweiler oder die neue Grünanlage am Dorfplatz Gimmeldingen.
Und wenn Sie abschließend fragen, ob wir uns das alles leisten können, noch ein Wort zu den Finanzen:
Neustadt steht im Vergleich sehr solide da. Wir haben seit 2018 alle 16 Millionen Euro an Kassenkredite getilgt, obwohl wir in diesem Zeitraum fast 90 Millionen Euro investiert haben – so viel wie nie zuvor.
Trotz 5,6 Millionen weniger Schlüsselzuweisungen vom Land, einem happigen TVöD-Tarifabschluss und höheren Zinsen ist uns zum zweiten Mal infolge der Haushaltsausgleich im Plan gelungen, auch dank dem akribischen Finanzdezernenten Stefan Ulrich.
Wenn Sie genau hinschauen, sehen Sie hinter dem meist taufrischen Gesicht dennoch vielleicht ein paar Sorgenfalten, die auch im Stadtvorstand immer wieder zu lebhaften Diskussion führen. Wir sehen die Spielräume für die kommenden Jahre doch deutlich kritischer: Kosten, Zinsen, Aufwände allgemein, vor allem aber unserer Investitionsbedarfe steigen erheblich. Wir rechnen mit einem dreistelligen Millionenbetrag, den wir für alle bereits geplanten und aus unserer Sicht notwendigen Investitionen bis 2027 werden aufwenden müssen. Daher muss am Ende noch gesagt werden: Wenn man uns seitens Bund und Land, egal ob bei Flüchtlingszustrom, Ganztagsbetreuung, Wärmewende, klimaneutraler Stromversorgung, Mobilitätswende oder Bildungs- und Sozialpolitik schon einen Großteil der praktischen Aufgaben überlässt, dann muss man uns wenigstens die finanziellen Mittel und für manches auch mehr Zeit geben.
Wir nehmen trotzdem all diese Herausforderungen an und ich blicke durchaus zufrieden darauf, wo wir stehen und auch zuversichtlich nach vorne.
Ich hoffe, Sie spüren, dass Sie eine aufgeschlossene, motivierte, sich stetig modernisierende und krisenfeste Stadtverwaltung in Neustadt haben. Auch da gibt es Rückschläge, auch da passieren Fehler. Auch wir müssen ungewohnte, neue Anstrengungen für Fachkräftebindung und Personalentwicklung und noch mehr für Digitalisierung und Prozessoptimierung unternehmen. Vieles steht erst am Anfang, manches holpert, hakt und dauert noch. Aber wir sind auf einem sehr guten Weg.
Ich habe manches genannt, was hemmt und die Arbeit erschwert. Ein ganz wichtiger Faktor für eine gute Entwicklung Neustadts ist das politische Miteinander. Eine Wahl habe ich vorhin in meiner Aufzählung nicht vergessen, sondern bewusst an den Schluss gestellt: die Kommunalwahl am 9. Juni 2024.
Wir wählen neue Stadträtinnen und Stadträte, neue Ortsvorsteherinnen und Ortsvorsteher und neue Ortsbeiräte. Ohne sie geht bei uns nichts. Sie sind für die Bürger wichtige Ansprechpartner und Kümmerer. In den Gremien diskutieren sie die wichtigsten Vorhaben und fassen alle notwendigen Beschlüsse, ohne die ich hier nichts vorzutragen hätte.
Ich möchte dies zum Anlass nehmen, insbesondere auch ihnen für ihren nicht immer vergnüglichen und erst recht nicht lukrativen Job zu danken. Die Politik in Neustadt zeichnet sich in der ablaufenden Legislaturperiode durch ein ausgesprochen konstruktives, engagiertes und an der Sache orientiertes Arbeiten quer über alle Parteigrenzen hinweg aus. Wir sind auch dadurch trotz aller globalen Probleme und Herausforderungen handlungs- und problemlösungsfähig sowie krisenfest, weil wir zusammenstehen, wenn es drauf ankommt.
So erlebe ich Neustadt und dafür bin ich dankbar. Lassen Sie uns auch weiter unserer Zukunft nicht mit Fatalismus begegnen, sondern Haltung und Engagement zeigen. Lassen Sie uns nicht verrückt machen, sondern uns auf die Werte der Hambacher besinnen: Freiheitlich, aber auch verantwortungsbewusst bleiben! Damit können wir nicht alles, aber vieles selbst gestalten. Machen Sie gerne mit! Es gibt für den 9. Juni bestimmt bei allen Parteien und Gruppen noch freie Mitfahrgelegenheiten!
Man muss nicht alles super finden, um Optimist zu sein. Vielleicht schaffen wir es ja, viele Menschen in diesem schwierigen Jahr zu zeigen, dass wir uns gemeinsam eine gute Zukunft vorstellen können! Stadt Neustadt

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Autor:

Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße

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