Rhodt gegen Braun - Aufruf gegen Rechtsextremismus
Rhodt. "Rhodt gegen Braun" lautet in diesen Stunden das Motto des im Vorfeld angekündigten Aufrufs von acht ortsansässigen Vereinen gegen Rechtsextremismus. Während die AfD ihren angekündigten Infostand abgesagt hat, fanden zahlreiche Bürgerinnen und Bürger den Weg zum Eichplatz, um gemeinsam Farbe gegen Rechts zu bekennen.
Dem Aufruf angeschlossen hatten sich unter anderem Ortsbürgermeister Armin Pister, Bürgermeisterkollegen von den Nachbardörfern und Lothar Schwarz, ehemaliger Pfarrer in Rhodt, der mit einer beeindruckenden Rede überraschte, die wir an dieser Stelle auszugsweise zitieren möchten:
Sehr geehrte Anwesende!
Im Oktober 1940 wurden 6.500 Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland deportiert. Im Vorfeld zum 50-jährigen Gedenken erhielten die Pfarrämter Listen mit den Namen der Betroffenen. Mich machte die Liste ehemaliger Mit*bürgerinnen betroffen und ich fragte den damaligen Bürgermeister, ob er sie kannte, denn sie hätten ja in seiner Nachbarschaft gewohnt. Der eine sei ein sonderbarer Kauz gewesen, an die anderen erinnere er sich nicht mehr genau. "Und eines Tages waren sie weg?", fragte ich. Er nickte. "Und ihr habt nie nachgefragt, warum sie nicht mehr da sind?", fragte ich. "Nein!", erwiderte er. Und dann kam ein langes Schweigen. Unüblich für ihn, aber bezeichnend. Ich hatte einen blinden Fleck in seinem Leben getroffen.
Kein Mensch lebt für sich allein. Da sind die anderen, rechts und links, die Vertrauten und die Fremden. Da sind aber auch die Menschen, für deren Zukunft wir verantwortlich sind: Die Kinder und Enkel, die eine bessere Welt verdient haben, als wir sie bieten. Und da sind die Menschen, deren Erbe wir angetreten haben, deren Leistungen oder deren Versagen uns prägt.
Die eigene Vergangenheit auszublenden, macht rücksichtslos. Die Gegenwart nur mit denen gestalten zu wollen, die gegen sind, ist in der globalen Welt schlicht unmöglich. Es wäre auch langweilig. Und die Zukunftsprobleme, die da sind, als Fake News abzutun, ist Verrat an der nächsten Generation.
Ich möchte das nicht. Ich möchte keinen Antisemitismus und keine Fremdenfeindlichkeit, ich möchte keinen Häme und keinen Spott über andere, ich möchte keine geschichtslose Verhöhnung von Opfern, ich protestiere gegen Rechthaber*innen und Faktenfälscher*innen, gegen Querdenker*innen und gegen all die Populisten mit ihren einfachen und damit auch gefährlichen falschen Konzepten.
Ich möchte ehrliche Gespräche führen, möchte dem Zuhörer Raum geben und nicht den Vorurteilen, möchte Ängste wahrnehmen und versuchen, sie zu mindern, möchte aber auch, dass man mir zuhört und meine Ängste respektiert. Vor allem aber möchte ich Mitleid, auf gut griechisch: Sympathie empfinden,. Denn Sympathie ist eine zentrale und schöne christliche Aufgabe. Sympathie für Opfer und Fremdlinge, aber auch Sympathie für anders Denkende und: Sympathie für falsch Denkende.
"Nie wieder" war die einhellige Meinung nach 1945. Nach dem Krieg mussten sich die Menschen wieder zusammenraufen, die Nazis und die Opfer. Sie hatten sich versöhnt. Sie haben sich toleriert.
Was damals möglich war, sollte auch heute gelingen: Ein halbwegs vernünftiges Zusammenleben.
Deshalb: Haltung zeigen, seine Meinung sagen, das tun wir, aber auch zuhören. Auf der Basis des Grundgesetzes streiten, aber auch sich versöhnen.
Und ab und zu darüber nachdenken, dass all das , was uns in Atem hält, nur das Vorletzte ist. mp
Autor:Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße |
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