Die Liedertafel blickt auf ein erfolgreiches Jahr 2018 zurück. Bei den Mitgliederzahlen übertrifft sie bisherige Bestmarken. Nach dem Ausscheiden von Arno Metzger stellt sich der Vorstand neu auf.
Spagat zwischen Tradition und Wandel gemeistert
Ein Raunen geht durch die Reihen im Chorheim, als Prof. Dr. Frank Sobirey die Zahl 1082 ausspricht. 36 Mitglieder mehr als im Vorjahr verzeichnete der Philharmonische Chor Liedertafel Neustadt an der Weinstraße zum 31. Dezember 2018, davon 118 aktive und 964 fördernde. „Seit 2013 steigt die Zahl unserer Mitglieder stetig“, betont der Vorsitzende des Vereins bei der ordentlichen Mitgliederversammlung am 3. April. Zu diesem Zeitpunkt ist die 1100-Mitglieder-Marke bereits geknackt. Bemerkenswert: Neun aktive Sängerinnen und Sänger sind im Berichtsjahr hinzugekommen, denen vier Abgänge gegenüberstehen. „Während viele Gesangsvereine um ihr Fortbestehen bangen müssen, sind wir für die Zukunft sehr gut aufgestellt“, sagt Sobirey. „Wer sich hier einbringt, engagiert sich und wird integriert – auch über den Gesang hinaus. Die Liedertafel ist mehr als nur ein Chor.“
Als besonderes Vorbild in dieser Hinsicht würdigt Sobirey Karlheinz Nestle, der 2018 verstorben ist. 1956 trat Nestle in den damaligen Jugendchor ein, initiierte wenige Jahre später erste gemeinsame Konzerte mit und in Neustadts Partnerstadt Mâcon. Doch nicht nur mit Blick auf diese Partnerschaft war der Erfinder der „Lewwerworscht-Scharade“ beim Herrenweinabend ein Impulsgeber und Antreiber. Als der Chor 1970 kurz vor der Auflösung stand, habe Karlheinz Nestle „maßgeblich dazu beigetragen, die Liedertafel wiederauferstehen zu lassen“, unterstreicht Sobirey. 1996 erhielt der langjährige Chorobmann den Verdienstorden des Landes Rheinland-Pfalz. Mit Rat, konstruktiver Kritik und buchstäblich greifbaren Beiträgen – etwa in Form von kunstvoll individualisierten Plakaten und Programmheften – prägte das Ehrenmitglied die Geschicke des Vereins wie wenige andere.
Mit Jakob Wahl, über 36 Jahre hinweg Schatzmeister der Liedertafel, ist 2018 ein weiteres Ehrenmitglied verstorben. Den Organisator des ersten Sommernachtsfestes im Jahr 1972 würdigt Frank Sobirey vor allem für eine Entscheidung zwei Jahre zuvor: „Als der Liedertafel die Auflösung drohte, kämpfte er erfolgreich für eine Mehrheit zugunsten des Erhalts. Das hat es dem Verein erst ermöglicht, mit einem fulminanten Herrenweinabend wieder durchzustarten.“
Der 122. Herrenweinabend am 27. Januar unter dem Motto „Vun de Haardt bis an de Rhoi: De Pälzer Mann trinkt Herrewoi.“ bildet den Auftakt zu Sobireys Bericht über die Aktivitäten der Liedertafel im Jahr 2018. Weitere zentrale Ereignisse waren neben dem nunmehr 47. Sommernachtsfest ein Serenaden-Konzert im Weingut Peter Stolleis Carl-Theodor-Hof in Gimmeldingen mit den „Liebeslieder-Walzern“ von Johannes Brahms“ und Edward Elgars „From the Bavarian Highlands“, die Beteiligung an einer Aufführung der Lincoln Choral Society von Benjamin Brittens „War Requiem“ anlässlich des Endes des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren sowie schließlich das Weihnachtskonzert im Saalbau mit Georg Friedrich Händels „Alexander-Fest“ in der Bearbeitung von Wolfgang Amadeus Mozart. Ein besonderer Höhepunkt, so Sobirey, sei die Teilnahme am Demokratiefestival „HAMBACH!“ gewesen. Gemeinsam mit vielen Besuchern stimmte die Liedertafel am 16. September auf dem Hambacher Schloss die „Ode an die Freude“ an, deren Instrumentalfassung die Hymne der Europäischen Union und des Europarates ist. „Gerade in diesen Zeiten ist es wichtig, ein klares Bekenntnis zu Europa abzulegen.“
Hermine Boeckmann richtet den Blick nach vorn: Die Sänger probten bereites begeistert für das Konzert unter dem Motto „Orpheus hoch zwei“ am 10. Juni, berichtet die stellvertretende Vorsitzende und Sprecherin des Konzertchores. Am Pfingstmontag im Saalbau können sich die Zuhörer und Zuschauer auf Chöre, Arien und Ballett mit Musik von Christoph Willibald Gluck und Jacques Offenbach freuen. Nach dem Weihnachtskonzert am 22. Dezember mit „Lauda Sion“, „Vom Himmel hoch“ und dem Oratorienfragment „Christus“ von Felix Mendelssohn Bartholdy soll im kommenden Jahr das 50-jährige Bestehen der Partnerschaft mit der Chorale Cantoria in Mâcon einen besonderen Schwerpunkt der Aktivitäten bilden, unter anderem in Form gemeinsamer Konzerte.
Neben der programmatischen Vielfalt stimmt vor allem die musikalische Entwicklung in der jüngeren Vergangenheit Chorleiter Hans Jochen Braunstein optimistisch. Unter anderem auf eine erfolgreiche Verjüngung des Chores sei es zurückzuführen, dass die Liedertafel in der Lage sei, Konzert für Konzert ein anspruchsvolles Programm zu meistern. Anlass zum Ausruhen sieht Braunstein aber keineswegs: „Wir müssen immer wachsam sein und offen für Veränderungen bleiben.“
Eine Neubesetzung steht auch bei der folgenden Wahl des Vorstands an. Nach 15 Jahren kandidiert der bisherige Referent für Öffentlichkeitsarbeit, Arno Metzger (69), nicht erneut. Als Nachfolger tritt Dennis Christmann an, der sich seit 2011 bei der Liedertafel engagiert. Einstimmig wird der 32-Jährige gewählt, ebenfalls einstimmig werden Prof. Dr. Frank Sobirey (Vorsitzender), Hermine Boeckmann (stellvertretende Vorsitzende und Sprecherin des Konzertchores), Karl Gauggel (Schriftführer), Ute Zinkgraf-Gauggel (Schatzmeisterin) und Henrike Stübinger (Kassenführerin) in ihrem jeweiligen Amt bestätigt. Die Rechnungsprüfer für das laufende Jahr sind Jutta Stammwitz-Becker und Jens-Uwe Bliesener.
Ehrungen des Vereins und des Deutschen Chorverbandes für ihr langjähriges Engagement erhalten an diesem Abend Hildegard Kraus und Uschi Schweickart. Sie beide gehören der Liedertafel seit 25 Jahren an. Für ihr aktives Singen im Chor während der zurückliegenden zehn Jahre werden Mary Campbell, Peter Marz, Dr. Peter Hoppe, Hermine Boeckmann und Dr. Thomas Böhmer ausgezeichnet.
Eine besondere Würdigung erfährt schließlich der scheidende Referent für Öffentlichkeitsarbeit: Unter dem tosenden Applaus der Liedertäfler wird Arno Metzger zum Ehrenmitglied ernannt. „Schon seit seinem Eintritt in den Chor hat er sich eingebracht und viel bewegt“, betont Frank Sobirey. Vom Info-Brief in Form eines Newsletters per E-Mail bis zum Verweis auf digitale Probehilfen zu anspruchsvollen Werken habe Metzger enorme Kreativität bewiesen und bei den vielfältigen gesellschaftlichen Aktivitäten der Liedertafel immer beherzt mit angepackt. Sichtlich gerührt, verspricht das neue Ehrenmitglied, sich auch weiterhin für den Verein zu engagieren: „Schließlich ist die Liedertafel mehr als nur ein Chor!“
Autor:Dennis Christmann aus Neustadt/Weinstraße |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.