Kriegsende vor 75 Jahren:
Französische Besatzung feierte Abschied mit Hühnerfest
Philippsburg/Region. Rheinsheim im Juli 1945: Überall sichtbare Zerstörungen, beschädigte Häuser, abgebrannte Schuppen, dazu Hunger und Not allenthalben. Die bange Frage lautete: Wie überstehe ich den morgigen Tag, bestenfalls die nächste Woche?
Es gebe wohl keinen einzigen Rhonsemer, der sich, soweit altersmäßig möglich, nicht an das Kriegsende erinnern könne, weiß der gebürtige Rheinsheimer und später nach Huttenheim verheiratete Karlheinz Bauer, damals elf Jahre alt. Alle früheren und jetzigen Zeitzeugen waren und sind sich einig: Viel Leid zu erdulden hatte die Bevölkerung in der Rheingemeinde. Einiges gedenkt dem 86-Jährigen noch gut, vieles kennt er aus Erzählungen.
In besonderer Weise musste Rheinsheim unter den Vergeltungen leiden, als nach einwöchigem Beschuss die französischen Truppen mit ihren berüchtigten grausamen marokkanischen Einheiten über den Rhein kamen.
Bevor die Alliierten am 31. März 1945 übersetzten, beschossen sie im Dauerfeuer den gegenüberliegenden Ort mit dem markanten Dom. Bauers Elternhaus in der Hauptstraße 46 wurde nahezu zerstört, die Scheune brannte lichterloh. Glücklicherweise konnte der Vater, der wegen seiner Landwirtschaft nicht in den Krieg hatte ziehen müssen, das Vieh aus dem Stall retten.
Bei der Großmutter kam die vierköpfige Familie unter. Der endgültige Wiederaufbau des zerstörten Hauses erfolgte erst 1946, denn alles benötigte Material war schwerlich zu beschaffen. „Keine schöne Zeit“, meint der Rheinsheimer-Huttenheimer rückblickend. „Für uns Kinder fiel viel Arbeit an: Steine abklopfen und Nägel geradebiegen, auf dem Feld und im Stall helfen, rund um die Uhr.“
Zunächst unterstand die besetzte Region der französischen Militärregierung, ab dem 8. Juli der amerikanischen Verwaltung. Vor Augen hat Bauer noch die französischen Soldaten im Hof der Großmutter, wo diese zum Abschluss ihres Daseins ein gemeinschaftliches Hühneressen organisierten. In der Nachbarschaft hatten die Vertreter der Siegermächte die wenigen Hennen gefangen genommen und sie zum Verzehr verurteilt.
Viel zu essen gab es nicht für die Deutschen. „Wir litten alle unter Hunger. Als Landwirtsfamilie durften wir drei Kühe, drei Rinder und zwei Schweine halten. Weil es an allem fehlte, auch an Futter, bekamen die Kühe den Lauch zu fressen, den wir reichlich auf dem Feld angebaut hatten. Ganz schrecklich: Die Milch schmeckte furchtbar nach Lauch.“
Um einmal an kräftige Nahrung für die Familie und Verwandtschaft zu kommen, entschloss sich der Vater, eines der Schweine zu schlachten. Die komplette Kostbarkeit brachte er in einem großen Fleischständer unter, der im verriegelten Keller stand. Doch am nächsten Morgen war alles verschwunden, alles leer, alles geklaut. Übers kleine Kellerloch war der Dieb an seine Beute gelangt. „Wir hatten so viel Arbeit – und jetzt nichts mehr zu essen“. 1946 wiederholte sich die aus damaliger Sicht zu bezeichnende Katastrophe. Die gesamte Frucht wurde ihnen vom Acker gestohlen.
Autor:Werner Schmidhuber aus Waghäusel |
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