Pirmasenser Gäste auf Zeitreise in der Bundeshauptstadt
Berlin hat nicht nur "schwarze Seiten"
Pirmasens. „Der Himmel über Berlin“ ist von einem intensiven Blau. Ein Farbton, der sich wie ein roter Faden durch das Besuchsprogramm der Gäste aus Pirmasens zieht. Auf Einladung der Bundestagsabgeordneten Brigitte Freihold (Linke) und organisiert vom Bundespresseamt atmen die wissbegierigen Besucher „Berliner Luft“ mit historischer und politischer „Duftrichtung“. Nicht wenige würden beim Abschied der legendären Knef recht geben, die immer wieder betont hatte: „Ich hab’ noch einen Koffer in Berlin“.Zurück zu Blau, wie die Wasseroberfläche des „Weissensees“, einem romantischen Ausflugsziel. In einem Hotel in der Nähe sind die Teilnehmer der politischen Bildungsfahrt untergebracht. Berühmt wurde dieser Ortsteil von Pankow in den letzten Jahren durch die gleichnamige TV-Serie. Die Schicksale der Menschen in einer geteilten Stadt, Machtmissbrauch und Spionage, Angst und Korruption werden hier packend dargestellt. Doch jetzt ist die Mattscheibe weg und die realen Orte so vieler Verbrechen haben plötzlich ein Gesicht.
Aus einer (fast) heilen Welt kommend, werden die Pfälzer bei einer Stadtrundfahrt mit den Hinterlassenschaften der Nazis konfrontiert, kriecht Gänsehaut über den ganzen Körper beim Anblick des Staufenberg-Denkmals im Bendlerblock, der Gedenkstätte des deutschen Widerstandes, wo die Drahtzieher des missglückten Attentates auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 erschossen wurden.
Wechselnde Empfindungen durchströmen den Besucher beim Gang durch das Holocaust-Mahnmal, das der New Yorker Architekt Peter Eisenmann entworfen hat – ohne große Erklärungen. Er wollte, dass sich die Menschen selbst ein Bild dieses Werkes machen, das auf wellenförmigem Grund errichtet wurde und aus 2711 Betonstelen in unterschiedlicher Größe besteht. Wer durch die Gänge läuft, verspürt an manchen Stellen ein Gefühl der Enge, des Eingesperrtseins. Unwillkürlich drängen sich Fragen auf: Wie vielen gesellschaftlichen Zwängen sind wir tagtäglich unterworfen, lassen wir uns von der öffentlichen Meinung beeinflussen, wo verlaufen die Grenzen der Moral? Zwar scheint die Sonne, doch die Betroffenheit bleibt.
Aber Berlin pulsiert, lockt und verlockt – auch mit der Aussicht auf schöne Seiten der Metropole. So bieten sich vom Fernsehturm, wo die Pirmasenser in fröhlicher Runde dinieren, fantastische Blicke auf die Hauptstadt zu ihren Füßen, über der ein pastellblauer Dunst hängt. (Womit wir wieder bei unserem Farbton sind). Dass sich das Restaurant leise im Kreise dreht, macht das Vergnügen komplett.
Auf dem bildungspolitischen Programm stehen auch Informationsgespräche mit verschiedenen Institutionen. Dabei erfahren die Gäste viele interessante Geschichten. Etwa über das Karl-Liebknecht-Haus, das die Zentrale der Linken-Partei beherrbergt. Mit der Arbeit im Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Kleisthaus werden die Pfälzer ebenso vertraut gemacht, wie mit den Aufgaben des Parlamentes, das im Reichstagsgebäude untergebracht ist und auf speziellen Stühlen Platz nimmt. Hier setzt wieder unser „roter Faden“ an: Als Teil des gesamten Designs ist die Farbe „Reichstags-Blue“ des Architekten Norman Foster patentiert. Dabei handelt es sich um ein markantes Blau, das je nach Lichteinfall auch ins Violette geht.
Nach einem Gespräch mit der Pirmasenser Bundestagsabgeordneten Brigitte Freihold, die als „Neuling“ im Parlament erst vor acht Monaten nach Berlin kam und anschaulich von ihren Aufgaben in Kultur- und Bildungsausschüssen berichtet, geht es hinauf in die (heiße) Kuppel. Hier, dem „Himmel über Berlin“ ganz nah, sieht die Welt aus, wie eine Spielzeuglandschaft. Das blaue Band der Spree, die Dächer bedeutender Gebäude wie das legendäre Hotel Adlon, aber auch der Potsdamer Platz und das Brandenburger Tor fesseln den Blick des Touristen.
Was sich so hinter den Kulissen des Weltgeschehens, der Filmkunst, aber auch im Alltag des kleinen Mannes im Laufe der Geschichte so erreignete, erzählt Stadtführerin Jenny Löbert genauso spannend, wie die trockenen Fakten und Jahreszahlen. Die frei schaffende Künstlerin ist nicht nur in ihrem Metier sehr kreativ, sondern versteht es, den Besuchern ein farbiges Bild von Berlin zu zeichnen mit einigen schwarzen Punkten, aber auch viel Humor und Lebensfreude. So ist trotz Starkregen am Abend zuvor der „Himmel über Berlin“ von einem strahlenden Blau, als die Pirmasenser Abschied nehmen müsseb. Kleiner Trost: Berlin ist nicht aus der Welt, selbst wenn der Weg (im Bus) sich teilweise wie „Kaugummi zieht“. (ak)
Autor:Andrea Kling aus Pirmasens |
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