„Heimat“ Thema der letzten Neujahrsansprache von OB Matheis
Der „Impulsgeber“ geht von Bord
von andrea katharina kling-kimmle
Pirmasens. Ein Lotse schickt sich an, von Bord zu gehen. Es war seine letzte Neujahrsansprache, die Oberbürgermeister Dr. Bernhard Matheis (63) nutzte, um „auf dem Boden zu bleiben“ oder anders ausgedrückt, sich und die Gäste mit dem Begriff „Heimat“ zu erden. Sein Appell an alle zum Schluss: „Ubi bene, ibi patria“, ein Zitat des römischen Schriftstellers Pacuvius (220 – 130 vor Christus). Es heißt soviel wie: „Wo ich gut sein kann, ist meine Heimat“. Musikalisch umrahmt wurde der Empfang in der schön dekorierten Festhalle von dem Frauenchor ex-semble unter seinem Leiter Christoph Haßler.
Für Bernhard Matheis, der bei Neujahrsempfängen nie mit Worten geizt, sind Ansprache und „Nachgespräche“ Impulsgeber für die „Heimatstadt“. Dabei war sicherlich nicht der gängige „Klatsch und Tratsch“ gemeint, sondern ein geistreicher Austausch, zu dem er mit seinen Äußerungen stets beitragen will. Statt sich bei einer „Bilanzpressekonferenz“ für realisierte Projekte loben zu lassen, warf der OB vielmehr Fragen der Globalisierungsprozesse, der Digitalisierung sowie deren Auswirkung auf Politik, Unternehmen, aber auch auf jeden Einzelnen auf. Der Trend gehe zu künstlicher Intelligenz und Roboting, die zu noch mehr Effizienz führen sollen. Als Beispiel nannte der 63-jährige den Sportschuhkauf per Internet als eine Vision, bei der kein einziger Mensch benötigt wird. Doch wie sieht die Perspektive aus, wo wird der Platz eines jeden in dieser Entwicklung sein, woran soll man sich orientieren? Fest stehe: „Die Digitalisierung wird mit Chancen und Risiken für die Gesellschaft und jeden Einzelnen verbunden sein.“
Es herrscht im wahrsten Sinn des Wortes „Bewegung in der Welt“. Das zeige sich ganz deutlich in der Aus- und Zuwanderung in den letzten 400 Jahren. Für Österreicher und Schweizer wurde die Pfalz neue Heimat. Die Bürger hier suchten umgekehrt ihr Glück in Russland und Amerika. Diese ganze Tendenz, hat Bernhard Matheis festgestellt, löse stets Zweifel und Ängste bei den Betroffenen aus. Grundsätzliche wollen sich alle heimisch fühlen, haben das Bedürfnis, sich ihrer Wurzeln bewusst zu bleiben, aber auch Einbindung und Orientierung zu finden. Es gäbe ein Urbedürfnis, „Gewissheit zu haben, wo man hingehört“. Flapsig ausgedrückt reiche es nicht zu sagen: „Home is, where my computer is“.
Das Netz biete keine Zugehörigkeit und Verbundenheit, sondern die reale Welt mit ihren Menschen und deren Grundwertvorstellungen. In diesem Zusammenhang habe die Politik den Begriff „Heimat“ entdeckt, der Kultursommer Rheinland-Pfalz stehe in diesem Jahr unter dem Motto „Heimaten“. Bei der Interpretation dieses Begriffes nahm Oberbürgermeister Dr. Bernhard Matheis bei einem klugen Mann Anleihe. Als ehemaligem Lateinschüler fiel es ihm nicht schwer den römischen Schriftsteller Pacuvius zu zitieren: „Ubi bene, ibi patria“. Übersetzt heißt das: „Wo ich gut sein kann, ist meine Heimat“. Damit werden alle politischen, gesellschaftlichen und religiösen Bereiche abgedeckt, folgerte der Redner.
Interessant war in diesem Zusammenhang die Überlegung, ob die Stadt Pirmasens überhaupt „das Zeug dazu hat“, Heimat für Bürger und Einwanderer zu werden? Angesichts vieler Initiativen sieht Matheis einen guten Ansatz für das Engagement der Bürger. Zu den Vorzeigeprojekten zählte der OB auch den „Pakt für Pirmasens“, den er beim Neujahrsempfang 2008 initiiert hatte.
Heimat zu schaffen, sei eine Zukunftsaufgabe, die sich auf die ganze Region erstrecke. Erfreulich sei, dass auch Landrätin Dr. Susanne Ganster (in schicken Hochfrontpumps) und der Zweibrücker Kollege Dr. Wosniza mit am gleichen Strang ziehen, etwa bei der ärztlichen Versorgung oder auch der Schulentwicklung.
Als guter Stadtvater gab es von Bernhard Matheis auch Lob für die Pirmasenser, die in den letzten zehn Jahren eine bessere Meinung von ihrer Vaterstadt gewonnen haben: 60 Prozent seien heute der Ansicht, es gehe mit Pirmasens aufwärts. Allgemein sei zu erkennen, dass Mittelstädte angesichts einer hohe Lebensqualität dank Versorgungs-, Freizeit-, Kultur- und Sporteinrichtungen in der Gunst der Menschen gestiegen sind. Pirmasens punkte darüber hinaus auch mit einer „grandiosen Naturlandschaft“. Dies zu erkennen und daran zu glauben sei wichtig, um auch andere davon zu überzeugen, so das Stadtoberhaupt. Zum Schluss seiner Neujahrsrede äußerte Matheis den Wunsch, dass sich alle am Aufbau beteiligen: „Ubi bene, ibi patria!“
Im Anschluss standen mit drei engagierten Bürgern Menschen im Mittelpunkt, die bereits einen Teil zum Aufbau einer wirklichen „Heimat“ beigetragen haben. Für ihre tatkräftige Mitarbeit im „Pakt für Pirmasens“ (insbesondere bei der Lebenswegbegleitung) erhielt Lore Brandau (74) die Landgrafenmedaille. Die konnte auch Wolfgang Folz (64) entgegen nehmen, der seit 1967 unermüdlich für die Pfadfindergruppe im Einsatz und seit 2003 erster Vorsitzender ist. Dritter im Bunde war Konrad Schmidt (82), der seit 55 Jahren aktives Mitglied im THW Pirmasens ist und als Vorsitzender des Vereins für Kehlkopflose (und Betroffener) als Referent der Präventionskampagne „Ohne Kippe“ in vielen Veranstaltungen Schüler von einem „Leben ohne Zigaretten“ überzeugen konnte. Er wurde von Bernhard Matheis mit der Stadt-ehrenplakette in Bronze ausgezeichnet. ak
Autor:Andrea Kling aus Pirmasens |
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