Auch 2022 wandeln Gästeführer auf historischen Spuren
Lust auf Stadtgeschichte
Pirmasens. Geschichte ist spannend, das zeigt die Resonanz auf die Stadtführungen, bei denen jeder Monat ein historischer Aspekt aufgegriffen wird. Im vergangenen Jahr, das erneut von den Einschränkungen der Corona-Pandemie stark geprägt war, haben 123 Interessierte (2020: 122) an den offenen Gästeführungen teilgenommen.
Vor diesem Hintergrund hat Stadtarchivarin Heike Wittmer zusammen mit ihren Mitarbeitern Norman Salzmann und Peter Felber in enger Abstimmung mit den 16 ausgebildeten Gästeführern auch für 2022 wieder ein abwechslungsreiches Programm konzeptioniert. Zwischen Februar und November werden zehn Termine mit unterschiedlichen Themen angeboten.
Los geht es im Februar mit einer spannenden Zeitreise durch die Pirmasenser Geschichte. Die Teilnehmer der Omnibus-Tour erleben eindrucksvoll, wie die einst dominierenden Industriezweige „rund um den Schuh“ das Stadtbild mit seiner Architektur geprägt hat. Die von Gabriele Großlaub moderierte Rundfahrt ist nicht nur reine Reminiszenz, sondern auch ein Blick in die Zukunft. Das Stichwort „Transformation“ ist prägend für Pirmasens als einer Stadt im Wandel, die sich ständig neu erfindet. Hauptaugenmerk der Tour liegt auf der Husterhöhe. Das weitläufige Areal im Norden der Stadt diente von 1945 bis 1997 als US-Militärbasis und wurde nach dem fast vollständigen Abzug der Streitkräfte im Rahmen eines breit angelegten Konversionsprojektes in einen Technologie- und Gewerbepark umgewandelt.
Die Teilnehmer erfahren Wissenswertes rund um die hier gebündelte Schuh-Kompetenz, die sich von Forschung und Lehre bis hin zur Produktion erstreckt. Weitere Station wird der Sommerwald sein. Die Siedlung feiert in diesem Jahr ihr 90-jähriges Bestehen.
Im März steht eine Dialektführung mit Pirmasenser Geschichte(n) auf dem Programm. Unter der Überschrift „Wie geredd, so gebabbelt“ wird Gerd Blinn den Teilnehmern sowohl geografisch als auch sprachlich das Herz von „Bärmesens“ öffnen. Zum Auftakt führt er die Gruppe an den Wedebrunnen, die Keimzelle des einstigen Dorfes, gewürzt mit Redensarten und Anekdoten.
„Glockenläuten am Horeb“ ist die April-Führung betitelt. Im Mittelpunkt stehen die Sakralbauten der zentralen Innenstadt. Neben den ältesten Gotteshäusern, der Lutherkirche in der Hauptstraße und der Johanneskirche gegenüber dem Exerzierplatz, lenkt Ursula Neubauer den Blick auch auf St. Pirmin, benannt nach dem Namenspatron von Pirmasens. Das größte Gotteshaus der Horebstadt wurde 1900 eingeweiht und im Zweiten Weltkrieg schwer zerstört. Längst ist die Kirche mit ihren markanten Zwillingstürmen zu einem Wahrzeichen geworden. In unmittelbarer Nachbarschaft befindet sich das Nardinihaus, das auf den Seligen Paul Josef Nardini (1821-1862) zurückgeht. Der Pfarrer und Sozialreformer hat durch sein segensreiches Wirken die Stadtgeschichte maßgeblich mitgeprägt. Am 27. Januar 2022 jährt sich der Todestag des Ordensgründers zum 160. Mal.
Im Mai heißt es „Auf die Plätze, fertig, los“. An kaum einem anderen Ort wird die Geschichte von Pirmasens sichtbarer, als an den zahlreichen Plätzen - sowohl was die historischen Ereignisse angeht, als auch was die baulichen Veränderungen betrifft. Helga Knerr nimmt die Teilnehmer mit auf einen Spaziergang, der vom Schlossplatz über den Exe zum Dr.-Robert-Schelp-Platz und den Joseph-Krekeler-Platz bis zur Esplanade vor dem Hauptbahnhof führt.
Die offene Gästeführung im Juni ist dem größten Stadtquartier gewidmet. „Geschichte und Geschichten rund um das Winzler Viertel“ erzählt Dr. Wolfgang Brendel. Ausgehend vom Walter-Slodki-Platz am Winzler Tor erkunden die Teilnehmer das traditionsreiche Arbeiterquartier. Erinnert wird auch an die zahlreichen Schuhfabriken, die einst das Viertel prägten und hunderten Arbeitern Lohn und Brot gaben.
Aber nicht nur die Vergangenheit, auch der Blick in Gegenwart und Zukunft nimmt breiten Raum ein. Die Führung endet am P11, dem Begegnungszentrum auf dem Areal von PS:Patio!. Das bundesweit vielbeachtete Leuchtturmprojekt von Stadt, Bauhilfe und Diakoniezentrum gilt als Erfolgsmodell für eine generationenübergreifende Wohnform.
„Wir packen den Stier bei den Hörnern“ heißt es im Juli. Dann beschäftigt sich Lothar Leiner mit dem Pirmasenser Wahrzeichen. Zahlreiche fantasievoll gestaltete Kunststoff-Stiere in Lebensgröße prägen inzwischen das Stadtbild. Das wohl meistfotografierte Motiv, der Schlossbrunnen, wird ebenfalls von einem Stier gekrönt. Der Pfälzer Künstler Professor Gernot Rumpf erschuf 1984 – auf Initiative des Lions Club – den „Ur-Stier“.
Im August führt der Weg auf den Kirchberg und verspricht einen „Spaziergang durchs Musikerviertel“. Rainer Schnur und Gerd Blinn begleiten die Teilnehmer und erinnern nicht nur an die Musik und Komponisten von Bach bis Wagner, sondern geben auch interessante Hinweise zur Entstehung des Viertels und dessen Architektur.
Der Alte Friedhof ist die grüne Oase im Herzen von Pirmasens. Unter dem Titel „In Stein gemeißelt“ nimmt Moritz Weber im September die Teilnehmer mit auf einen Spaziergang durch den sechs Hektar großen Park. Ein historischer Baumbestand und handwerklich bedeutsame wie kunstvolle Grabmäler prägen – zusammen mit dem Carolinensaal – die Anlage. Neun moderne Sandsteinplastiken bilden einen Kontrapunkt zu den eindrucksvollen Steinmetzarbeiten der Vergangenheit.
Pirmasens ist Schuh! Untrennbar sind der Aufstieg, Niedergang und die Transformation dieses einst dominierenden Industriezweigs in Pirmasens mit dem Namen Rheinberger verbunden. Anlässlich der Gründung der Schuhfabrik Rheinberger vor 140 Jahren begibt sich Herbert Pfeffer im Oktober bei der „Schlabbetour“ auf Spurensuche. Er erklärt exemplarisch, was von den einstigen Dynastien samt Industrieschlössern übrig geblieben ist und wie die überwiegend stadtbildprägenden Gebäude nachgenutzt wurden.
Der Gästeführer bringt den Teilnehmern auf einem Rundgang außerdem die Entwicklung des Schuhmacherhandwerks näher und zeigt auf, welche Infrastruktur gestern und heute nötig war, um den Handel und die Industrie voranzutreiben.
Den Jahresreigen beschließt im November die Führung „Stilles Gedenken“. Im Mittelpunkt steht die Stele, mit der 2014 auf der Esplanade am Bahnhof eine zentrale Gedenkstätte geschaffen wurde, die an die Verfolgten der NS-Zeit erinnert. Inzwischen hat man dezentral mehr als 40 Tafeln zumeist an Wohn- und Geschäftshäusern angebracht, die auf deren Schicksale hinweisen. Ute Jaquet-Wagner nimmt die Teilnehmer mit auf einen Spaziergang auf dem Gedenkweg durch die Innenstadt und spricht dabei über die Machenschaften des NS-Regimes, die eine Verfolgung der Opfer überhaupt erst möglich gemacht haben. ak/ps
Info:
Die offenen Gästeführungen finden jeden ersten Samstag zwischen Februar und November statt. Beginn ist jeweils um 14.30 Uhr. Erwachsene zahlen für die Teilnahme pro Person fünf Euro; Kinder (bis 14 Jahre) sind frei. Abweichende Preise gelten bei der Zeitreise mit dem Bus, diese Tour kostet zehn Euro. Eine Anmeldung ist unbedingt erforderlich. Telefon: 06331 842299; www.pirmasens.de/stadtarchiv
Autor:Andrea Kling aus Pirmasens |
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