„Schutzengel“ für bedürftige und kranke Menschen
Nächstenliebe nicht nur an Weihnachten

Jeden Mittag für ihre „Jungs“ da: Schwester Engeltraud hat für jeden Gast, der zum Essen ins Nardinihaus kommt, ein Lächeln übrig.  Foto: Kling
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  • Jeden Mittag für ihre „Jungs“ da: Schwester Engeltraud hat für jeden Gast, der zum Essen ins Nardinihaus kommt, ein Lächeln übrig. Foto: Kling
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von andrea kling

„Das wahre Geschenk besteht nicht in dem. was gegeben oder getan wird, sondern in der Absicht des Gebenden oder Handelnden.“
Seneca, römischer Philosoph

Pirmasens. Jeder, ob Christ oder Atheist, verbindet mit dem Weihnachtsfest Geborgenheit und Harmonie im Kreise der Familie. Aber nicht alle können diese trauten Stunden mit Bescherung, erlesenen Speisen und edlen Getränken im Glanz des geschmückten Tannenbaums genießen. „Weihnachten ist ein Tag wie jeder andere“, sagt der 55-jährige Martin (Name von der Redaktion geändert), der arbeitslos ist und sich oft mit anderen Leidensgenossen im Nardinihaus beim Mittagstisch für Mittellose trifft. Für sie gestalten die Franziskanerinnen von der Heiligen Familie (im Volksmund Nardini-Schwestern genannt) eine Weihnachtsfeier vor der Krippe im Pfortenbereich.

„Driving home for christmas“ singt Chris Rhea, doch nicht jeder kann an Heiligabend zuhause sein. Insbesondere Kinder, die krank in der Klinik liegen, empfinden dies besonders schmerzlich. Für sie hat Chefarzt Dr. Hans-Georg Kläber ein Trostpflaster: Gemeinsam mit dem stellvertretenden Verwaltungschef Erwin Merz geht er am 20. Dezember durch die Station und überreicht jedem kleinen Patienten ein Geschenk. An Heiligabend, so der Mediziner, gibt es für die Jungen und Mädchen noch mal was: „Die Firma ATU hat in diesem Jahr Päckchen geschnürt, die wir am 24. Dezember verteilen sollen“. Damit will das Unternehmen ein wenig Weihnachtsstimmung in die Kinderklinik bringen. Gerade an den Feiertagen, weiß Dr. Kläber aus Erfahrung, muss so mancher Steppke mit Magen-Darm-Infekt oder Atemwegsproblemen ins Krankenhaus. „Nicht selten rühren Bauchschmerzen und Verstopfung durch zuviel Süßigkeiten her“. In der Kinderstation stehen regulär 28 Plätze zur Verfügung. Da bei Kleinkindern aber ein Elternteil mit im Zimmer bleiben kann, sind es in der Regel zwischen 15 und 20 kleine Patienten, die aufgenommen werden können. In diesem Jahr waren laut Chefarzt bis einschließlich Oktober rund 2.000 Fälle behandelt worden. Unabhängig von Weihnachten hat der Mediziner ein großes Herz für die Kleinen. So verteilt der Förderverein „Westpfalzküken“, dessen Vorsitzender Kläber ist, übers Jahr verteilt zwischen 300 und 400 „Trösterteddys“, finanziert durch Spenden. Die Kuscheltiere sollen die schweren Zeiten im Krankenhaus etwas erträglicher machen.
Eine segensreiche Einrichtung, die ebenfalls das ganze Jahr über das Leben etwas leichter machen will, ist die Pirmasenser Tafel. Hier können sich Bedürftige (nach Vorlage einer Bescheinigung) an zwei Tagen die Woche mit Lebensmittel eindecken. Die werden von Unternehmen zur Verfügung gestellt, von Mitgliedern des Tafel-Vereins abgeholt und im „Laden“ in der Werner-Egk-Straße ausgegeben. In der Vorweihnachtszeit spendet die Rheinberger-Stiftung eine große Zahl an Schoko-Weihnachtsmänner sowie Plätzchen. Die werden laut Erwin Hess, Vorsitzender der Tafel, separat ausgegeben. „Andere Extra-Geschenke haben wir nicht“. Zwar gebe es in den Adventswochen immer mal Aktionen von Kindergärten oder Privatleuten. „Da es sich in der Regel um haltbare Nahrungsmittel handelt, werden sie sozusagen als Puffer benutzt, um unseren Kunden eine ausreichende Zahl an Waren zu bieten, wenn von den Unternehmen mal weniger zur Verfügung gestellt wird“, sagt Hess.
Eine Zunahme an „Konsumenten“ vor dem Fest könne man nicht registrieren. Es kommen übers Jahr verteilt wöchentlich zwischen 300 und 350 Menschen zur Tafel, verteilt auf Dienstag und Donnerstag.
Die Ausgabe beschränkt sich auf Lebensmittel, „Spielsachen werden ganz selten bei uns abgegeben“. Geldspenden werden für die Aufrechterhaltung des Betriebes benutzt. Zuwendungen für die Kindertafel dienen laut Hess dazu, hungrigen Mädchen und Jungen in Kitas und Schulen ein kostenloses Mittagessen zu finanzieren.
Dass bedürftige Erwachsene „was Warmes in den Bauch bekommen“, dafür sorgen seit über 150 Jahren die Franziskanerinnen in Pirmasens, deren Orden von Pfarrer Paul Josef Nardini gegründet wurde. Er hatte sich von 1851 bis zu seinem Tod 1862 gemeinsam mit den Nonnen der Kinder, Alten und Notleidenden angenommen. Oberin Schwester Roswitha: „Unsere Gäste bekommen um 9.30 Uhr Kaffee, das ist sehr wichtig. Dann spielen sie Karten oder unterhalten sich und um 11 Uhr gibt es ein warmes Mittagessen“. Seit vier Jahren hat diese Aufgabe Schwester Engeltraud übernommen, eine kuragierte Ordensfrau, die ihre „Jungs“ mag, aber auch mal kurzen Prozess macht. Im Gespräch mit dem Wochenblatt erzählt sie: „Als einer der Männer so stark betrunken war, habe ich ihn abgewiesen.“ Es gibt strenge Regeln in der gemütlichen Stube neben der Nardinikapelle: „Kein Alkohol, keine Drogen und keine Zigaretten im Speisezimmer. Außerdem erwarten wir gegenseitige Toleranz und Respekt, auch den Schwestern gegenüber“, betont die Oberin. Daran halten sich die Herren meistens. Sie sind in der Überzahl am Mittagstisch im Kloster. „Bei den Frauen ist die Hemmschwelle höher, sich als bedürftig zu offenbaren“, weiß Schwester Roswitha. Doch im Gegensatz zur Tafel müssen sich die Gäste nicht ausweisen, dürfen anonym bleiben. Meist handelt es sich um Menschen, die arbeitslos wurden oder deren Beziehung in die Brüche gegangen ist und sie damit nicht klar kommen.
Im Nardinihaus fühlen sich die Gäste – zumindest für eine kurze Zeit – wohl. Der 55-jährige Martin, der an diesem Tag Geburtstag hat, bezeichnet seine „Leidensgenossen“ sowie die Schwestern als Familie. Alle haben ihm gratuliert und Engeltraud hat aus ihrem Fundus eine kleine Tafel Schokolade und etwas Gebäck als „Geschenk“ überreicht. Stolz erzählt Martin von seiner Ü25-Maßnahme, die er beim IB absolviert. Er hatte den Beruf des Malers erlernt, kann aber seit 30 Jahren wegen einer Allergie nicht in diesem Metier arbeiten. Jetzt hält er sich mit Zeitverträgen über Wasser, „was Festes hat sich nie ergeben“. Seit etwa fünf Jahren isst er mehr oder weniger regelmäßig im Kloster zu Mittag. Zwischen acht und zehn Gäste werden hier pro Tag (außer Samstag, Sonn- und Feiertag) verköstigt. Meist kommen sie aufgrund von „Mund-zu-Mund-Propaganda“, erzählt Schwester Engeltraud. Als Gegenleistung müssen sie nach dem Essen abspülen und aufräumen. Auch kleine Reinigungsarbeiten übernehmen die Fleißigsten gerne, während die anderen sich drücken.
„An Weihnachten holen wir alle an die Krippe im Pfortenbereich“,freut sich die Oberin auf eine ganz besondere Feier. Dabei erinnert sie die Besucher gerne an den Seligen Paul Josef Nardini, „denn er ist schuld, dass ihr etwas zu essen bekommen“. Wenn nach der Bescherung das Lied „O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit…“ angestimmt werde, dann hat der eine oder andere Tränen in den Augen. Bei den Geschenken handelt es sich um nützliche Gaben wie Bekleidung oder Hygieneartikel: „Besonders Seife ist immer sehr begehrt“, sagt die Oberin. Jacken und Hemden sammelt Schwester Engeltraud das ganze Jahr über. Vor der Bescherung wird dann alles gewaschen und gebügelt.
Die drei Beispiele zeigen, mit wie viel Nächstenliebe und Engagement nicht nur an Weihnachten bedürftigen und kranken Menschen jeden Alters unbürokratisch und total unspektakulär geholfen wird. Die „Schutzengel“ sind das ganze Jahr im Einsatz. ak

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Jeden Mittag für ihre „Jungs“ da: Schwester Engeltraud hat für jeden Gast, der zum Essen ins Nardinihaus kommt, ein Lächeln übrig.  Foto: Kling
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Autor:

Andrea Kling aus Pirmasens

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