Spektakulär: Soldat spielt auf brennendem Klavier nach NATO-Luftwaffenübung auf Air Base Ramstein
Ramstein. Bei der Übung der US-Luftwaffe am 6. Juni auf der US Air Base in Ramstein ging es hauptsächlich darum, dass die Piloten aus neun NATO-Ländern in Zweikämpfen ihre Fähigkeiten und Strategien bei Flugmanövern unter Beweis stellen. Außerdem sollte die Zusammenarbeit der einzelnen NATO-Staaten und der Zusammenhalt unter den Kampffliegern gestärkt werden. Doch gegen Abend stand plötzlich ein Klavier in Flammen – und ein Mann in Uniform spielte darauf.
Von Cynthia Schröer
Den ganzen Tag über donnerten Kampfjets über die Start- und Landebahn der Air Base in Ramstein. Sie starteten und landeten im Akkord. Die gelandeten Kampfflieger rollten hintereinander zurück zum Stellplatz, wo die anderen der insgesamt 37 Kampfflieger entweder für ihren Einsatz bereitstanden oder gerade von mehreren Personen gewartet wurden. Auf der Air Base lief den ganzen Tag über alles wie am Fließband.
Doch nun, gegen Abend, ist das ständige Dröhnen im Himmel abgeklungen. Alles ist ruhig. Der Betrieb ist heruntergefahren. Ein großer, asphaltierter Platz auf der Air Base ist weitgehend leer. In der Mitte sitzt ein Mann in Uniform an einem Klavier. Aus dem Klavier schlagen Flammen empor. Außerdem sind drei Aufkleber mit Buchstaben und Symbolen zu erkennen. Der Soldat duckt sich beim Spielen, sonst schlagen ihm die Flammen ins Gesicht. Er spielt, bis das Piano schließlich unter seinen Händen durch die Hitze zerbirst. Der mutige Musiker ist Emanuele Angelelli, Oberstleutnant der italienischen Luftwaffe und Pilot des Alliierten Luftkommandos. Indem er auf dem brennenden Klavier spielt, folgt er einer alten Tradition, die zeigt, wie bedeutsam die Luftwaffenübung in Ramstein ist.
Tradition stammt von der Royal Air Force
Klavierverbrennungszeremonien (Englisch: "burning piano")werden bei der Royal Air Force, der Royal Canadian Air Force und der US Air Force schon seit dem Zweiten Weltkrieg bei besonders bedeutsamen Ereignissen und Feierlichkeiten vollzogen. Woher diese Tradition stammt, ist unklar. Diesbezüglich gibt es unzählige Mythen und Legenden.
Am weitesten verbreitet ist eine Geschichte, die auf die britische Royal Air Force (RAF) in der Zeit zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg zurückgeht. Während des Ersten Weltkriegs waren so viele Piloten gestorben, dass die RAF ihre Piloten aus der einfachen Bevölkerung rekrutieren musste. Normalerweise wurde dafür Bürgern der Oberschicht der Vorzug gegeben. Um die Geschicklichkeit der Piloten aus den unteren Schichten zu verbessern und auch deren kulturelles Niveau entsprechend anzuheben, wurden sie unter anderem gezwungen, Klavierunterricht zu nehmen.
Piloten müssen Klavierunterricht nehmen
Die Klavierstunden waren bei den Piloten äußerst unbeliebt. Da kam es den Fliegern auf dem Stützpunkt der Royal Air Force in Leuchars, Fife, an der Ostküste Schottlands, gerade recht, als dort ein Feuer ausbrach und das einzige Klavier auf dem Stützpunkt abbrannte. Der Klavierunterricht fiel daraufhin erst mal aus. Nachdem sich der Vorfall herumgesprochen hatte, verbrannten die Piloten auf immer mehr Stützpunkten der Royal Air Force die Klaviere, um den Unterricht zu verhindern.
Gedenken an gefallene Kameraden
Ein anderer Mythos besagt, dass Klaviere in Gedenken an gefallene Piloten angezündet wurden. Während des Zweiten Weltkriegs soll ein Pilot, der Klavier spielen konnte, seinen Kameraden jedes Mal etwas vorgespielt haben, wenn einer von ihnen ums Leben gekommen war. Als er selbst im Kampf starb, beschlossen seine Kameraden, dass, wenn er selbst nicht mehr auf seinem Klavier spielen konnte, es auch niemand anderes tun sollte. Deshalb zündeten sie das Musikinstrument kurzerhand an.
Was die Aufkleber auf dem Klavier bedeuten
Klavierverbrennungen nach dem Vorbild der RAF-Tradition sind heute auch bei der US Air Force eine fest verankerte Tradition mit starkem symbolischem Charakter. Deshalb fiel am 6. Juni auch auf der Air Base in Ramstein nach der NATO-Übung ein Klavier den Flammen zum Opfer. "Damit gedenken wir unseren gefallenen Piloten", heißt es von der US-Air Force. Bei drei Klavierverbrennungen der ukrainischen Luftwaffe im August 2023 wurden jeweils die Spitznamen der gefallenen Piloten und die Hecknummern ihrer Flugzeuge auf die Klaviere gemalt. Kurz vor der Verbrennung des Klaviers in Ramstein am 6. Juni wurden drei Aufkleber auf dem Klavier angebracht. Sie repräsentierten laut Air Force einige der teilnehmenden Einheiten. Dabei seien keine bestimmten Einheiten ausgewählt worden. Diese Aufkleber seien als Zeichen der Einheitsmoral von Mitgliedern der teilnehmenden Einheiten angebracht, die zu diesem Zeitpunkt Aufkleber zur Verfügung hatten.
Und warum hat ausgerechnet Angelelli, Oberstleutnant der italienischen Luftwaffe und Pilot des Alliierten Luftkommandos, auf dem Klavier gespielt? Er sei der beste Klavierspieler unter den Piloten gewesen, die an der Luftwaffenübung in Ramstein teilgenommen hatten, sagt die Air Force.
Autor:Cynthia Schröer aus Landstuhl |
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