Interview: Männerchor mit Frauenchor Rülzheim feiert Jubiläum
„Das Fehlen in der Kirche kostete eine Mark“
Rülzheim. Der Männerchor mit Frauenchor 1894 e. V. Rülzheim feiert in diesem Jahr sein 125-jähriges Bestehen. RedakteurinJulia Lutz sprach mit dem Vorsitzenden Marco Thomas und dem Pressereferent und Archivar Werner Heiter über das Jubiläum, das anstehende Konzert und die Festschrift.
??? Warum feiert der Gesangsverein sein Jubiläum so groß?
Werner Heiter: Wir organisieren schon seit den frühen 1980ern alle zwei Jahre jeweils am Samstag vor Muttertag ein Chorkonzert in der Rülzheimer Dampfnudel. In diesem Jahr feiern wir eben 125-jähriges Jubiläum und gleichzeitig wird unser Frauenchor 45 Jahre alt. Wahrscheinlich feiern wir zum letzten Mal ein „richtiges“ Jubiläum.
Marco Thomas: Wir feiern das jetzt noch mal ausgiebig. Bei unserm 100-jährigen Bestehen 1994 haben wir noch ein viertägiges Festwochenende organisiert, mit 2000-Mann-Festzelt, Freundschaftssingen, Festumzug und Heimatabend. Dafür fehlen uns leider jetzt die Helfer. Feiern wollen wir aber trotzdem. Alle aktiven Sängerinnen und Sänger freuen sich auf das Konzert und proben seit Wochen kräftig!
??? Warum sagen Sie, es ist ihr letztes großes Jubiläum?
Thomas: Es ist das gleiche Problem, das alle Vereine haben.
Uns fehlt der Nachwuchs. Der Altersdurchschnitt unserer beiden Chorgruppen liegt bei über 60 Jahren. Da können Sie sich ausrechnen, wie viele in 25 Jahren noch singen werden.
Heiter: Wir haben ja auch alles versucht und auch viel Energie
in die Sängerwerbung gesteckt. Beispielsweise unsere letzte Aktion in 2012, da hat es anfangs ganz gut geklappt. Wir hatten auf Anhieb sechs jüngere Sänger. Aber kein Einziger von diesen Neumitgliedern ist noch da.
??? Warum?
Heiter: Heute sind berufstätige Menschen nicht mehr sesshaft. Heute sind sie in Rülzheim, morgen an der Nordsee und übermorgen in Südamerika. Die Bindung zu ihrem Geburtsort verloren.
Thomas: Es haben hier ja alle das gleiche Problem. In Rülzheim haben wir fast 60 Vereinigungen,
da ist ja auch jeder schon mindestens in drei Vereinen. Aber allen fehlt der Nachwuchs. Die Menschen kommen abends auch viel später nach Hause und sind dann kaputt.
???Was erwartet die Besucher am 11. Mai in der Dampfnudel?
Thomas: Wir geben ein Jubiläumskonzert unter dem Motto: “125 Jahre Singen mit Freunden“
Das Programm steht noch nicht komplett, aber wir können schon mal verraten das Elisa Ferrari aus Landau die Moderation übernimmt und natürlich auch singen
wird. Dank unserer Sponsoren ist der Abend gesichert und der Programmablauf wird auch mit einer Beamer-Präsentation und entsprechenden Fotos untermalt.
Heiter: Außerdem präsentieren wir unser Festbuch als kurzweilige Zeitreise in die letzten 125-Jahre unseres Vereins. In rund 180 Arbeitsstunden habe ich mich intensiv mit der Geschichte meines Gesangvereins beschäftigt. Die Hauptarbeit habe ich bereits zum 100-Jährigen gemacht, aber ich möchte die facetten- und umfangreiche Geschichte vollständig nachfolgenden Generationen vermitteln. Deshalb lassen wir 600 Exemplare drucken.
???Was steht denn alles im Festbuch?
Heiter: Es sind Schlaglichter aus 125 Jahren. 436 kleine Episoden aus der Vereinsgeschichte. Ich sammle dazu seit 1988 Material. Glücklicherweise sind die Original- Protokollbücher erhalten geblieben. Allerdings in Sütterlinschrift. Meine Eltern haben mir damals zum 100-jährigen Bestehen bei der Entzifferung viel geholfen. Die Chronik ist auch mit 73 Fotos versehen. Ich habe immer versucht, das Vereinsleben so genau wie möglich zu dokumentieren, war 22 Jahre Schriftführer und bin seit über 30 Jahren Pressewart und Archivar.Da sammelt sich vieles an.
??? Was konnten Sie denn Spannendes entdecken?
Heiter: 1894 musste man zum Beispiel für die Aufnahmegebühr in den Männerchor zwei Mark als aktives Mitglied bezahlen und drei Mark als passives Mitglied. Im Monat bezahlte man 20 Pfennig Beitrag. Und man durfte bei der Singstunde nicht fehlen. Entschuldigt war man nur bei Krankheit oder einem Sterbefall in der Familie. 1920 musste man dann schon ein Strafgeld in Höhe von 50 Pfennig bezahlen, wenn man gefehlt hat. Das Fehlen in der Kirche hat eine Mark gekostet. Das war damals viel Geld.
??? Heute gibts aber keine Strafen mehr?
Thomas (lacht): Nein, wir sindda ganz human. Die Geselligkeit
pflegen wir heute immer noch
nach jeder Singstunde im Vereinslokal. Das gehört einfach dazu und ist auch sehr wichtig. Schließlich heißt unser Wahlspruch: „Des Lebens Sonnenschein ist Singen und fröhlich sein“.
??? Was planen Sie noch im Festjahr?
Thomas: Den Neujahrsempfang haben wir hinter uns, das Konzert noch vor uns und natürlich feiern wir im September unser Singendes und klingendes Weinfest. Wir gestalten den Volkstrauertag mit und am zweiten Adventssonntag, 8. Dezember, werden wir noch ein Konzert in der katholischen Kirche in Rülzheim geben. Dazwischen liegen natürlich viele vereinsinterne Termine, aber wir werden froh sein, wenn alles gut läuft. jlz
Autor:Wochenblatt Archiv aus Germersheim |
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