Ein Blick auf die Entwicklung der KÖB Leimersheim
Lesegewohnheiten haben sich verändert
Leimersheim. Leserschaft und Lesegewohnheiten ändern sich über die Jahre immer wieder – das zeigt ein Blick in die Geschichte der Bücherei in Leimersheim. Gegründet wurde die Leimersheimer Bibliothek – wie mehr als 50 andere im Bistum Speyer – im Jahr 1922 als katholische Volksbücherei mit dem Ziel, Bildung für alle zu ermöglichen. Nach der staatlich verordneten Zwangspause während der NS-Zeit wurde sie 1950 wiedereröffnet. Seit den 1970er Jahren firmiert die Bücherei unter der Bezeichnung Katholische Öffentliche Bücherei (KÖB) und bietet allen (und nicht nur katholischen Kirchenmitgliedern) ein niedrigschwelliges Leseangebot. Derzeit betreibt ein 19-köpfiges Team von Ehrenamtlichen die Bücherei, die 2016 an ihren jetzigen Standort in der Grundschule umzog. Seither steht die doppelte Fläche zur Verfügung, um den Leserinnen und Lesern den Bestand ansprechender zu präsentieren.
Das Interesse an Sachbüchern – ursprünglich eine wichtige Bestandsgruppe der Bücherei - ist stark abgeebbt, berichtet Silke Weber, die seit 1989 in der KÖB arbeitet und 1994 die Leitung übernahm: Von 2.700 Sachbuch-Entleihungen im Jahr 1990 auf rund 600 in 2021. „Informationen werden heute vielfach gegoogelt und nicht mehr in Büchern nachgelesen“, so Weber.
Derzeit stehen Bilderbücher sehr hoch im Kurs. In den letzten Jahren stieg die Zahl der Kindergartenkinder in Leimersheim – und damit die der potentiellen Nutzerinnen und Nutzer – wieder an. Doch die aktuell sehr starke Nachfrage hängt auch damit zusammen, dass Grundschulkinder noch gerne Bilderbücher lesen: „Die Kinder greifen heute länger zu ‚leichteren‘ Büchern mit mehr Bildern“, betont die Büchereileiterin.
Veränderungen gibt es auch im Bereich der Jugendliteratur: „Wir haben gar keine jugendlichen Leser mehr, das war vor zehn, zwanzig Jahren noch anders. Es war zwar nie die größte Lesergruppe, aber gerade Fantasy-Bücher waren sehr beliebt und wir hatten viele im Bestand. Es gibt sicherlich immer noch Jugendliche, die viel lesen, aber die haben heute andere Quellen – Stichwort ‚Bookstagram‘ und ‚#booktok‘ - da ist unser Angebot nicht so interessant. Außerdem verändern sich die Trends in diesem Segment zu rasant, als dass wir da hinterherkämen“, so Weber.
In den nunmehr 28 Jahren ihrer ehrenamtlichen Leitungstätigkeit konnte sie zahlreiche Veränderungen beobachten: Anfang 2008 wurden alle Medien in einer elektronischen Datenbank erfasst, in der zweiten Jahreshälfte startete die Ausleihe per Computer. Mehr und mehr hielten auch digitale Medien Einzug in das Sortiment der Bücherei: Von knapp 16.000 Entleihungen entfielen 2021 rund 2.300 auf E-Books. Auch Tiptoi-Medien und Tonie-Figuren sind sehr beliebt. Dafür sind – wenig überraschend – aufgrund des technologischen Wandels Musik- und VHS-Kassetten ganz verschwunden, CDs und DVDs ebenfalls so gut wie ausgestorben.
Insgesamt ist die Entwicklung der KÖB seit Beginn der verfügbaren Aufzeichnungen in den 1950er Jahren äußerst positiv verlaufen: 1955 gab es einen Bestand von 647 Büchern bei einem Etat von 434 DM für Neuanschaffungen sowie 80 Leserinnen und Leser. Zwanzig Jahre später hatte sich die Zahl der Lesenden auf 240 verdreifacht, der Etat mit 1.900 DM und der Bestand auf 2.786 jeweils mehr als vervierfacht. Im Jahr 1995 lag der Etat bei 2.700 DM, der Bestand war mit 2.816 Medien nahezu konstant geblieben. Die Leserzahl war leicht auf 213 zurückgegangen, da nur noch diejenigen in der Statistik angegeben wurden, die tatsächlich im Berichtsjahr mindestens einen Titel entliehen hatten.
Weitere 20 Jahre später, kurz vor dem Umzug in die neuen Räumlichkeiten, wurden 6.566 Euro für den Erwerb neuer Medien ausgegeben, die Leserzahl war nun auf 384 angestiegen und der Bestand lag bei 3.516 Medien. Im vergangenen Jahr schließlich nutzten 400 Personen die KÖB mit ihren 3.786 Medien; der Erwerbungsetat lag bei 7.093 Euro.
Eine durchaus bedeutsame Änderung gab es bei den Leihgebühren: „Jahrzehntelang war es üblich, für jede Buchausleihe 20 Pfennig Leihgebühr zu bezahlen. Das ist unbewusst doch eine Hemmschwelle - da nehme ich als Leserin vielleicht doch lieber nur fünf statt zehn Bilderbüchern mit. Statt einer Verleihgebühr führte ich Versäumnisgebühren ein und wir begannen konsequent, schriftlich an die abgelaufene Leihfrist der Medien zu erinnern. So kamen auch die neuen Titel wieder schneller zurück ins Regal und die nächste Leserin freute sich. Bücher können (heute sogar online über den Bibliothekskatalog) bis zu drei Mal verlängert werden. Innerhalb eines Vierteljahres sollte auch ein dicker Roman ausgelesen sein.“ Mittlerweile erstellt längst „Kollege Computer“ automatisch die Erinnerungsschreiben.
Die Attraktivität des Angebots erklärt sich durch die konsequente Erneuerung des Bestands: 20 Prozent der Bücher, Spiele und sonstigen Medien werden jährlich ausgetauscht, so dass Leserinnen und Leser immer etwas Neues entdecken können. Auch die Präsentation ist durch die zusätzliche Fläche in den neuen Räumen ansprechender, Bücherwürmer finden leichter, was sie suchen: „Es nutzt ja nichts, wenn man viele Bücher hat, die aber so zusammengequetscht im Regal stehen, dass man die neuen Titel gar nicht mehr entdeckt“, so Weber. In früheren Jahren wurden maximal fünf Prozent des Bestandes erneuert. Diese Quote ist abhängig vom zur Verfügung stehenden Etat: Die Bücherei wird durch die katholische Kirchenstiftung St. Gertrud und durch Mittel des Bistums finanziert. Zudem gibt es einen Zuschuss von der Ortsgemeinde. Das KÖB-Team veranstaltet außerdem Flohmärkte und erhält aus der Vermittlung von Medien zum Eigenbesitz (beispielsweise bei der Buchausstellung) zusätzliche Mittel.
Das Geld ist gut investiert: 13.650 physische Entleihungen (ohne Onleihe) gab es 2021. Ein Teil davon ist auch auf die Bestände aus der Ergänzungsbücherei in Speyer zurückzuführen. Von dort kommen jährlich 500 bis 1.000 zusätzliche Titel für jeweils sechs Monate nach Leimersheim, die nicht in den Bestandszahlen der KÖB Leimersheim enthalten sind, aber bei der Ausleihe mitgezählt werden, führt Büchereileiter Ulf Weber aus.
Alles in allem ist die KÖB gut aufgestellt – das rege Kommen und Gehen während der Öffnungszeiten zeigt: Die Bevölkerung nimmt das Angebot sehr gerne an. „Die KÖBs in den vier Orten leisten wichtige Arbeit für die Bevölkerung. Daher war es für uns in Leimersheim selbstverständlich, Räumlichkeiten bereitzustellen und unsere KÖB auch finanziell zu unterstützen“, so Bürgermeister Matthias Schardt. ps
Autor:Heike Schwitalla aus Germersheim | |
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