Ein Foto-Motiv und seine Geschichte
Gute Zeiten, bunte Zeiten, schöne Zeiten
Seit wann genau die farbigen, gemusterten Masken vor Ort hängen – unklar. Ob die unbekannten Vorbesitzer und Initiatoren es gern sehen, dass viele Menschen Fotos machen und diese verbreiten – ebenso unklar. Aber damit rechnen müssen sie, in Zeiten von Social Media und Online-Journalismus.
Mir fielen die an einem Zaun drapierten Stoff-Masken am 13. Mai auf, während des Vatertagsspaziergangs in & um Sankt Martin, wie vielen anderen sicher auch. Welch Farbenpracht, welch Aktualität, welch Symbolcharakter! Man kann das Motiv fotografisch einfangen mit Weg, Wein oder Obstgehölz im Hintergrund, mit der Kropsburg, dem Pfälzerwald, dem "Arens Hotel 327m NN", einer Teilansicht von Sankt Martin, mit dem Hambacher Schloss. Mit unserem geliebten Schloss, der "Wiege der Deutschen Demokratie". Mit jenem Schloss, dessen gleichnamige Stiftung veranlasst ist, sich gegen die AfD zur Wehr setzen, und, wir alle wissen es, unter AfD-Mitgliedern bzw. -Anhängern sind Masken jedweder Art vergleichsweise am unbeliebtesten.
Ich experimentiere seit einigen Wochen als @pfalzruebe auf Instagram herum und postete dort eines meiner Bilder, zusammen mit einem – angesichts sinkender Fallzahlen – vorsichtig optimistischen Text. Es kam überdurchschnittlich gut an und wurde auch kommentiert: "Schön bunt, endlich geht es wieder aufwärts", "Es wird Zeit, dass wieder etwas Normalität eintritt", "Bunte Masken als Vogelscheuche für die Reblaus".
Unklar, wieviele Passanten die auffällige Maskenparade fotografierten und ihre Schnappschüsse etwa via WhatsApp verschickten. Die nächsten wiederum suchten später den Ort des Geschehens. "Ich habe mich extra auf den Weg gemacht, um noch Fotos zu kriegen", meint eine Südpfälzerin, die ihre Bilder dann auf Facebook hinterließ.
Der geneigte Leser weiß, ich schreibe gelegentlich für verschiedene Medien, gern für die "Rheinpfalz", als freie Journalistin ist man frei, und natürlich bot ich das Motiv damals sofort dort an, exklusiv, per Mail, mit verschiedenen Hintergründen, mit Text, innerhalb kürzester Zeit. Interesse und Antwort wurden signalisiert, blieben aber ausnahmsweise aus, sicher der Hektik des Alltagsgeschäfts geschuldet.
Am 27. Mai nun finden wir das Motiv auf dem Titelblatt der wöchentlich in die Briefkästen flatternden "Edenkobener Rundschau", dem "…Boulevard! Für alle Haushalte in 19 Gemeinden an der Weinstraße", Urheber ist ER-Foto. Überschrieben ist das Bild mit: "Maskendekoration in den Weinbergen mit dem Wunsch nach Überwindung der Pandemie". Ja, das kann man in das Motiv hineininterpretieren. Wer wünscht sich nicht die Überwindung der Pandemie. Aufmerksame Leser des Anzeigenblattes wissen, dass sich seitens der Redaktion oftmals gegen die Maskenpflicht an Schulen ausgesprochen wurde, dass immer wieder Schulöffnungen und Regelbetrieb angemahnt wurden, dass man vor geraumer Zeit eine großformatige Werbeanzeige von Coronaleugnern* veröffentlichte. Viele, viele meinungsmachende Editorials, die ich mir konstruktiver gewünscht hätte angesichts der Auflage des Blattes. Die Bevölkerung ist nicht seit Monaten "eingesperrt", wie es aktuell erneut suggeriert wird. Vielmehr zeigen die vielen verschiedenen Maßnahmen derzeit in ihrer Gesamtheit Wirkung, auch wenn manche davon diskussionswürdig sind. Das Coronavirus geht nicht von selbst weg, es lebt von den nahen Kontakten, es braucht Kontakte zur Verbreitung, je weniger Kontakte und je besser die Masken, desto schwerer hat es das Virus. Das weiß man längst inzwischen. Die Pandemie "kam nicht über uns", vielmehr konnte und kann jeder Einzelne aktiv dazu beitragen, dass sie eingedämmt wird.
"What do you think, warum hängen diese Masken dort?“, hatte ich neulich auf Instagram nachgefragt. "Zum Andenken der selbstgenähten Masken, die Zusammenhalt ausdrücken", schrieb eine Maikammererin. Eine schöne Antwort, finde ich.
Sachlich betrachtet sehen wir auf dem Bild viele bunte Stoffmasken, die sicher nicht zum Auslüften dort hängen, sondern ausrangiert wurden, sind sie doch seit einiger Zeit nicht mehr überall gern gesehen, zum Beispiel im Einzelhandel. Dass FFP2-Masken wirksameren Eigenschutz darstellen, hat sich zwar sehr langsam herumgesprochen, dann aber doch durchgesetzt. Inzwischen gibt es sie auch günstig, bunt und gemustert. Den vielen engagierten und kreativen Hobby- und Berufsnäher*innen gebührt Respekt. Sie waren dankenswerterweise sehr aktiv in jener Zeit, in der es in Deutschland zu wenig medizinische Masken gab.
Summa summarum können wir in jeglicher Hinsicht froh sein, dass die 7-Tage-Inzidenzen endlich deutlich sinken, ja geradezu exponentiell abnehmen. Denn das können sie, ebenso wie sie exponentiell steigen können. Genießen Sie die Lockerungen, die wieder erlangten Möglichkeiten, die bunte Natur lockt ungemein, aber bleiben Sie vorsichtig.
*Die als redaktioneller Beitrag aufgemachte Werbeanzeige stammte von einem manipulativ auftretenden, nicht unterstützenswerten Verein, der der Verschwörungstheoretiker-Szene zuzuordnen ist, siehe ggf. ausführlich dazu: früherer Artikel.
Autor:Barbara Späth aus Edenkoben | |
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