40 Jahre Theatergruppe „Parole“:
Alles „Außer Kontrolle“ bei der Premiere
Waghäusel-Wiesental. Gleich drei Ereignisse auf einmal hat die Wiesentaler Theatergruppe „Parole“ feiern können. Seit 40 Jahren besteht das Ensemble, das 1982 mit dem „Geisterzug“ öffentlich aufgetreten ist und sich dann 1987 als eigenständige Truppe unter dem Namen „Parole“ etabliert hat.
Die erfolgreichen vier Jahrzehnte dienten als Anlass, mehrere verdiente Vereinsverantwortliche und Schauspieler mit Ehrennadeln auszuzeichnen. Im Mittelpunkt des Jubiläumsjahrs 2022 mit Rückblick und mit Ehrungen stand die Premiere der Komödie „Außer Kontrolle“, womit die Saison eröffnet wurde.
Das mitreißende Stück hatte die „Parole“ schon im Spätjahr 2021 auf dem Spielplan stehen. Doch coronabedingt kam es nur zu wenigen Vorstellungen. Dann mussten alle geplanten Termine abgesagt werden. Nunmehr, 2022, erfolgt die Wiederholung des seinerzeitigen Vorhabens. Nach dem Auftakt sind noch weitere sechs Aufführungen angesagt.
Für fünf der neun Rollen erfolgten Neu- und Umbesetzungen. Einige Zuschauer, die an der Premiere 2021 teilgenommen hatten, schwärmten diesmal davon, eine Steigerung des Leistungsvermögens aller mitwirkenden Laienschauspieler erlebt zu haben. Viele Komplimente erhielt vor allem der Hauptdarsteller Jörg Bottler.
Mit Standing Ovation feierte das Publikum, wie bereits 2021, die Premiere im Pfarrzentrum. Unter den Besuchern waren auch OB Thomas Deuschle, seine Stellvertreterin Krimhilde Rolli und Pfarrer Günter Hirt. Mit ihrem langanhaltende Applaus zeigten die Zuschauer ihre Begeisterung von den überzeugenden Schauspielern auf der zur Hotelsuite 648 umfunktionierten Bühne. Der Beifall galt aber auch Regisseur Achim Milbich und der fast 20-köpfigen Helferschar im Hintergrund. Hochmotiviert machten die Akteure die Komödie „Außer Kontrolle“ des Engländers Ray Cooney zu einem Highlight der knapp 60 Aufführungen in den vergangenen 40 Jahren.
Ja, so sind sie, die Politiker, dürften sich die meisten im Pfarrzentrum gesagt haben. In die Phalanx der Skandalnudeln passt der britische Staatsminister Richard Willey, der sich mit der Sekretärin des Oppositionsführers einlässt und im Liebesnest ein Tohuwabohu auslöst.
Die Botschaft des Schriftstellers ist eindeutig: Bleibt bei der Wahrheit. Mit Lügen macht ihr alles noch schlimmer. Und: Die Welt der Politiker ist eine ganz besondere. Wenn es nützt, wird gelogen, dass sich die Balken biegen, Seitensprünge gehört zum Alltag, hinter der Fassade gibt es keine Moral.
Mit sicherem Instinkt für ein Höchstmaß an Turbulenzen führt der Autor in atemberaubendem Tempo in die Welt der Skandale. Von einer kompromittierenden Situation in die nächste schlittern die Figuren. Das Theaterfeuerwerk mit einer geradezu genialen Situationskomik ist vor allem eine ironisch-bissige Satire auf Politiker, die trotz aller Vorsorge die Kontrolle verlieren können und sich – wie in diesem Fall - mit hohen Trinkgeldern freikaufen müssen.
Statt im Unterhaus für die Regierung die Fahne hochzuhalten, bevorzugt der verheiratete Staatsminister aus den Reihen der Tories ein Tête-à-Tête mit Jane, der Sekretärin des Oppositionsführers. Bevor das Abenteuer so richtig beginnt, entdecken die Turteltäubchen einen vermeintlich Toten, der unter dem Fallfenster klemmt und wohl das Genick gebrochen hat. Jetzt muss der unbeholfene Sekretär George Pigden zu Hilfe eilen und die Leiche entsorgen.
Immer im falschen Moment tauchen unerwartete Gäste auf: der eifersüchtige Ehemann der Geliebten (Markus Haehnel), die ebenso liebeshungrige Ehefrau des Ministers (Sabine Biester), die lüsterne Pflegerin von Georgs bettlägerigen Mutter (Jennifer Zimprich), die stets misstrauische Managerin des Hotels (Claudia Gauweiler) und ein etwas eigenartiger Privatdetektiv (Ismael Milbich). Als durchtriebener trinkgelddurstiger Kellner namens Churchill gefiel David Heger.
In Bestform präsentierten sich die Hauptdarsteller, vor allem der umtriebige „Minister“ Jörg Bottler, aber auch Stephanie Flügge als seine verheimlichte Flamme Jane und Ralf Mahl als treuer Diener seines Herrn. Aber auch jede weitere Rolle war perfekt besetzt.
Weil Täuschung eigentlich zum politischen Handwerk gehört, läuft das Regierungsmitglied Ihrer Majestät zu Höchstform auf, was Trug und Lug anbelangt. Wahrheit spielt im politischen Alltag eine untergeordnete Rolle, könnte man meinen. Eine „Notlüge“ reiht sich an die andere. Sechs der neun Hotelzimmergäste müssen sich im Laufe des Versteckspiels als jemand anders ausgeben. Nicht nur vermeintliche Leichen werden im Schrank verborgen, auch für Quicklebendige dient das Mobiliar als willkommener Interims-Unterschlupf.
Acht hohe Ehrungen
40 Jahre sind ein besonderer Zeitraum, der dazu geeignet ist, Auszeichnungen vorzunehmen. Oberbürgermeister Thomas Deuschle würdigte die kulturelle Arbeit der Theatergruppe in den vergangenen Jahrzehnten und sprach von einer kulturellen Bereicherung für die ganze Stadt.
Vier Mal gab es Silber, vier Mal gab es Gold. Zu den Empfängern der silbernen Ehrennadel gehören Matthias Schmitteckert, Sabine Biester, Susanne Gentner und Claudia Gauweiler. Die goldene Ehrennadel des Bundesverbandes deutscher Amateurtheater bekamen Carola Mahl, Rosemarie Vogel, Birgit Freidel und Ehrenspielleiter Manfred Vogel überreicht. Isolde Vogel überraschte mit einer kurzweiligen Erzählung, in der alle 60 Titel der vergangenen 40 Jahren enthalten waren.
Gründung der „Parole“
OB Deuschle verwies in seiner Ansprache auch auf die Anfänge der Theatergruppe, woran sich einige der anwesenden Pioniere noch gut erinnern konnten.
Es war im Dezember 1987, als 22 Gründungsmitglieder im „Wiesentaler Hof“ die „Parole“ als selbstständigen Verein aus der Taufe hoben. Doch die eigentliche Entstehungsgeschichte reicht in die Zeit der Cäcilienfeiern in den 70er Jahren zurück. Seit 1980 stand das Kirchenchor-Ensemble unter der Regie von Manfred Vogel, der damals das Stück „Der Hunderter im Hut“ präsentierte. 1982 war es so weit, dass der „Geisterzug“ mit dem Stammpersonal der „Parole“ besetzt wurde.
Wie hieß es 1987 in der Presse?
„Aus einem mehr scherzhaft gemeinten, von den Mitwirkenden gegenseitig verlangten Losungswort beim Betreten der Garderobe, nämlich die Ausgabe einer vereinbarten Parole, entwickelte sich der neue Begriff – und damit der Theatername.“
Autor:Werner Schmidhuber aus Waghäusel |
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