In Sachen Tiefengeothermie:
Rathaus „Goliath“ gegen Bürgerzusammenschluss „David“
Waghäusel. Man glaubt es kaum, mit was alles die Tiefengeothermie-Skeptiker und -Gegner zu kämpfen haben, bekunden die Sprecherinnen Christina Friedrich, Andrea Fischer und Karin Linowski. Dutzende von Beispielen belegen: Es wird in Waghäusel mit zweierlei Maß gemessen. Es gelten nicht die gleichen Maßstäbe.
Seit Anfang an, als sich die ersten Bürger gegen das geplante Tiefengeothermie-Kraftwerk und den Verkauf städtischer Grundstücke gewehrt haben, war es ein Kampf zwischen David und Goliath.
Kennen Sie die Geschichte? Hier der alles beherrschende Hüne in seiner schweren Rüstung und mit schweren Waffen, dort der David, ein einfacher Hirtenjunge, der sich mutig dem Gigant entgegenstellte. Damals im zehnten Jahrhundert vor Christus.
Und heute? Hier die geballte Macht mächtiger Leute, die ihre Interessen, ihre eigenen Interessen, im Auge haben. Dort der Zusammenschluss einfacher Bürger (vom Rentner zur Hausfrau bis zum Angestellten und Handwerker), die für ein lebenswertes Waghäusel eintreten.
Was ist geschehen? Der Verein „Lebenswertes Waghäusel“ (der GEGEN Tiefengeothermie ist und über 2.600 Unterschriften vorlegen kann) hat einen Versammlungsbericht fürs Mitteilungsblatt der Stadt abgeben. Er sei zu lang, hieß es aus dem Rathaus. Müsse auf 2000 Zeichen zusammengekürzt werden. In der Ausgabe eine Woche zuvor war ein Versammlungsbericht des Solarvereins (der FÜR Tiefengeothermie ist) mit rund 3000 Zeichen erschienen.
Wie heißt es doch bei George Orwell (Farm der Tiere): „Alle sind gleich, aber manche sind gleicher.“
Was steht so Schlimmes im ungekürzten Versammlungsbericht des Vereins??
Stimmen wir beim Bürgerentscheid freiwillig für Erdbeben?
Alle rund 80 Personen, die zum Informationsabend ins „Amadeus“ kamen, waren sich einig: Mit einem klaren „Nein“ beim Bürgerentscheid gilt es, auch die Gefahr von Erdbeben – ausschließlich verursacht durch Tiefengeothermie-Bohrungen – zu verhindern.
Soll es bei uns rumoren und rumpeln? Reichen uns die natürlichen Erdstöße im Erdbebengebiet Oberrheingraben nicht mehr? Wir befinden uns in einem natürlichen Erdbebengebiet, wie die ab dem Jahr 1994 geführte Datenbank des Landesamts für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) mit zwei Erdbeben(1996 und 2018) im unmittelbaren Umfeld des geplanten Standorts zwischen Wiesental und Waghäusel belegen. Die geplanten Maßnahmen in einem natürlichen Erdbebengebiet durchzuführen ist hoch risikobehaftet.
Bei jedem im Oberrheingraben gebauten Tiefengeothermie-Kraftwerk hat es bislang leichte oder schwere Erdbeben gegeben.
Im Umkreis von acht Kilometer soll in vier Gemeinden 3700 bis 4000 Meter tief gebohrt werden – zu Lasten der Natur und Umwelt und zum Vorteil des Investors. Wir liegen mittendrinnen und sind Erdbeben ausgesetzt.
Nehmen wir Erdbeben einfach in Kauf? Wehren wir uns erst, wenn es zu spät ist? Erst wenn Risse und Sprünge an unseren Häusern und den Wohnungen zu sehen und zu flicken sind?
Es gibt keinen Experten, der eine Erdbebengefahr ausschließt, jeder – auch beim Expertenhearing in der Wagbachhalle - spricht von einem Restrisiko. Bei allen Projekten hieß es vorab: „Es kann nichts passieren!“ Und doch passierte etwas.
Im nahen pfälzischen Insheim gibt es inzwischen wochenweise Erdstöße. Es rumpelt ständig. „Die Energie aus der Tiefe erlitt in Deutschland immer wieder Rückschläge: Mehrere Unfälle und durch die Bohrungen ausgelöste Erdbeben führten zu Bohrstopps. Der sensible Oberrheingraben ist bereits eine natürliche Erdbebenzone“, berichtete kürzlich 3SAT.
Private und kommunale Immobilien, Bahngleise, Betriebe, öffentliche Gebäude und Anlagen bekamen Schäden ab. Das Projekt läuft unter dem beruhigenden Namen „Erdwärme“. Das risikobehaftete Projekt wird so dargestellt, als sei es eine soziale Tat, eine Wohltätigkeitsveranstaltung, ein Geschenk von billigen Strom und billiger Wärme. Was nicht so ist.
Ein „Ampelsystem“ am Bohrloch soll uns in Sicherheit wiegen. Doch auch bei bisherigen Projekte wie Insheim, Basel, Landau und Vendenheim gab es diese Ampeltechnik. Damit werden entstehende Beben angezeigt, aber mit bunten Lichtern nicht verhindert.
Wir Bürger befürchten Erschütterungen, eine Beschädigung von Gebäuden durch Rissbildung, eine Minderung des Wohnwertes. Wer kauft und verkauft dort, wo es Erdbeben gibt? Die durch Tiefengeothermie verursachte Erdbeben sind in der Vergangenheit unterschiedlich stark ausgefallen, von Magnitude 3,4 (Basel) bis 4,0 (Vendenheim).
„Schäden können mit bestimmter Wahrscheinlichkeit auftreten“, formulierte der Experte beim Expertenhearing. Was heißt das „übersetzt“? Ein Erdbeben kann immer wieder vorkommen. Es ist in einem Umkreis von zwei Kilometer zu spüren, macht sich aber in einem Radius von 15 Kilometer immer noch bemerkbar.
Hinzu kommt: Die Bohrrohre verlaufen nicht kerzengerade in die Tiefe. Man nennt dies „abgelenkte Bohrungen“, die unter der Erde quer verlaufen. Das Erdbeben hat sodann Auswirkungen in einem deutlich weiteren Erdbebenradius, kann dann auch die Ortsmitte von Wiesental, die Eremitage oder die Bruchsaler Straße in Kirrlach betreffen.
(Plakat: Isolde Enck)
Autor:Andrea Fischer (Verein Lebensw Wagh) aus Waghäusel |
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