Zwei Maschinenpistolen im Anschlag:
Verhaftet an Heiligabend
Über sein wohl bedeutendstes Weihnachtserlebnis berichtet zu Weihnachten 2021 der 90-jährige Josef Heilig aus Wiesental:
Waghäusel. Heiligabend 1945 im beschaulichen Neudorf. Der Zweite Weltkrieg ist seit mehr als sieben Monaten vorbei, Deutschland von den Alliierten besetzt, auch die Region: erst durch die Franzosen, später durch die Amerikaner. In dunkler Nacht will der 14-jährige Josef Heilig, damals wohnhaft in Neudorf, aber seit 63 Jahren in Wiesental ansässig, vom elterlichen Wohnhaus zum Bäcker huschen, wo er als Lehrling seinen Dienst antreten soll. Der Einfachheit halber trägt er bereits den weißen Bäckerkittel und die weiße Bäckerhose – was ihn hochverdächtig machen würde.
Ende 1945 herrschte noch strengste Ausgangssperre. Nur mit offizieller Bescheinigung durfte jemand spätabends und erstrecht in der Nacht unterwegs sein. Kaum schlich der junge Josef die Straße entlang, brauste schon ein Jeep mit quietschenden Reifen heran. Ehe er sich umsah, sah er in die Mündungen von zwei Maschinenpistolen. Die zwei Schwerbewaffneten schrien ihn an – in einer für ihn unverständlichen Sprache. Ständig fuchtelten sie mit Händen und Waffen herum. Seine Interpretation: Sie wollten seinen Ausweis, seine Erlaubnis. Doch der junge Mann hatte für die paar Meter zur Bäckerei nichts dabei.
„Was ich so mitbekam, war, dass mich wohl meine weiße Bäckerskluft verdächtig machte. Ob die mich für einen versprengten Offizier der Wehrmacht in dem üblichen weißen Offiziersrock hielten? Oder für einen Spion im Einsatzgebiet Neudorf?“
Letztlich machten ihm die zwei Straßenkontrolleure klar, dass er jetzt verhaftet sei. „Meine furchtbare Angst kann ich nicht beschreiben. Sie blickten so finster drein, dass ich die Hose gestrichen voll hatte“, erinnert sich Josef Heilig (90) noch nach 76 Jahren. „Meine Herzensangelegenheit: Hoffentlich überstehe ich heil meine Gefangennahme.“
Als Häftling brachten ihn die zwei „Nachtwächter“ auf die Kommandantur. „Dort versuchte man, meinem vermeintlichen Geheimeinsatz auf die Spur zu kommen.“ Fragen über Fragen, die der 14-Jährige aber sprachlich kaum verstand und erstrecht nicht zu deuten wusste. Erst als eine Frau dolmetschte, die ihn von der Bäckerei kannte, wurde offenkundig: Die übereifrigen Besatzer hatten nicht einen tollkühnen Offizier oder Geheimagenten, sondern einen harmlosen Bäckerlehrling dingfest gemacht.
Autor:Werner Schmidhuber aus Waghäusel |
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