Ausstellung „Gurs 1940“ im Frankenthaler Rathaus
Frankenthal. Vom 4. Juli bis 19. August ist im Frankenthaler Rathaus die Ausstellung „Gurs 1940. Die Deportation und Ermordung von südwestdeutschen Jüdinnen und Juden“ zu sehen. Die Wanderausstellung beleuchtet die Deportation südwestdeutscher Juden in das südwestfranzösische Lager Gurs. Zu den Öffnungszeiten des Rathauses kann die Ausstellung kostenfrei und ohne Anmeldung besucht werden. Am Dienstag, 5. Juli, und am Mittwoch, 13. Juli, jeweils um 18 Uhr, thematisieren zwei Vorträge das Kulturschaffen der Internierten und die Erinnerungskultur der Stadt Frankenthal.
Kultur hinter Stacheldraht
„Zwischen Himmel und Hölle“ lautet der Titel des Gastvortrags von Dr. Gabriele Mittag am 5. Juli. Sie beleuchtet darin Kulturveranstaltungen und künstlerische Tätigkeiten im Lager Gurs. Beides spielte für die Internierten eine bedeutende Rolle, um eine stärkende Gemeinschaft zu erleben und wenigstens für kurze Zeit die bedrohliche Lebenssituation zu vergessen. Sie waren auch Mittel für die Betroffenen, auf beeindruckende Weise ihrer Hoffnung, ihrer Verzweiflung, ihrem Überlebenswillen Ausdruck zu verliehen. In Briefen, Gedichten, Liedern, Zeichnungen und Malereien, Musik, Revuen, Kabarett und Romanen klagen die Menschen an und begehren auf gegen die maßlose Menschenrechtsverletzung. In Gurs war eine große Anzahl namhafter Künstler aus ganz Europa interniert wie Lou Albert-Lasard, Ernst Busch und Alfred Nathan. Alle diese Werke der Internierten sind Ausdruck des Widerstands gegen die psychische und physische Vernichtung durch Exil und Internierung. Sie sind bedeutende Zeugnisse jüdisch-deutscher und jüdisch-europäischer Kulturgeschichte, die es zu bewahren gilt. Der Vortrag veranschaulicht diesen großen Reichtum an kulturellem Ausdruck exemplarisch am Beispiel von Tondokumenten, Interviews mit Zeitzeuginnen und Bildern aus dem Lager.
Die Referentin Dr. Gabriele Mittag studierte Literatur und Theaterwissenschaft in Berlin und Paris und war seit 1989 unter anderem für den Tagesspiegel, Deutschlandradio und die Süddeutsche Zeitung journalistisch tätig. Bekannt wurde sie durch ihre Porträts namhafter Künstlerinnen und Emigrantinnen jüdischer Herkunft wie Gisèle Freund, Ruth Fabian und Ilse Bing und Forschungen zum französischen Internierungslager Gurs. Inspiriert durch die Begegnung mit der Malerin Herta Hausmann während ihrer Pariser Zeit realisierte sie 1990/1991 die Ausstellung „Gurs – deutsche Emigrantinnen im französischen Exil“ in Kooperation mit dem Werkbund-Archiv in Berlin im Martin-Gropius-Bau. 1995 erschien ihre Dissertation unter dem Titel „Verdammte gibt es nur in Gurs – Kunst und Kultur in einem französischen Internierungslager 1939-1944“. Seit 2022 arbeitet sie als Head of Staff Unit Press für die gemeinnützige internationale Organisation MIND Foundation, deren Mitglieder sich für neue Behandlungswege bei Traumatisierten, Depressiven und Menschen mit Angststörungen einsetzen.
Erinnerungskultur der Stadt Frankenthal
Der Vortrag von Herbert Baum am 13. Juli steht unter dem Motto „1940 - 2022: Frankenthal erinnert an die Internierung der Juden im Lager Gurs“. Im Mittelpunkt stehen die deutschen und französischen Aktivitäten des Erinnerns und Gedenkens von 1945 bis heute. Vor allem die von der Deportation betroffenen badischen Städte kümmerten sich nach 1945 um eine würdige Erhaltung des Friedhofs mit über 1000 Gräbern. Nach und nach erinnerten Deutsche und Franzosen mit einfachen Nachbildungen des Lagers und Gedenksteinen an die drei schrecklichen Jahre von 1940 bis 1943. 1992 legte der Frankenthaler Bürger Fridolin Hauck am Gedenkstein des Friedhofs im Auftrage der Stadtverwaltung einen Kranz nieder. Im Laufe des Jahres motivierte er zahlreiche Frauen und Männer zur Gründung des Fördervereins für jüdisches Gedenken Frankenthal.
Seit 2000 organisiert der Bezirksverband Pfalz regelmäßig Gedenkreisen nach Gurs für offizielle Delegationen und Schülern aus der Pfalz. Heute informieren die Nachbildung einer Baracke, ein Erinnerungsweg mit zahlreichen Informationstafeln in einem Teil des ehemaligen Lagers und ein Ausstellungsgebäude an die Leiden, das Sterben und die Ermordung der jüdischen Menschen. Der Förderverein hat seit 2000 diese Entwicklungen mit zahlreichen Fotos dokumentiert. Herbert Baum ist seit 1999 Vorsitzender des 1993 gegründeten Fördervereins für jüdisches Gedenken Frankenthal. kats/ps
Weitere Informationen:
Weitere Informationen sind unter www.frankenthal.de/stadtarchiv zu finden.
Autor:Katharina Wirth aus Herxheim |
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