Das Grünstadter Weinfest im Wandel der Zeit
Seit 1935 wird „gewettstreitet“
Grünstadt. Eigentlich stand eine handfeste Krise am Beginn der Geschichte des Grünstadter Weinfestes. 1935 stand es nicht gut um den Weinabsatz in der Pfalz und an der Unterhaardt. Lange Besatzungsjahre, die Wirtschaftspolitik der Nazis und schließlich zwei Rekordernten führten dazu, dass Mitte der 1930er Jahre der Weinpreis dramatisch am Boden lag, was viele Winzerbetriebe in Existenznot brachte.
Ein Fest musste her, um den Weinabsatz zumindest auf lokaler Ebene anzukurbeln - was von Anfang an mit einem grandiosen Erfolg gelang. Als erstmals der Weinwettstreit mit einem Riesenzelt auf dem Luitpoldplatz abgehalten wurde, war die Begeisterung ebenso riesig wie das Zelt: Knapp 4000 Menschen unter einem Dach bildeten ein weinseliges Volk, der Rebensaft floss in Strömen, alle Welt, vor allem die der einheimischen Winzer, schien in Ordnung.
Wettstreit wurde das Fest übrigens deshalb genannt, weil sich die findigen Gründerväter der Veranstaltung die Idee einfallen ließen, zwei Weinjahrgänge aus heimischer Produktion gegeneinander in einem Wettbewerb antreten zu lassen. Damit hob man sich von der Masse der Weinfeste ab, die in jenen Jahren, als übrigens auch die Deutsche Weinstraße initiiert wurde, wie Pilze aus dem Boden schossen. Freilich ging der Unterhaardter Weinwettstreit mit alljährlich dem selben Ergebnis aus: nämlich dass das hohe Weingericht zu keinem Entschluss kam und man die Entscheidung aufs nächste Jahr vertagte.
Auch nach dem Krieg konnte man an den Erfolg der Anfangsjahre recht schnell anknüpfen und schon ab 1949 wurde in Grünstadt wieder tüchtig geweinwettstreitet - anfangs noch im November, ab 1950 dann immer um den ersten Oktobersonntag. Nach den Neuanfängen erlebte das viertägige Fest, das für die Unterhaardt so etwas wie eine Art „Wurstmarkt im Kleinen“ war, in den 1950er bis 1970er Jahren seine Höhepunkte.
Dass man von Seiten der Veranstalter seinerzeit für reichlich Publikum sorgte, davon zeugt ein Zeitungsausschnitt aus jenen Jahren: „Am Samstag ... wird der Startschuss über das weinfrohe Grünstadt hallen und als Auftakt wird ab 12 Uhr mittags die 2000-köpfige (!) Belegschaft der Schuhfabrik Rheinberger aus der Schuhmetropole Pirmasens im Festzelt weilen, das Mittagessen dort einnehmen und sich anschließend der Fröhlichkeit und dem Tanz hingeben.“
Höhepunkt des Weinfests war alljährlich eine besprochene Weinprobe in der Form eines Vergleichswettbewerbs zweier Jahrgänge. Das dauerte lange, und jedes Mal kam das hohe Weinschiedsgericht zu dem Schluss, beide Jahrgänge seien gleich hervorragend, man müsse die Entscheidung daher auf das nächste Jahr verschieben.
Der Niedergang des Festes in seiner alten Form setzte in den 1980er Jahren ein, als Großveranstaltungen im Festzelt in weiten Teilen der Republik immer weniger ankamen. Hinzu kam der ungünstige Termin für das Fest, das in manchen Jahren bis in die Anfangstage des Novembers hinein reichte. Ältere Festbesucher werden sich noch an das Kondenswasser zurückerinnern, das von der Decke des Festzeltes auf die Besucher und manchmal auch in die Schoppengläser tropfte - zunehmend wurde die Atmosphäre in einem Riesenzelt als ungemütlich empfunden, und schließlich blieben die Besucher aus.
Die Stadt entschloss sich 1990 zu einem radikalen Schnitt: Großzelt und Termin wurden aufgegeben, das Fest 1991 auf das Datum des ebenfalls dahindümpelnden Jakobimarkts im Sommer, der eigentlichen Grünstadter Kerwe, verlegt. Das erlaubte, statt des geschlossenen Festzelts die angenehmere Form eines offenen Weindorfes einzuführen: eine Form, die sich unbedingt bewährt hat und seither bestens ankommt. jl/ps
Autor:Jürgen Link aus Lauterecken-Wolfstein |
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